ࡱ> 5@ bjbj22. XXi+PPPl @@@8x\L+"֖֖֖֖֖֖  $Ri>0֖֖֖֖֖0֖֖֖&֖֖ ֖ `֖ ΋ @t% 0+X(֖֖֖֖֖֖֖00$Z(1. EINLEITUNG 1.1. Einleitende Bemerkungen Die thematische Triade 'Politik-Moral-Geschichte' durchzieht das Gesamtwerk des Schriftstellers Mans Sperber. Es handelt sich dabei nicht ausschlielich und nicht primr um eine Errterung tagespolitischer Probleme, die sich hinsichtlich ihrer einmaligen historisch-politischen Existenz und begrenzten Relevanz gegenseitig verdrngen, sondern es geht vielmehr um eine Philosophie des Politischen oder eine politische Anthropologie. Sperber hat kein philosophisches System aufgebaut, da dies ja auch nicht in seiner Intention lag. In diesem Sinne kann man lediglich von bestimmten Elementen oder Fragmenten einer solchen Philosophie bei ihm sprechen, was jedoch die Brisanz und Aktualitt der von ihm reflektierten Phnomene (in Romanen, Memoiren, Essays, wissenschaftlichen Abhandlungen, Interviews und Vortrgen) keineswegs mindert. Eine von Sperbers Fragestellungen ist auch das Problem der im Titel dieser Arbeit angedeuteten Vergangenheitsbewltigung, die hier nicht einzig und allein einen Versuch der Selbstanalyse eines individuellen Zeugen dieser politisch geprgten Vergangenheit bedeutet. Sie stellt ebenso ein kritisches Hinterfragen von Identittsstrukturen eines kollektiven politischen Subjekts dar, dessen Teil man als ttiger Kommunist war. Sperbers Romantrilogie Wie eine Trne im Ozean ist der erste vom Autor selbst als persnlich qualifizierte Versuch, die erlebte Zeitgeschichte wie auch seine eigene Lebensgeschichte nochmals zu erzhlen und zu erleben, die 'Geschichte einer Leidenschaft', die, transponiert, auch die meine gewesen war, und die Geschichte eines Zeitabschnitts. In einer 'Zeit der Verachtung', als der nun bereits seit einigen Jahren offiziell deklarierte Ex-Kommunist im Winter 1940 mit dem Schreiben des ersten Romanbandes begann, bedeutete das Schreiben fr Sperber zunchst eine Zuflucht vor dem Dasein, das ihm stets aufs neue unertrglich wurde: Wie der Mann, der seinen Schatten verloren hatte, hatte ich die Zukunft verloren, mir blieb nur die Vergangenheit. Seitdem habe das Schreiben die Lebensweise des Heimatlosen und Entwurzelten, wie er sich selbst nannte, in einer so ernsthaften weil immer wieder selbstreflektierenden Weise bestimmt, in der alles knstlerische Schaffen, besonders aber jenes des Dichters, den ganzen Menschen auf die Probe stellt: sein Wesen, sein Wissen und sein Bewusstsein, seine innere Wahrhaftigkeit ebenso wie seine nicht berwundenen Schwchen. Von den Selbstkommentaren des Schriftstellers ausgehend, wird in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen, unter anderem nachzuweisen, dass das Schreiben/Erzhlen, demonstriert am Beispiel des narrativen Hauptwerks des frhen Sperber, fr den Autor einen als dynamisch und poietisch verstandenen Prozess der Identittsproduktion und -prsentation sowie der personalen Sinnstiftung darstellt, welcher mit seinem Versuch der Vergangenheitsbewltigung einhergeht. Die Verarbeitung der Vergangenheit bedeutet in dem Sinne nicht nur ein spannungsreiches Wechselspiel zwischen dem gegenwrtigen, von der vergangenen Erfahrung zeitlich und ideenkritisch distanzierten Bewusstsein einerseits und einem den frheren Stadien des eigenen Entwicklungsprozesses immanenten Bewusstsein andererseits, dessen Inhalte von politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen einer Periode der Zeitgeschichte geprgt und ausgefllt wurden. Die oben zitierte Textstelle lsst nmlich m. E. auch einen anderen Begriff der Vergangenheitsbewltigung erkennen, der inhaltlich ber das Individuelle und das Vereinzelte einer historischen Erfahrung hinausgeht und doch nur im Medium einer individualisiert erzhlten Geschichte seinen adquaten Ausdruck findet: Er ist als stndiger, kritisch orientierter Dialog Sperbers mit der gesamten europischen Tradition aufzufassen, welche die Tradition des Logos und aller auf ihm beruhenden Ideengter (mit speziellen Wissensgebieten wie Moral-, Geschichts-, Religionslehre, Philosophie) ist. Wie sehr es dem Schriftsteller an einer intensiven, immer auch kritischen Beziehung zur eigenen und kollektiven Vergangenheit lag, bezeugt eine groe Anzahl von Texten, in denen er sich lebenslang und mit einer auffallenden Grndlichkeit diesem Thema widmete. Wenn die Romantrilogie, deren Einzelbnde bereits Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts erschienen sind, als seine erste wichtigere literarische Konfrontation mit der Vergangenheit zu verstehen ist, stellt seine Autobiographie aus den 70er Jahren, verffentlicht zuerst in Einzelbnden und 1983 als dreibndiges Werk unter dem Titel All das Vergangene..., einen zweiten und nicht weniger umfangreichen europischen Rechenschaftsbericht dar. Im Epilog zu seinen Erinnerungsbchern stellt Sperber fest, es sei ihm nur die 'Religion des guten Gedchtnisses', bzw. ein Glaube an die den Werken manchmal beschiedene kleine Ewigkeit geblieben. An einer weiteren Stelle dieses Textes gibt der Autobiograph auf seine eigene Frage, ob er sich nun endlich frei von all dem Vergangenen fhle, eine wenn auch nicht im Ton eines Resignierten negative Antwort. Viele Passagen aus der Autobiographie zeugen nmlich davon, dass sich Sperber durchaus der prinzipiellen 'Unbelehrbarkeit' seiner Zeitgenossen im Deutschland der ersten Nachkriegsjahre bewusst war, wohin er als 'Charg de Mission' im Kabinett des franzsischen Informationsministers Andr Malraux gesandt wurde. Eine solche ignorante Einstellung zur jngsten Geschichte habe den meisten als Abwehr gegen die moralischen und politischen Gefahren des Wissens gedient. Sperbers persnliche Enttuschung ber die weitverbreitete Ablehnung einer politisch-moralisch motivierten Erziehungsmglichkeit, die zu erzielen er sich auch durch die Niederschrift seiner Romane erhoffte, gilt in demselben Mae fr seine Beurteilung der politisch-gesellschaftlichen Lage im Nachkriegs-Frankreich: Ohne Bewusstsein kann man nicht 'aus sich herausgehen', genauer: nicht ber sich selbst hinauskommen. Aber auch dies gengt nicht, solange man nicht fhig wird, die eigene Verantwortlichkeit zu erkennen. Unter dem Einfluss der Psychoanalyse sind Worte wie Schuldgefhl, Schuldkomplex und Kulpabilisierung unvermeidliche Bestandteile einer zeitgenssischen Phraseologie geworden, dank der man sich melodramatisch schuldig und zugleich absolut unverantwortlich fhlen kann. Auf dem gesellschaftskritischen Bewusstsein von der Gefahr eines allzu schnellen und allzu leichten menschlichen Vergessens sowie von der Notwendigkeit einer kategorischen In-Frage-Stellung solcher trivialisierenden Einstellungen zur eigenen Vergangenheit und zu sich selbst grndet Sperbers Motivation zur Fiktionalisierung der eigenen Lebensgeschichte als erlebte Zeitgeschichte. Dadurch versuchte er, vor allem bei seinen gebildeten Zeitgenossen, Zweifel und eine beunruhigende Nachdenklichkeit hervorzurufen. 1.2. Ziele der Forschung und methodologischer Ansatz Die Arbeit versteht sich als ein Beitrag zur Untersuchung miteinander verbundener autobiographischer und ideengeschichtlicher Aspekte der Romantrilogie Sperbers. Diese Aspekte werden dabei als konstitutive Bestandteile im Prozess der narrativen Identittsbildung der Romangestalten sowie der personalen Identittsbildung des Autors selbst betrachtet. Der Prozess selbst wird, wie anfangs angedeutet wurde, als ein kritischer und konfliktgeladener Dialog des Europers Sperber mit dem ihm berlieferten Ideengut Europas im Kontext einer individuell und kollektiv gemachten politisch-historischen Erfahrung angesehen, die in seinen fiktionalen Text ins Narrative transponiert wurde. Deshalb ist das Leben und Werk des Schriftstellers in vielerlei Hinsicht als stndiges Zusammenspiel von Tradition und Innovation zu verstehen. Die Textanalyse und Textinterpretation sind methodologisch den Grundstzen der literarischen Hermeneutik verpflichtet, wie sie etwa in Paul Ricoeurs Theorie der Narrativitt, bzw. der dreifachen Mimisis, in Zeit und Erzhlen formuliert wurde. Der Ansatz erlaubt es, auch diesen Romantext als ein unabgeschlossenes, bzw. offenes Kunstwerk, zu begreifen: Jeder Text gleiche, so Ricoeur, einer Partitur, die auf verschiedene Weise aufgefhrt werden kann. Der textuelle 'Lesbarkeitsmanko', der einem narrativen Werk immanent ist und aus nicht evidenten Sinnbezgen in dem Text hervorgeht, muss vom Rezipienten ausgefllt werden, der seinerseits den Sinn und die Bedeutung des Werkes wie auch seiner Botschaften postuliert, an ihrer Produktion aktiv teilnimmt und sie dann als kontextgebunden zu deuten versucht. Auerdem werden auf diese Weise sowohl die Romantrilogie als auch ihr Autor gerechtfertigt in einen bestimmten historisch-politischen und literarischen Kontext integriert, ohne dass die Heranziehung des Begriffs des Autors, der Epoche, des Autobiographischen u. . bei der Gestaltung des Interpretationsrahmens in einer lediglich positivistischen Wiedergabe des Faktographischen resultiert. Anfangs soll in der vorliegenden Arbeit nach einer kurzen Wiedergabe der neuesten Forschungsergebnisse und nach einer chronologischen bersicht der politisch-historischen Situation in der ersten Hlfte des 20. Jahrhunderts Sperbers autobiographisch verarbeitete politische Erfahrung (hauptschlich seine Beziehung zum linken politischen Lager und zur Sowjetunion) mit Lebensberichten einiger seiner linksorientierten Zeitgenossen und zugleich seiner guten persnlichen Freunde verglichen werden. Auf diese Weise soll geprft werden, ob Sperbers Lebensweg und seine geistige wie auch ideologische Entwicklung in diesem Kontext einen Einzelfall oder eher das Typische einer ganzen Generation darstellt, desweiteren worin dieses Typische oder der sogenannte Zeitgeist besteht und in welcher Funktion und Form diese Erfahrungen literarisch vermittelt wurden. Bei der Textanalyse selbst, durch welche bestimmte strukturelle Aspekte und Stilmerkmale des Werkes hervorzuheben sind, werden primr Sperbers Selbstkommentare herangezogen, in denen er u. a. romantheoretische Fragen errtert hat. Durch einen Vergleich des Romantextes und der von dem Autor selbst angedeuteten Poetik, die er beim Schreiben seiner Werke im Auge hatte, wird der Versuch unternommen, Sperbers Innovativitt und Traditionsgebundenheit in stofflicher, formaler und thematischer Hinsicht zu zeigen, zumal es scheint, dass der dargestellte Inhalt und die gewhlte Form, bzw. die im Roman verwendete Erzhlstrategie nach manchen Sperber-Forschern aus Sperbers bewussten, eigentlich taktischen Grnden im Gegensatz zueinander stehen. Die auf die Romantrilogie bezogenen Implikationen einiger zentraler Gedanken Paul Ricoeurs ber die prnarrative und die rezeptionssthetische integrative Komponente der Narrativitt selbst (die sog. Mimesis-I und Mimesis-III) in Betracht ziehend, wird Sperbers narratives Werk bei der Textanalyse als 'Synthese des Heterogenen' (Mimesis-II oder Fabelkomposition bei Ricoeur) betrachtet. Das Heterogene, das hier im stndigen Zusammenwirken der Auen- und Innenhandlung des Romans auf eine dialektische Weise synthetisiert wird, kommt aus den verschiedensten Bereichen: im geschichtlichen, rumlich-geographischen, sozialen, politisch-ideologischen und ideengeschichtlichen Sinne. Whrend die chronologische Dimension dieser groen narrativen Geschichte in enger Verbindung mit den verwendeten Erzhlvorgngen (wie Rckverweisungen und Vorausdeutungen beim auktorialen und personalen Erzhlen) steht, wird die Romanstruktur von deren narrativ-logischer, also konfigurierender Dimension bestimmt. Diese schafft trotz der von der Sperber-Kritik eingesehenen Gefahr, durch die biographisch motivierte Haltung jeder einzelnen Romanfigur (und es sind ber 200!) falle der Roman bisweilen auseinander eine Einheit der erzhlten Geschichte, indem sie textuelle Sinnbezge organisiert. Diese innere Romanstruktur beruht m. E. auf einem in Manier der dialektischen Methode kritisch reflektierten Ideenamalgam, das gerade in all seiner Widersprchlichkeit zur europischen Tradition gehrt, und zwar als konstitutiver Bestandteil der Identitt des Schriftstellers Sperber und seiner Romangestalten. Anders gesprochen, die Romanstruktur wird durch ein stndiges und dynamisches Spannungsverhltnis von Gegenstzen (Vergangenheit-Zukunft, Individuum-Gemeinschaft, Idee-Realitt, Theorie-Parxis, Macht-Moral, Pessimismus-Optimismus usw.) konstituiert und aufbewahrt, was auf der stilistischen Ebene des Werkes durch eine Dominanz von Kontrasten und in sich oft widersprchlichen sprachlichen Bildern zum Ausdruck kommt. Einen zentralen Themenaspekt, der in der Trilogie problematisiert wird, stellen verschiedene historiosophische Konzeptionen dar, deren Eigentmlichkeit und sinnstiftende Funktion zur Sprache gebracht werden sollen. Da der Adlerianer Sperber in all seinen Texten immer von einem individuellen Menschen ausgeht und sich Fragen nach der Stelle und Rolle des Menschen in der gesamten intersubjektiv gemeinten Lebenswelt (also auch in der Geschichte, Gesellschaft und Politik) stellt, da im Mittelpunkt seines grtenteils der europischen Aufklrungstradition und dem Judaismus entstammenden Menschenbildes der handelnde und fr seine Taten verantwortliche Mensch steht und da es ihm dabei stets an der Erkenntnis des Universalen, des allgemein Menschlichen, ja des Gleichnishaften und des Exemplarischen in der menschlichen Erfahrung liegt, wurde hier als Oberbegriff fr seine philosophischen berlegungen die Bezeichnung 'politische Anthropologie' gewhlt. 2. REZEPTIONSGESCHICHTE UND FORSCHUNGSLAGE Die drei Bnde der Erstfassung, auf deutsch geschrieben, erschienen zuerst in franzsischer bersetzung: Der erste, umfangreichste Roman Sperbers, Der verbrannte Dornbusch, wurde 1948 abgeschlossen und erstmals 1949 im Pariser Calman-Lvy Verlag verffentlicht. Der zweite Roman, Tiefer als der Abgrund, entstand 1949/1950 und erschien ursprnglich berhaupt nicht in deutscher Sprache. Der dritte, Die verlorene Bucht, geschrieben 1950/1951, erschien 1952 auf franzsisch und 1955 erstmals auf deutsch. Die Romane wurden schlielich 1961 unter dem Titel Wie eine Trne im Ozean zur Trilogie zusammmengeschlossen. Diese zweite Textfassung nderte zwar nichts an der inneren und ueren Struktur des Romans (Tendenz, Figurenkostellationen, Handlungsverlauf), wurde jedoch betrchtlich gekrzt und sprachlich verbessert: Durch gezielte Streichungen zahlreicher realistischer Detailes, vor allem von direkten Bezgen auf die damalige Politik und Parteipolitik, erscheint der Roman in seiner 'Zeitfassung' wesentlich tiefsinniger und 'philosophischer', als er ursprnglich konzipiert war. Obgleich die Reaktion der Fachkritik in Deutschland erst 1961, nach der Verffentlichung der einbndigen Zweitfassung, ausdrcklich positiv war, sei Sperber, so Sternberg, auf der deutschen literarischen Szene erst seit den 70er Jahren wirklich prsent gewesen, was wohl auch mit der populren Fernsehverfilmung seines ersten Romans unter Regie von Fritz Umgelter Mitte der 60er Jahre in Verbindung steht. Die Tatsache, dass die Trilogie relativ spt ihre deutschsprachigen Leser gefunden hat, lasse sich nicht nur mit auerliterarischen Argumenten (z. B. 'typisches Schicksal eines Exilschriftstellers', 'verndertes Kulturklima' und 'Studentenrevolte der 60er Jahre') erklren, sondern sie habe sicher auch rein literarische Qualittsgrnde. Auerdem stand Sperber in den Ostblockstaaten lange Zeit auf der Liste verbotener (weil ideologisch gefhrlicher) Schriftsteller, was die dortige Rezeption seiner Dissidentenromane in hohem Mae erschwerte. Und whrend er im kommunistischen Lager als Hretiker galt, warfen ihm europische Konservative seinen Kommunismus vor. Eine intensivere Sperber-Forschung erfolgte seit den 80er Jahren, der Schriftsteller wurde auch in einigen Literaturgeschichten erwhnt, was allerdings noch nicht bedeutet, dass er bereits zum festen Werkkanon der heutigen Literaturgeschichtsschreibung gehrt. Obwohl nur eine kleinere Anzahl von wissenschaftlichen Arbeiten in Buchform in direkter Beziehung zu Sperbers Leben und Werk steht, gibt es ber dreiig Namen, die durch krzere Arbeiten vertreten in der heutigen Sperber-Forschung regelmig vorkommen. Der behandelte Themenkomplex umfasst dabei folgende Aspekte: autobiographische Elemente der Trilogie, Exilerlebnis, jdische Tradition, Zeitgeschichte, Stalin-Kritik, Europa, Mitteleuropa und habsburgischer Mythos, politische Erziehung. Da die neuesten Forschungsergebnisse in der Regel immer wieder und manchmal ausfhrlich auf ltere Kritiken, Rezensionen und Aufstze sowie Sammelbnde ber und zu Sperber zurckgreifen, wird hier nur eine kurze bersicht der umfangreicheren Sperber-Studien zusammengestellt. Werner Mller sieht in der Trilogie, besonders in der Dialogbereitschaft des Autors mit dem Leser und in seinem Vertrauen in das Wort, einen bedeutsamen Beitrag zur berwindung der Krise des modernen Romans und die literarische Verwirklichung der Sperberschen Romantheorie selbst. In dem fragmentarischen Stil offenbart sich nach Mller die Modernitt dieser Romane, deren wesentliche Elemente in der Triade 'Fragment-Gleichnis-Dialog' enthalten sind. Sowohl den Ausgangspunkt als auch das Ziel der Trilogie betrachtet er dabei als ein kontinuierlich leserorientiertes Projekt. Monika Schneider erforscht in ihrer aufschlussreichen Dissertation ideen- und zeitgeschichtliche Impulse fr eine Synthese der alten und neuen Welt in Sperbers Leben und Werk. Vor dem Hintergrund ideeller Einflsse des Messianismus, der Kantschen Philosophie und des Landauerschen Sozialismus-Konzepts auf den Autor kommt sie zu dem Schluss, Sperber ubiquiziere in seinen Texten eine politische Religion, die sich als aufgeklrter, skularisierter Messianismus enthlle. Die erste umfangreiche, detaillierte und in ihrer Innovativitt m. E. noch nicht bertroffene literaturwissenschaftliche Analyse und Interpretation der Trilogie, belegt mit zahlreichen Textbeispielen, stammt von Claudia Sternberg. Die Autorin setzt die Trilogie in den historischen und literarischen Kontext, indem sie einerseits den ideellen Hintergrund des Schriftstellers mit Jakob Burckhardts Geschichtsphilosophie und Alfred Adlers Individualpsychologie in einen produktiven Zusammenhang bringt, andererseits Parallelen zwischen der Trilogie und den Stalinismus-Analysen bei Arthur Koestler, Alex Weissberg, Vasilij Grossman und Panait Istrati zieht. Fr sie ist die Trilogie ein politischer Roman mit didaktischer Absicht und zugleich ein Beitrag zur Demaskierung des von Claudio Magris diskutierten habsburgischen Mythos. Durch eine przise Textanalyse kommt Sternberg u. a. zu gewichtigen Schlssen ber die Struktur- und Stilmerkmale des narrativen Werks von Sperber. Thomas Schmidt untersucht mittels einer close-reading Textanalyse Strukturen des thematischen und gestalterischen Aufbaus in der Trilogie, um zu zeigen, wie Motive und Gestaltungselemente sich innerhalb des textinternen literarischen Systems gegenseitig definieren und funktionalisieren. Dabei betrachtet er die Trilogie als Zeichensystem, bzw. als Zeichenstruktur in der Funktion eines sthetischen Zwecks. An konkreten Textbeispielen erklrt er die textinterne Konstituierung verschiedener Bedeutungsgruppen, durch die er dann die Oppositionsstruktur der Trilogie sowie ihre rhetorische Funktionalitt ermittelt. Mirjana Stan i hat sich in mehreren Arbeiten noch vor der Verffentlichung ihrer umfangreichen Biographie zum Leben und Werk von Mans Sperber, wofr sie ein umfangreiches und weit zerstreutes Material bewltigen musste, dem Thema 'Sperber und Jugoslawien' (einschlielich Miroslav Krle~a) gewidmet. In der Trilogie sieht sie vor allem die Fiktionalisierung von Zeitgeschichte, in deren Mittelpunkt das Problem der Sittlichkeit, der negativen Dialektik der Macht und berhaupt einer Dualitt zwischen Politik und Moral steht. Stan is Monographie erffnet eine faktenreiche, chronologisch und thematisch przise gegliederte Perspektive auf das Gesamtschaffen Sperbers in einem vielschichtigen Kontext. Von zahlreichen Autoren krzerer Arbeiten ber Sperbers Hauptwerk seien an dieser Stelle nur Jean Blot, Pierre Bouretz, Hans Otto Horch, Wolfgang Kraus, Claudio Magris, Leonhard Reinisch, Klaus Wenzel und Klaus Werner erwhnt. Ihre Thesen werden an entsprechenden Stellen kontextualisiert und reflektiert. 3. HISTORISCH-POLITISCHER KONTEXT 3.1. Intellektuelle in der Politik. Biographisch verwandte Schriftsteller im zeitgeschichtlichen Kontext Mans Sperber (1905, Zablotow/Ostgalizien 1984, Paris) schildert in der Autobiographie All das Vergangene... seinen Entwicklungsweg whrend einer turbulenten Zeit, die zugleich zentrale historische Erfahrungen einer ganzen Generation gekennzeichnet hat. Die Rede ist von einer im Prinzip linear und finalistisch ausgerichteten Darstellung von Stationen und Zsuren in Sperbers Leben: von seiner durch das Chaos des Ersten Weltkrieges unterbrochenen Kindheit in Galizien an, ber die vom Zionismus, der Individualpsychologie seines geistigen Mentors Alfred Alder und vom Marxismus geprgten Jugendzeit in Wien (beschrieben im ersten Band, der mit dem Jahr 1927, dem Jahr seiner bersiedlung nach Berlin, endet), ber den Eintritt in die KPD in Berlin und Aktivitten in der Zwischenkriegszeit bis 1933 (im zweiten Band), ber die Exilerfahrung und sein antifaschichtisches Engagement im Zweiten Weltkrieg bis zur eigenen Gegenwart (im dritten Band). Die Autobiographie erweist sich dabei zum einen als groes historisch-politisches Panorama des damaligen Europa, dessen Tradition der Schriftsteller nicht nur seiner Geburt und dem Lebenslauf nach, sondern vor allem weltanschaulich angehrt, zum zweiten als moderne Odysee des 'homo politicus', bzw. des 'homo faber' (Faber heisst brigens eine der zentralen Hauptfigur, die die 'Geschichte macht' und den Krieg berlebt), und zum dritten als Selbstanalyse des zum kritischen Humanisten gewordenen 'homo politicus' Sperber selbst. Im Hinblick auf seine historische Erfahrung und politische Entwicklung stellt Sperber keinesfalls einen Einzelfall dar. Viele Schriftsteller jener um die Jahrhundertwende geborenen Generation haben eine hnliche Entwicklung durchgemacht. Es verwundert daher nicht, dass die komplexe Wirklichkeit jener chaotischen Epoche zu einem zentralen und grtenteils kritisch vermittelten Thema vieler literarischer Werke wurde, unter denen gerade aufgrund der Flle der Ereignisse der von den Expressionisten vernachlssigte Roman zur bevorzugten Gattung wurde. Nur eine solche extensive epische Form (sei es der Zeitroman, der mit autobiographischen Zgen versehene Roman, der gesellschaftskritische Roman, der auf die Zeitgeschichte bezogene historische oder politische Roman) schien nmlich diese in sich uerst widerspchliche Wirklichkeit in ihrer parziell zu erzhlenden Totalitt erfassen zu knnen. Andererseits begegnet man einer groen Zahl von Autobiographien, Memoiren, Tagebcher, Lebens- und Reiseberichten sowie autobiographisch motivierten Essays sowohl whrend der Zwischenkriegs- und Kriegszeit als auch nach einem lngeren zeitlichen Abstand. Ein Vergleich von Lebensgeschichten und deren Literarisierung zwischen Mans Sperber, Ernst Toller (1893, Samotschin/Polen 1939, New York), Joseph Roth (1894, Brody/Galizien 1939, Paris) und Arthur Koestler (1905, Budapest 1983, London), wobei auch Andr Malraux (1901, Paris 1976, Crteil) und Andr Gide (1869, Paris 1951, Paris) mancherorts heranzuziehen sind, erlaubt es, auf die Zugehrigkeit zu einem gemeinsamen historisch-politischen Kontext zu schlieen. Die Liste der deutschen Autoren, in deren Romanen (aus der Literaturepoche der Weimarer Republik und aus der Exilzeit) der Themenkomplex 'Europa der ersten Hlfte des 20. Jahrhunderts' kritisch reflektiert wird, knnte natrlich, um nur einige Namen zu nennen, mit Lion Feuchtwanger, Heinrich und Thomas Mann, Hermann Hesse, Hermann Broch oder Anna Seghers erweitert werden. Die Auswahl von Lebens- oder Reiseberichten der Autoren, die hier mit Sperbers politischer Entwicklung verglichen werden, basiert jedoch in erster Linie auf der Tatsache, dass die genannten Schriftsteller Sperbers generationsverwandte Zeitgenossen und/oder gute persnliche Freunde waren, die er u. a. in seiner Autobiographie erwhnt. Fiktionale Werke dieser Autoren, in denen sie ihre eigene Lebenserfahrung literarisch verarbeitet haben, werden zwar mancherorts im Kontext von Sperbers Trilogie oder Autobiographie flchtig besprochen. Eine richtige komparative Analyse all dieser Texte wrde aber ber die Grenzen dieser Arbeit hinausgehen. Eine karge bersicht der wichtigsten Ereignisse, die Sperbers Generation erlebt oder auch aktiv 'mitgestaltet' hat, soll zuerst einen politisch-historischen Kontext fr die intendierte Analyse und Interpretation der Trilogie umreien. Zu dieser Chronik gehren folgende Ereignisse in all ihrer negativen Dialektik: Erster Weltkrieg (1914-1918); Untergang der Donaumonarchie (1918); Oktoberrevolution in Russland (1917); Novemberrevolution in Bayern, bzw. Konstitution und Zerschlagung der Mnchener Rterepublik (1918-1919); Grndung und Scheitern der Weimarer Republik (1919-1933) nach den Goldenen Zwanzigern (1924-1929) und einer kontinuierlichen Krisenlage (Reparationsforderungen der Alliierten, Ruhrkampf, Inflation, separatistische Bewegungen); Debakel der sterreichischen Sozialdemokratie und Brand des Justizpalastes (1927); Hitler-Putsch, bzw. Machbernahme durch die Nazis (1933); langjhriges Exil fr viele Schriftsteller (insbesondere jene jdischer Herkunft und linker ideologischer Provenienz); Spanischer Brgerkrieg (1936-1939); 'Anschluss' sterreichs (1938); stalinistische Suberungen und Schauprozesse in Moskau (1936-1939); Hitler-Stalin-Pakt (1939); Zweiter Weltkrieg (1939-1945). Im Laufe einer solchen Weltgeschichte spielen sich nun die Schicksale der erwhnten Autoren ab, die in einer knappen chronologischen Form (im Zeitraum von 1914 bis 1940) in deren Simultanitt folgendermaen zusammengefasst werden knnen: Im Jahr 1914 meldet sich Toller als Kriegsfreiwilliger. Roth beginnt mit dem Studium in Wien und wird als untauglich fr den Militrdienst zurckgestellt. Koestler zieht nach dem Bankrott seines Vaters nach Wien. Im gleichen Jahr verffentlicht Gide den antiklerikal gestimmten Roman Die Verliese des Vatikan. 1916 lernt Toller besonders in den Kmpfen vor Verdun die grausamen Auswirkungen des Krieges kennen und wandelt sich allmhlich von einem Kriegsbegeisterten zu einem Pazifisten und Sozialisten. Roth meldet sich freiwillig als Soldat und dient in seiner galizischen Heimat, whrend die Familie Sperber von dem Kriegsschauplatz nach Wien flieht. 1917 wird Toller vom Militrdienst freigestellt und beginnt mit dem Studium in Mnchen. Er nimmt an Diskussionen ber die Rolle der Intellektuellen im Krieg teil, bei denen es zum Konflikt zwischen der lteren Generation um Max Weber und der jngeren um ihn kommt: Whrend Weber fr ein Durchstehen des Krieges pldiert, tritt Toller fr seine durch eine 'gewaltlose' Revolution herbeizufhrende Beendigung. In Berlin begegnet er Kurt Eisner, dem er wieder nach Mnchen folgt. 1918 beteiligt sich Toller am Munitionsarbeiterstreik, wird kurz inhaftiert, kmpft aber auch weiterhin in der Antikriegsbewegung. Er ist aktiv in der revolutionren Bewegung Bayerns und bernimmt nach der Ausrufung der Mnchener Rterepublik wichtige mter. Whrenddessen erlebt Roth das Ende des Ersten Weltkrieges in russischer Gefangenschaft, wonach er nach Wien zurckkehrt. 1919 wird Toller nach der Ermordung Eisners Vorsitzender der bayerischen USPD und Abschnittskommandant der Roten Garde. Nach dem Zusammenbruch der Rterepublik wird er verhaftet und wegen Hochverrats zu fnf Jahren Festungshaft verurteilt. Koestler zieht inzwischen nach Wien um, wo er mit dem Studium anfngt. Roth geht 1920 in das kulturell blhende Berlin und arbeitet journalistisch bei verschiedenen Zeitungen. Im Jahr 1922 beginnt seine Mitarbeit beim Vorwrts, dem Organ der SPD. Verffentlicht werden seine sozialistisch und anarchistisch gefrbten Romane Das Spinnennetz (1923), Hotel Savoy und Die Rebellion (beide 1924). Whrend Toller zwischen 1920 und 1924 seine wichtigsten expressionistischen Dramen, nmlich Die Wandlung (1919), Masse Mensch (1921), Die Maschinenstrmer (1922), Der deutsche Hinkemann (1923), Der entfesselte Wotan (1923), in der Haft schreibt, reist Malraux 1923 im Rahmen einer archologischen Expedition nach Sdostasien, wo er erstmals dem Problem des Kolonialismus und Kommunismus begegnet. In Lenins Todesjahr, 1924, zieht der aus Bayern ausgewiesene Toller nach Berlin. Dort warnt er fast prophetisch vor Hitlers gefhrlicher politischer Haltung. In der Zwischenzeit wird Sperbers Jugendzeit in Wien geprgt durch die Teilnahme an der zionistischen Jugendbewegung, Adlers Individualpsychologie, erste Publikationen und die Lektre von Werken der klassischen griechischen Philosophie (vor allem Plato), der deutschen idealistischen Philosophie (hauptschlich Kant und Hegel), der Anarchisten (Michail Bakunin, Peter A. Kropotkin, Gustav Landauer), Nietzsches und Dostojewskis. Im Jahr 1925 reist Roth als Feuilltonkorrespondent der Frankfurter Zeitung nach Paris, whrend Malraux an der kommunistischen Revolution in China teilnimmt und sogar Propaganda-Chef der Kuomintang wird. Gide verffentlicht seinen experimentellen Roman Die Falschmnzer und reist nach Kongo und Tschad. Koestler begibt sich 1926 als begeisterter Zionist auf den Weg nach Palstina, wo er seitdem als Auslandskorrespondent fr verschiedene europische Zeitungen ttig ist. Roth reist zur gleichen Zeit als Korrespondent, voller Hoffnung auf das junge sozialistische Land, in die Sowjetunion, aus der er als Royalist enttuscht zurckkommt und die Artikelserie Reise in Russland verffentlicht. In dieser Zeit untersucht Sperber in Wien systematisch die materialistische Philosophie von Ludwig Feuerbach, Karl Marx und Friedrich Engels. Im Jahr 1927 wird Tollers Zeitstck Hoppla, wir leben! uraufgefhrt. Roths Abkehr von sozialistischen und anarchistischen Ideen resultiert u. a. mit der nderung seines Schreibprogrammes, in dem er sich nun zur Neuen Sachlichkeit und zum Postulat 'Das Wichtigste ist das Beobachtete' bekennt. Verffentlicht wird seine Erzhlung Die Flucht ohne Ende, und von nun an werden Ostjuden und der Untergang der Habsburgischen Monarchie zu seinen zentralen Themen. Beruflich reist er nach Italien, Albanien und Polen. Malraux kehrt nach Frankreich zurck, whrend Sperber nach Berlin bersiedelt und dort der KPD beitritt. Im Verlaufe des Jahres 1928 engagiert sich Toller in verschiedenen Gruppen und Aktionen fr einen revolutionren Pazifismus, indem er eine Kampagne gegen die politischen Gefangenen in aller Welt organisiert. Roth beginnt eine intensive Freundschaft mit Stefan Zweig. 1929 erscheint Roths Roman Rechts und Links. Roth wendet sich immer mehr dem Gedankengut der konservativen habsburgischen Legitimisten und dem literarischen Aufbau mythischer Gegenwelten zu der als chaotisch empfundenen Gegenwart zu. Im April 1929 trifft der vierundzwanzigjhrige Sperber als Individualpsychologe und Kommunist auf die Einladung der Familie Stein zum ersten Mal in Zagreb ein, lernt die fhrenden kroatischen Intellektuellen und die politische Situation auf dem Balkan kennen. Im Sommer besucht er zum ersten Mal Paris. 1930 erscheinen Tollers Reisebericht ber die Sowjetunion und die USA Quer durch. Reisebilder und Reden und Roths Hiob. Im Gegensatz zu Roth bewundert Gide in den frhen 30er Jahren die Sowjetunion als vielversprechendes politisches Experiment und engagiert sich gegen den aufkommenden Faschismus. 1931 tritt Koestler in die KPD ein. Sperber bricht mit Adler, der auf politische Neutralitt drngt und Sperbers kommunistische Ttigkeit als irrefhrend kritisiert. Im Sptsommer 1931 geht der Marxist Sperber auf eine dreimonatige Reise in die Sowjetunion, auf die er aber erst in seiner Autobiographie eingeht. 1932 erscheint Roths Meisterwerk Radetzkymarsch. Koestler bereist 1932/1933 die Sowjetunion, aus der er entsetzt zurckkehrt, trotzdem aber dem Kommunismus verbunden bleibt, genauso wie Sperber. Das Jahr 1933 trifft alle deutschen Autoren schwer: Toller emigriert in die Schweiz und verffentlicht seine Autobiographie Eine Jugend in Deutschland. Roth geht nach Paris, wo er an Emigrantenpublikationen mitarbeitet und sich publizistisch fr die Restauration des Vielvlkerstaates einsetzt. Koestler organisiert nach seiner Rckkehr aus der Sowjetunion die kommunistische Exilpresse in Paris. Nach einer kurzfristigen Haft emigriert Sperber ber Prag, Wien und Zagreb (wo er sich mit Unterbrechungen vom Mai 1933 bis Mai 1934 aufhlt) ebenfalls nach Paris. 1934 bersiedelt Toller zuerst nach London, dann in die USA, und kmpft durch verschiedene Initiativen gegen den Faschismus. Sperber beginnt im Auftrag der Komintern mit der Mitarbeit am neugegrndeten Pariser Institut zum Studium des Faschismus (INFA), in dem politische Emigranten aus vielen europischen Lndern publizieren. Er trifft hier den ihm bereits aus Wien und Berlin bekannten Koestler wieder und knpft Kontakte zu franzsischen linken Intellektuellen um Gides literarische Zeitschrift Nouvelle Revue Franaise. Er lernt hier Malraux kennen, der allerdings nie Mitglied der KP werden soll, zu dieser Zeit aber noch gleich wie Sperber an die revolutionre Idee glaubt. Seit 1935 ist Sperber Mitglied zweier wichtiger antifaschistischer Komitees in Paris, denen u. a. Romain Rolland, Malraux, Heinrich Mann und Gide angehren. 1936 reist Gide in die Sowjetunion, wo er sich neun Wochen (auch in Stalins Gesellschaft) aufhlt. Nach der Rckkehr verffentlicht er den Reisebericht Zurck aus der Sowjetunion, in dem er die sozialen Privilegien der neuen russischen Oberschicht und Stalins Diktatur der Brokratie ber das Proletariat unverhllt kritisiert. Dies lst eine heftige Hetzkampagne der Moskauer Prawda gegen ihn aus. Im Herbst 1936 beschliet Sperber, sich nach der abzuschlieenden Arbeit an den angefangenen antifaschistischen Projekten von der Partei loszusagen. Im Jahr 1937 verffentlicht Roth, der infolge privater Probleme und politischer Desillusionierung immer mehr dem Alkohol verfllt, Das falsche Gewicht. Malraux beiteiligt sich am Spanischen Brgerkrieg, indem er als General und Kampfflieger der auslndischen Luftwaffe auf der republikanischen Seite kmpft. Diese Erlebnisse verarbeitet er im Roman Die Hoffnung. Koestler nimmt als Berichterstatter und im Auftrag Willy Mnzenbergs auch am Spanischen Krieg teil, er wird aber von Putschisten als Spion monatelang gefangengenommen, zum Tode verurteilt und schlielich durch eine Intervention der Briten freigelassen. Diese Erfahrung beschreibt er im Lebensbericht Spanisches Testament. Unter dem Eindruck der stalinistischen Prozesse wendet er sich 1937/38 immer mehr vom Kommunismus ab. Das halbe Jahr 1937 verbringt Sperber in Wien, wo er intensiv am Essay Analyse der Tyrannis arbeitet, und in Jugoslawien, wo er als Psychotherapeut arbeitet. In diesem Jahr verlsst er endgltig, hauptschlich aus politischen Grnden, die KPD. Gide verffentlicht seine Antwort auf zahlreiche Angriffe seiner einstigen Weggefhrten in der dem Reisebericht nun beigelegten Schrift Retouches mon Retour de l'U.R.S.S., wo er die negativen Auswirkungen des Stalinschen Staatsapparats in der sowjetischen Gesellschaft noch schrfer hervorhebt. Im Jahre des 'Anschlusses' sterreichs an das Dritte Reich erscheint Roths Roman Die Kapuzinergruft, whrend Koestler aus der KPD austritt und nach Paris geht. Sperber publiziert in der Zeit von 1938 bis 1940 vorwiegend unter Pseudonymen verschiedene Essays in Mnzenbergs Zeitschrift Zukunft. Enttuscht ber seine gescheiterte Hilfsaktion fr die hungernde spanische Zivilbevlkerung und seine jahrelang unglckliche Ehe, erhngt sich Toller 1939, drei Tage nach der Siegesparade Francos in Madrid, in einem New Yorker Hotel. In Paris verffentlicht Roth die Erzhlung Die Legende vom heiligen Trinker und stirbt vier Tage nach dem Erhalt der Nachricht vom Selbstmord Tollers in einem Armenhospital. Malraux bricht mit der damaligen von Stalin dirigierten kommunischen Plattform und schliet sich nach der Flucht aus der deutschen Gefangenschaft der franzsischen Widerstandsbewegung an. Koestler wird unterdessen im besetzten Frankreich als kommunistischer Agent verfolgt, von der Pariser Polizei verhaftet und in das Internierungslager Vernet gebracht. Im gleichen Jahr erscheint sein Roman ber das Scheitern der Revolution Die Gladiatoren. Ende 1939 rckt Sperber als Freiwilliger in die franzsische Fremdenlegion ein, in der er bis zur Demobilisierung im August 1940 kmpft. An der Cte d'Azur, wo sich auch Gide befindet, beginnt Sperber 1940 den ersten Band seiner Trilogie zu schreiben. Er lebt in Cagnes bis 1942. Da er aber auf der Auslieferungsliste steht, wird Frankreich fr ihn gefhrlich und er flieht in die Schweiz, wo er bis zum Kriegsende bleibt. Malraux kmpft indessen in der Franzsischen Widerstandsbewegung, whrend Koestler nach Grobritannien emigriert. Im gleichen Jahr erscheint Koestlers Roman Sonnenfinsternis, in dem er sich mit dem Stalinismus und dem Phnomen des Revolutionrs auseinandersetzt. Seine Autobiographie in zwei Bnden, Pfeil ins Blaue und Die Geheimschrift, erscheint 1952 und 1954, etwa zehn Jahre vor Malraux' Anti-Memoiren (1967). 3.2. Das historische und revolutionre Bewusstsein der Generation um 1900 Der Erste Weltkrieg wurde von der Generation der um 1900 Geborenen als groe Zeitenwende und als Zusammenbruch der alten politischen und sozialen Autorittsstrukturen erlebt. Der traumatisierende Einbruch von Gewalt und Tod in das Alltagsleben der frhen Jugendzeit wirkte entfremdend auf den jungen Sperber, der erst nach einer langen zeitlichen Distanz imstande war, sein frhestes und unmittelbares Erleben des Ersten Weltkriegs im galizischen Schtetl, das zu einem mit Leichen berfllten Schlachtfeld geworden war, als den ersten Bruch in der Kontinuitt seines kindlichen Bewusstseins in Begriffe zu berfhren und durch das Schreiben zu verarbeiten: Die folgenreichste Wirkung vollzog sich, als ich begann, wir statt ich zu denken [...], weil ich es hatte erleben mssen, dass Menschen wie von einem Sturm angeweht aus der Fremde kamen, sich aufeinander strzten, tteten und starben. Und keiner von ihnen tat es als ein Ich das war das Unwahrscheinliche und doch die Wahrheit. Keiner starb als das ich, das er war, seinen eigenen Tod. Die schreckliche Anonymitt des Kriegsgeschehens, ja die von ihm produzierte allgemeine Entmenschlichung, lie im Bewusstsein des jungen Sperber die menschliche Geschichte als absurdes, sinnloses Bewegen auftreten. Mit dem durch den Untergang der Habsburgischen Monarchie gegebenen Verlust der eigenen Heimat und Sicherheit begann so fr den Entwurzelten eine lebenslange Odysee. Sperber und viele seine Jahrgnger, auch deutsche, die die nationale Niederlage miterlebt haben, wurden somit Heimatlose im doppelten Sinne des Wortes. Die Reaktion auf die chaotische Wirklichkeit stand jedoch sowohl bei Sperber als auch bei Toller, dem jungen Roth und Koestler im Zeichen eines weltanschaulich fundierten, aktiven Protestes gegen die herrschenden gesellschaftlichen und politischen Strukturen ihrer Zeit. Nicht die Resignation angesichts der als konfus empfundenen Realitt, sondern ein Drang nach dem historisch-politisch relevanten Ttigsein ist das Ergebnis ihres unerschtterten Glaubens an eine bessere, gerechtere und freie zuknftige Welt gewesen. Die politische Gemeinschaft, angedeutet durch jenes bei Sperber frh auskristallisiertes 'wir' als sinnstiftender Faktor einer kollektiven Identitt, wurde zu einem Topos im gesamten Engagement dieser Intellektuellen. Das autobiographische 'wir', das in Sperbers Lebensbericht parallel zum autobiographischen 'ich' seiner personalen Identitt fr jeweils eine kollektive Identitt und eine damit verbundene Lebensphase steht, stellt zugleich eine konstitutive Komponente in der Identittsbildung des Erzhlsubjekts selbst dar. Auf diese Weise werden aus der inneren Perspektive des erkennenden Subjekts nicht nur die in dessen personale Erfahrung eingeschriebenen Ereignisse und Weltanschauungen, sondern zugleich ein breites gesellschaftliches Panorama dargestellt. Ein anderes 'wir', auf das der Leser in Sperbers Reflexionen ber das Jahr 1938 trifft, steht paradigmatisch fr eine ganze Generation, deren Haupteigenheit gerade ein stark entwickeltes historisches und revolutionres Bewusstsein ist: Wir zweifelten fast an allem, aber nicht daran, dass die Geschichte einen Sinn haben musste, und dass wir berufen waren, gleichzeitig diesen Sinn von ihr zu bernehmen und ihn ihr unserseits zu geben. Mit dem 'wir' sind Sperber und ihm generationsverwandte, linksorientierte europische Intellektuelle gemeint, deren personale Identitt sich gerade durch den Begriff eines stellvertretenden Handelns im Namen einer tief greifenden Vernderung der herrschenden Verhltnisse definieren lsst. Ihr Bewusstsein von einer unertrglich gewordenen Wirklichkeit fhrte dementsprechend zu der Schlussfolgerung, dass diese Welt nicht mehr bleiben kann und darf, so wie sie ist. Der nchste logische Schluss war es, der Geschichte einen Sinn zu geben, indem man Geschichte macht, indem man durch sein eigenes Handeln in den Geschichtsprozess eingreift. Da der handelnde Mensch aber erst in der Sphre der menschlichen Koexistenz und der Intersubjektivitt fr den historischen Prozess konstitutiv, bzw. sinnstiftend wirkt, liegt es auf der Hand, dass sich die Intellektuellen in den Dienst einer politischen Idee und mithin, nolens volens, in den Dienst einer vulgrpragmatischen Politik gestellt haben. Es verwundert daher nicht, dass in dem vielschichtigen Kontext der Zwischenkriegszeit eben sozialistische, kommunistische und anarchistische Ideen und ihnen immanente politische Ideale (wie Freiheit, Gerechtigkeit, Solidaritt, Gleichheit, Brderlichkeit) eine starke Anziehungskraft auf diese Generation der Suchenden ausgebt haben. Einen festen Standpunkt der durch den Ersten Weltkrieg vernderten Wirklichkeit gegenber suchten die meisten im Programm und Engagement einer politischen Revolution, an die sie ihr eigenes Leben delegierten. Die Revolution wurde auf diese Weise fr viele europische Intellektuelle zu einem Absolutum, durch das einerseits in absehbarer Zeit die 'Umwertung aller Werte' und eine neue Wirklichkeit herbeigefhrt, andererseits die Grenzen des eigenen individuellen Daseins transzendiert werden sollten. Die kommunistische Partei, in deren Reihen sich die meisten Linken versammelten, galt dabei als ein Instrument, Revolution und dadurch Geschichte zu machen. Im jungen sowjetischen Staat sahen viele, besonders in den 20er und in den frhen 30er Jahren, ihre politischen Hoffnungen bereits grtenteils realisiert. Unter Anlehnung an eine positive, meistens durch die linksorientierte Presse vermittelte Perspektive, aus der bis dahin das sowjetische politische Experiment in vielerlei Hinsicht als vielversprechend charakterisiert worden war, wurde wohl die gleichzeitige Projizierung eines hnlichen Soll-Zustands auf die eigene nationalpolitische Lage in Mitteleuropa legitimiert. Sperbers politischer Entwicklungs-, bzw. Desillusionisierungsweg verlief hnlich wie der seines Jahrgngers Koestler: Er fhrte von einem idealistisch gesinnten Sozialisten und Zionisten ber den marxistisch indoktrinierten Kommunisten zu dem linksorientierten 'Ketzer', der als 'Doppelzngler' seine Teilnahme am 'Verrat der Revolution' durch die praktische Befrwortung der Stalinschen totalitren Politik schlielich erkannt hat und seitdem seine politische Vergangenheit immer wieder selbstkritisch zu bewltigen suchte. Eine groe Rolle in dem Desillusionierungsprozess Sperbers, aber auch Tollers, Roths, Koestlers und Gides hat ihre Reise in die Sowjetunion gespielt, obwohl ihre Reiseeindrcke keineswegs ausschlielich negativ waren. Die empirische Begegnung mit der Sowjetunion lste jedoch bei den kommunistisch gesinnten Intellektuellen eine wesentliche Ernchterung nach dem ursprnglichen Begeisterungsrausch aus. Ernst Toller, der die Impressionen seiner Russland-Reise unter dem Titel Quer durch. Reisebilder und Reden 1930 publizierte, verdeutlicht im Vorwort zum Reisebericht, bzw. zu den hier verffentlichten Briefen, folgendermaen sein Hauptanliegen: In Sowjet-Russland geschieht so Ungeheures, fr unsere Epoche Bestimmendes, dass jeder ehrliche Bericht, sei er selbst so fragmentarisch wie dieser, wichtig und wesentlich wird. Auch darum tue ich es, weil eine Welle von Verleumdungen, Niedertracht, Hass die russische Revolution zu berfluten droht. Der Optimist Toller verteidigt die Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken als historisches Beispiel fr gigantische Selbstentfaltungen menschlicher Tatkraft. Gleichzeitig richtet sich sein polemischer Ton gegen das kapitalistische Gesellschaftssystem aus, dessen Ultima Ratio Krieg und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen seien. Tollers revolutionrer Pazifismus basiert auf der berzeugung, dass der Kapitalismus als wirtschaftliche Ordnung eine Gesellschaft erbracht hat, deren Mitglieder als Nutznieer des Vlkerelends und Parasiten der Geschichte ein militantes Handeln und den 'Willen zur Macht' propagieren, um damit die eigenen materiellen Interessen auf Kosten der sozial Deprivierten durchzusetzen. Abschlieend nennt er zwei weitere Argumente fr seine affirmative Einstellung zur Sowjetunion, die im Zusammenhang mit seiner sozialistisch-anarchistischen Weltanschauung der Landauerschen Provenienz gedeutet werden sollten: Gelingt das Experiment nicht, war es in der Geschichte der Menschheit ein heroisches Beispiel schpferischen Geistes. Gelingt es, und manches spricht dafr, wird fr die Erde eine Regeneration der Kulturen beginnen, von deren vielfltiger Wirkung wir heute nur wenig ahnen. Einen krftigen Impuls zu seiner radikalen Auflehnung gegen den Krieg und den Kapitalismus erhielt Toller von der sozialistisch-anarchistischen Bewegung Gustav Landauers (18701919). Genauso wie der 'literarische Anarchist' Erich Mhsam (18781934), der neben Toller, Landauer und Eisner eine politische Leitfigur der Mnchner Revolution war, den Marxismus wegen seiner autoritren Zge ablehnte und vielmehr eine Revolutionierung der Gesellschaftsstruktur durch das 'Subproletariat', d. h. die unterste Gesellschaftsklasse vertrat, schien sich Toller der Mglichkeiten und der Grenzen des Sozialismus durchaus bewusst gewesen zu sein: Der Sozialismus knne allerdings das aus der Unzulnglichkeit und Ungerechtigkeit sozialer Systeme herrhrende Leid lsen, meint Toller, aber die Not, die durch das menschliche Leben schlechthin, bzw. durch den Einbruch kosmischer Krfte bestimmt werde, bleibe von unlslicher Tragik. Zwei prosowjetische Argumente, vorangestellt den russischen Reisebildern, basieren auf dem Ideenamalgam aus Landauers Aufruf zum Sozialismus (1911). Der Sozialismus wird dort definiert als die Willenstendenz im Geist geeinter Menschen, mit Hilfe eines Ideals eine neue Wirklichkeit zu schaffen; als Kulturbewegung und Weitergang einer langen und schwierigen Geschichte. Die Gegensatzpaare 'Kapitalismus-Sozialismus', 'Staat-Gesellschaft', 'Ungeist-Geist', 'Krieg-Friede', 'Zivilisation-Kultur' sind die wichtigsten Elemente der Landauerschen Kritik an der Moderne, welche mit der Zivilisation, d. h. mit einem wahnsinnigen Fortschrittsglauben in Form des Kapitalismus, Kolonialismus und Militarismus gleichsetzt wird. Mit seiner Zivilisationskritik nimmt der sozialistische Anarchist jene fr Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes (1918-1933) charakteristische Historionomie des Bogens vorweg: Die Vlker htten, so Landauer, ihre Bltezeiten der Kultur, und sie kmen von diesen Gipfeln periodisch herab. Im 'Geistsozialismus', der sich wesentlich vom 'Kapitalsozialismus' des Pharisers Karl Marx unterscheide, sieht Landauer den Weg aus den Zeiten des Niederganges heraus zu einer neuen Kultur, deren uere Organisationsform fr ihn ein Gemeinschaftsbund freier, vernnftgeleiteter Individuen jenseits des staatlichen Rahmens und jeder anderen ueren Zwangsform ist: Diesem Kapitalsozialismus stellen wir unsern Sozialismus gegenber und sagen: der Sozialismus, die Kultur und der Bund, der gerechte Austausch und die freudige Arbeit, die Gesellschaft der Gesellschaften kann erst kommen, wenn ein Geist erwacht, wie die christliche Zeit und die vorchristliche Zeit der germanischen Vlker einen Geist gekannt hat, und wenn dieser Geist fertig wird mit der Unkultur, der Auflsung und dem Niedergang, der wirtschaftlich gesprochen Kapitalismus heisst. Die Erwachung eines vorzivilisatorischen, authentischen Gemeinschaftsgeistes ist dementsprechend die erste Voraussetzung fr die sozialistische Revolution, die das Neue schaffen soll. Dazu komme man aber, so Landauer, nicht ber Revolutionre, wie es die Marxisten falsch meinen wrden. Man msse zuerst die Bedingungen fr die Revolution schaffen, indem man unter Bercksichtigung der edelsten Errungenschaften der europischen Tradition die 'Religion' in dem kleinen Menschen, in dem Bauern, wieder lebendig macht: nicht den Glauben an irgendwelche uere oder obere Mchte, sondern den Glauben an die eigene Macht und die Vervollkommnung des einzelnen Menschenwesens, solange es lebt. Auf diesen Prmissen beruht Tollers antibellizistisches Verstndnis der Revolution, welcher daher eher der Begriff einer geistigen und aus ihr resultierenden sozialen Evolution ja einer Regeneration der Kulturen entsprechen wrde. Tollers politische und sthetische berlegungen, dargelegt im Kapitel Arbeiten des erwhnten Buches, erweisen sich als differenzierte, fast prophetische Errterungen: Sie treffen scharfsinnig den Kern eben jenes unlslichen Widerspruchs, der in einem zermrbenden Zusammenwirken von innerer und uerer Dialektik den Lebensweg Sperbers, Koestlers sowie vieler anderer europischer Intellektuellen in der Zwischen- und Kriegszeit erst richtig mitgestalten wird. Im Rekurs auf die Theaterezeption seines Stckes Masse Mensch bringt Toller diesen Kern, der die Struktur des historischen und revolutionren Bewusstseins der Generation um 1900 geprgt hat, folgendermaen zum Ausdruck: Nur wenige erkannten, dass der Kampf zwischen Individuum und Masse sich nicht nur drauen abspielt, dass jeder in seinem Innern Individuum und Masse zugleich ist. Als Individuum handelt er nach der als recht erkannten moralischen Idee. Ihr will er leben, und wenn die Welt dabei untergeht. Als Masse wird er getrieben von sozialen Impulsen und Situationen, das Ziel will er erreichen, auch wenn er die moralische Idee aufgeben muss. Dieser Widerspruch ist heute noch fr den politisch Handelnden unlslich, und gerade seine Unlslichkeit wollte ich zeigen. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse ist auch Tollers gutheiende Russland-Reportage anzusehen. Genauso wie Landauer erhoffte er sich von der Sowjetunion die historische Realisation des Geistsozialismus und eine Wiedergeburt der Kultur. Der optimistische Ton des Vorworts wirkt umso fragwrdiger, als der Reportagetext selbst eigentlich durch eine Flle uerst kritischer Beobachtungen gekennzeichnet ist, in denen Toller die autoritren Mechanismen der Machtausbung der sowjetischen kommunistischen Partei entlarvt: ihre totalitre Aus- und Gleichschaltung jeglicher Opposition, ihre Militanz in Theorie und Praxis, den omniprsenten, den Alltag des russischen Menschen narkotisierenden Lenin-Kultus sowie die schwierige Lage der sowjetischen Schriftsteller, die als politisch gezwungene Hymniker der proletarischen Revolution oftmals verzweifelt die Erlsung im Selbstmord oder in der Mystik suchen. Als Joseph Roth als Journalist fr die Frankfurter Zeitung im August 1926 nach Russland reiste, waren bereits seine zeitkritischen Romane Das Spinnennetz und Hotel Savoy verffentlicht. Dass das Land im Osten ihn immer angezogen hat, bezeugt die Tatsache, dass die Neue Berliner Zeitung gerade ihn 1920 als Sonderberichterstatter zum polnisch-russischen Krieg entsandte. In der Sowjetunion war zum Zeitpunkt seiner Reise seit langem ein Kampf um den richtigen politischen Kurs entfesselt: Josef W. Stalin begann noch 1920, im Krieg gegen Polen, Leo Trotzki innerhalb der Partei zu isolieren und erffnete nach Lenins Tod im Jahr 1924 in der Prawda eine Kampagne gegen ihn, die mit dem Ausschluss Trotzkis aus dem Politbro 1926 als taktische Vorbereitung fr dessen Verbannung nach Sibirien diente. Schrittweise unterdrckte Stalin mit Hilfe des neugeschaffenen Amtes des Generalsekretrs jegliche innerparteiliche Opposition und setzte immer mehr eine skruppellose, totalitre Politik durch. Die wirtschaftliche Lage des Landes war Mitte der 20er Jahre durch die Neue konomische Politik (NEP) geprgt, deren Manahmen (wie Massenproduktion, Industrialisierung, Zwangsenteignung, Kollektivisierung, Verstdterung drfischer Bevlkerung) planmig durchgefhrt wurden. Roth, den einige sowjetische Zeitungen bei seiner Ankunft als einen revolutionren Schriftsteller begrten, hatte enorm viel Material fr seine Reportagereise gesammelt: Er hatte vorher die Reiseberichte von Egon Erwin Kisch und Ernst Toller studiert wie auch zahlreiche recherchierte Informationen aus der Fachliteratur besorgt. Seine ersten Reiseeindrcke waren trotz kritischer Beobachtungen euphorisch. Mit positiv bewertete er vor allem das vorbildlich erfllte sozialistische Postulat der Gleichberechtigung nationaler Minderheiten (besonders der Juden), die Zivilisierung des russischen Bauerns, die Bekmpfung des Analphabetismus sowie die Ausrottung des Gutsbesitzertums. Es verwundert jedoch nicht, dass Roth dank seinem kritischen Auge in einem Gesprch mit Walter Benjamin, der Anfang Dezember nach Moskau kam, bilanzierend behauptete, als nahezu berzeugter Bolschewik nach Russland gekommen zu sein, das Land aber als Royalist wieder zu verlassen. Die in ihrem Charakter halbasiatische, feudal und zentralistisch geprgte Sowjetunion war seiner Meinung nach nicht imstande, das Ziel einer humanen Gesellschaft nach dem Vorbild der europischen brgerlichen Tradition zu erreichen. Einer harten Kritik unterzog er die Struktur der durch die Revolution radikal vernderten russischen Gesellschaft, besonders die neue russische Bourgeoisie, die so genannten NEP-Menschen. Der Journalist bemerkte, dass die kommunistische Ideologie, die von der Partei in alle Sphren des Alltagslebens (Erziehung, Schulwesen, Presse, Literaturproduktion usw.) systematisch eingeschaltet wurde, durch die Politik der Gleichschaltung und eine Bewegungsbesessenheit einen entindividualisierten, maschinisierten, durchaus durchschnittlichen und selbstentfremdeten Brger produziert, der niemals ganz Privatmensch ist: Man ist immer ein sehr bewegter Bestandteil der Gesellschaft. Es wird organisiert, es wird gespart, es wird eine Kampagne erffnet, [...] es wird, es wird, es wird! Die ganze Welt ist ein ungeheurer Apparat. Jeder Greis, jedes Kind ist beteiligt und verantwortlich. Eine solche groangelegte Mobilisierung der gesamten Bevlkerung entlarvt Roth aber als nachrevolutionre Zeit der fleiigen Broarbeiten und der Statistikfanatiker, fr die ein zuverlssiger Marxist mehr wert sei als ein khner Revolutionr. Er sah ein, dass der schwache Punkt jeder, auch der russischen proletarischen Revolution eine unberbruckbare Kluft zwischen Idee und Leben ist. An erster Stelle operiert auch diese Theorie mit abstrakten Begriffen und Annahmen, die in das 'Leben' selbst nicht berfhrt werden knnen, eben deshalb weil jede Theorie von allem Individuellen, blo Kontingenten, alltglich Banalen im organischen Leben eines konkreten Menschen abstrahiert und schon der Definition nach vom Gegenstand ihres Betrachtens getrennt ist. Auerdem zwingen sowohl die Idee als auch der Aufbau des neuen Staates, der im Namen dieser Idee begonnen hat, [...] die Individualitt, sich als einen Faktor der Masse zu betrachten. In dem sowjetischen Fortschrittswahn, der sich einer politisch indoktrinierten Masse als Mittel in der Verwirklichung der propagierten weltgeschichtlichen Erlsung bedient, sieht Roth eine unbewusste Anpassung an das geistige Amerika. Und das ist die geistige Leere. Nach seiner Rckkehr beabsichtigte der nun monarchistisch gesinnte Roth, in dem nie gehaltenen Vortrag ber die Verbrgerlichung der Russischen Revolution vom Januar 1927 zu beweisen, dass das Brgertum unsterblich ist, denn selbst die grausamste aller Revolutionen, die bolschewistische, hat es nicht zu vernichten vermocht. Zur Ironie der Weltgeschichte gehre gerade auch die Theorie einer klassenlosen Gesellschaft, die das Proletariat befreien sollte, aus allen Menschen aber durch allumfassende Brokratisierung ein neues Beamtentum, ein biederes Brgertum mache, das erst jetzt die Errungenschaften der europischen Zivilisation zu entdecken beginne. Roths Russland-Reise zeigte sich als wichtiger Impuls fr einen Wendepunkt in seinem politischen und sthetischen Engagement. Im Frhwerk, das mit den Romanen von 1929 endet, vertrat der Schriftsteller einen radikalen Anarchismus. Thematisch gehren dazu auch die nach der Russland-Reise erschienenen Romane Die Flucht ohne Ende (1927), Zipper und sein Vater (1928), Rechts und Links (1929) sowie Der stumme Prophet (entstanden zwischen 1927 und 1929, rekonstruiert aber erst aus dem Nachlass). Die Anarchisten fungieren dabei als Figuren auerhalb kleinbrgerlicher Spinnennetz-Welten, als Revolutionre, heimatlose Auenseiter, egoistische und intelligente Individuen, die aber die Befreiung des Menschen nicht bringen knnen. Da ihre Ideale in einer Welt der Savellis und Kapturaks notwendigerweise zugrunde gehen mssen, enden Roths desillusionierte Revolutionre meistens als moderne Achaswers oder passive 'Kibitze', so dass auch die Gestalt Friedrich Kargans in dem Schlsselroman Der stumme Prophet, in dem das Schicksal von Leo Trotzki darstellt wird, resigniert feststellt: Nun bleibt mir nichts mehr brig, als zuzusehen. Zwanzig Jahre habe ich zugesehn, um zu lernen. Ein einziges Jahr habe ich gekmpft. Den Rest meines Lebens werde ich ein Zuschauer bleiben. Arthur Koestler beginnt Die Geheimschrift, den zweiten Band seiner Autobiographie, in dem sein Eintritt in die KPD Ende 1931, die Emigration in die Sowjetunion 1932-1933, seine Ttigkeit fr das antifaschistische Publikationszentrum der Emigranten in Paris, die Beteiligung am Spanischen Brgerkrieg als Korrespondent, die Verhaftung unter dem Franco-Regime wie auch die sptere Flucht nach England 1940 behandelt werden, mit den Worten, welche die Lebensgeschichte eines weiteren ernchterten linken Idealisten erkennen lassen: Ich habe mich dem Kommunisten wie einer Quelle frischen Wassers genhert und ich verlie ihn, wie man sich aus einem vergifteten Fluss rettet, in dem Trmmer berschwemmter Stdte und die Leichen der Ertrunkenen treiben. Das ist in abgekrzter Form meine Geschichte von 1931 bis 1938, von meinem sechsundzwanzigsten bis zu meinem dreiunddreiigsten Jahre. Nachdem er aus politischen Grnden seine Stelle beim Ullstein Verlag verloren hatte, widmete sich Koestler 1932, im letzten Sommer von Weimar-Deutschland, kommunistischen Aktivitten in einer 'Zelle' des kommunistischen Apparats, in der und fr die er gelebt habe. Vor dem Bericht ber seinen fnfmonatigen Aufenthalt in Sowjetrussland beschreibt er ziemlich ausfhrlich die psychologische Wirkung des Lebens in einem solchen geschlossenen System, in dem alle seine Gefhle und Einstellungen dem Denksystem des historischen Materialismus und dem obersten marxistischen Gesetz der Revolution, der Zweck heilige die Mittel, entsprechend umgeformt wurden. Sehr frh sah der Intellektuelle jedoch ein, dass das Gewissen fr einen konsequenten Marxisten einem gefhrlichen Bazilus gleich sei. In welchem Mae ihn von Anfang an die eigenen moralischen Zweifel beschftigten, die der frh erkannten Unvereinbarkeit von Idee und Wirklichkeit entsprangen, besttigen die hufigen Rckgriffe des Autobiographen auf seinen 1940 verffentlichten Roman Sonnenfinsternis, in welchem er den zerreienden Widerspruch zwischen seinem moralischen und seinem revolutionren Bewusstsein, d. h. die Kollisionen des eignenen Gewissens mit der selbstproklamierten Unbeirrbarkeit der Partei literarisch zu bewltigen suchte. Koestlers Absicht war es, in einem Buch fr die MORP, den Internationalen Verband der revolutionren Schriftsteller, sowie in einer Artikelserie fr den Karl-Dunker-Verlag eine Reise durch das Sowjetreich vom nrdlichsten bis zum sdlichsten Punkt, von der Polargegend bis zur afghanistanischen Grenze zu beschreiben. Seine Reise begann und endete in Charkow, wo seine (und Sperbers) Freunde Eva und Alex Weissberg lebten. Bereits whrend der Ankunft erlebte der bis dahin marxistisch indoktrinierte junge Mann einen krassen Widerspruch zwischen seinen Vorstellungen von Russland, die sich ausschlielich auf die Informationen aus der Sowjetpropaganda sttzten und das Land als ein ber-Amerika begrten, und einer miserablen, von groer Armut und Hungersnot geplagten sozialen Wirklichkeit, die es offiziell nicht gab und die man floskelhaft als 'Schwierigkeiten an der Kollektivierungsfront' bezeichnete: Meine Reaktion auf den brutalen Zusammenprall von Realitt und Illusion war typisch fr einen frommen Glubigen. Ich war berrascht und verwirrt aber der elastische Stodmpfer meiner Parteiausbildung funktionierte sofort. Ich hatte Augen, die sehen konnten, aber einen Verstand, der darauf trainiert war, das, was die Augen sahen, auf vorgeschriebene Weise auszulegen. Dieser innere Zensor ist zuverlssiger und tchtiger als die offizielle Zensur. Den Leser seiner Memoiren konfrontiert Koestler mit einer rigiden Kritik der nachrevolutionren russischen Gesellschaft, deren Hauptstruktur ein strenges hierarchisches System bilde, das die ganze Nation umfasse und in dem die GPU absolute Prioritt habe. Gegen Ende der Reise befand sich Koestler, der ein Grundprinzip des totalitren Sowjet-Regimes in dessen Doppelpolitik der Zentralisierung und der gleichzeitigen Atomisierung erkannt hatte, in einer Stimmung selbstmrderischer Depression. Einen tiefen Eindruck machten auf ihn Bucharin und Radek, die er in Moskau kennengelernt und deren charakteristische Zge er spter der Romanfigur Rubaschows in Sonnenfinsternis gegeben habe. Die beiden htten, so Koestler, ein idealistisch motiviertes revolutionres Bewusstsein verkrpert, im Gegensatz zur neuen Generation der Gletkins, die weder an Gott noch an die Menschen, sondern nur an die Ordnung glaube. Koestlers Reisereportage Rote Tage und weie Nchte erschien 1934 in Charkow, und zwar nur in der deutschen und durch die Zensur drastisch zusammengestrichenen Ausgabe. Die russische Ausgabe des Buches erblickte nie das Licht der Welt. Die abschlieenden Tne seines autobiographisch verarbeiteten Erlebnisses des totalitren Stalin-Regimes sind durch dstere Gedanken ber eine fast allgegenwrtige Apathie und passive Gefgigkeit der Beherrschten gefrbt, die durch den staatlichen Terror immer wieder produziert und aufrechterhalten wird: Denn der Druck jener Umgebung scheint fast unwiderstehlich [...]. Er schneidet den Menschen ab von seinen metaphysischen Wurzeln, vom religisen Erlebnis, vom ozeanischen Gefhl in all seinen Formen. Das kosmische Bewusstsein wird ersetzt durch soziale Wachsamkeit, Erkenntnis des Absoluten durch Gehirnakrobatik. Trotz allem kann man eine Spur der Koestlerschen Hoffnung in die Unbesiegbarkeit einer Kategorie der Menschen nicht bersehen, die das, was sie seien, nicht dank, sondern trotz jener Erziehung wrden. Um diesen Triumph der unzerstrbaren menschlichen Substanz ber eine unmenschliche Umgebung bestmglich zu illustrieren, zitiert er die talmudische Legende von den 36 Gerechten, die er vor kurzem in Mans Sperbers Tiefer als der Abgrund gelesen habe. Darin habe er nmlich auch jene Minderheit der 'Sowjet-Patrioten' erkannt, die ihre Individualitt und moralische Integritt zu bewahren vermochten und trotz ihrer Vernichtung durch Stalins Suberungsaktionen dennoch nicht ausstarben. Mans Sperber wurde bereits ein Jahr vor Koestler, whrend seiner dreimonatigen Reise durch Sowjetrussland 1931, ebenfalls ein Zeuge der totalitren Realitt in diesem Land. Die schrecklichen Szenen des russischen Alltags von den infolge der Entkulakisierung und der Auflsung verwsteter Drfer massenhaft umgesiedelten Bevlkerungsteilen bis zu bengstigenden Anomalien des Lebens in der ffentlichen und privaten Sphre lsten bei ihm allerdings eine zunehmende Skepsis gegenber der Parteipolitik aus, doch sie waren in den nchsten Jahren lang kein gengender Beweggrund fr eine endgltige Abkehr von der kommunistischen Ideologie und Parteipraxis. In Moskau nahm der linientreue Kommunist Sperber an der VII. Internationalen Psychotechnischen Konferenz teil, die in einem dogmatischen Geiste verlief, sowie an einem gemeinsamen Besichtigungsprogramm, innerhalb dessen er eine sowjetische Erziehungsanstalt, psychologische Institute, den Moskauer Kulturpark, das Kino, eine Fabrik, moderne Gefngnisse und andere grndlich reformierte Einrichtungen besuchte. Whrend der Reise, in der er noch Kiew, Charkow und Leningrad besuchte, traf Sperber mit Nikolai Bucharin, der spter im Schauprozess von 1938 zum Tode verurteilt und ermordet wird, mit dem ungarischen Revolutionr und damaligen Redaktuer der Tageszeitung Iswestija Bla Kun, mit dem jiddischen Dichter Peretz Markisch sowie mit dem Jugendfreund Alex Weissberg zusammen. Die reprsentativen Erscheinungen, durch die man im Grunde genommen die geistige und soziale Misre sowohl vor den auslndischen Gsten als auch vor der einheimischen Bevlkerung geschickt zu verbergen suchte, mgen bei Sperber eine positive Reaktion auf den propagierten kolossalen Geist des Fnfjahresplan-Russlands hervorgerufen haben. Die Reise, die er erst im zweiten Band seiner Autobiographie, Die vergebliche Warnung, verarbeitet hat, stand daher von Anfang an im Zeichen einer stndigen Mischung von Begeisterung und Entsetzen. Sperbers enthusiastischer Glaube an die Verbesserung der menschlichen Lage durch die Durchsetzung sozialistischer Ideen in der Praxis verhinderte ihn, latente Mechanismen der Selbsttuschung einzusehen. Er selbst erwhnt in der Autobiographie, schon um 1930 Istratis kritische Berichte ber die Sowjetunion gekannt, sie jedoch abgelehnt zu haben. Auerdem wurde Sperber, wie es Mirjana Stan i mit Recht betont, wohl bereits 1929 mit kritischen Informationen ber die Lage in der Sowjetunion konfrontiert, als er in Zagreb den kroatischen Schriftsteller Miroslav Krle~a kennenlernte, bzw. mit dessen Buch Ausflug nach Russland (1926) bekannt gemacht wurde. Er trennte sich aber erst 1937 von der Kommunistischen Partei, als der 'innere Zensor' des Kommunisten nicht mehr imstande war, die Wahrheit ber die Moskauer Prozesse zu stilisieren, insbesondere als Alex Weissberg in Charkow verhaftet und als auslndischer Spion angeklagt wurde. Das bisherige 'Doppelzglertum', d. i. die ffentliche Verteidigung Stalins als den einzigen mchtigen Verbndeten im Kampf gegen Hitler, wurde mit der Zeit fr das moralische Bewusstsein des Individualpsychologen unakzeptabel. Die moralischen Zweifel, die zu diesem Entschluss fhrten, reflektiert Sperber im dritten Band seines Lebensberichts, Bis man mir Scherben auf die Augen legt. Dort kann man lesen, dass er noch im Jahr 1936, als Andr Gide aus Sowjetrussland zurckkam und ber die enttuschenden Erfahrungen whrend der Reise in Zurck aus der Sowjetunion berichtete, bestimmte Hoffnungen auf Stalins Eingreifen in den Spanischen Brgerkrieg und damit den Sieg der spanischen Republik hegte: Obschon ich Gide alles glaubte, was er ber seine Erlebnisse in der Sowjetunion berichtete ich ahnte ja hnliches seit langem , so gehrte ich doch zu jenen, die bedauerten, dass er mit der Verffentlichung dieses Pamphlets nicht gewartet hatte. Es war im Interesse der spanischen Republik, dass ihr einziger Verbndeter nicht angegriffen und seine Waffenlieferungen berall gerhmt wrden. Ich lebte im Bewusstsein dessen, dass dies die Zeit der Erpresser war und wir gezwungen waren, uns zwischen ihnen einen Weg zu bahnen. Sperber gesteht, dass er, Koestler und ihresgleichen sich trotz ihrem Bruch mit dem Marxismus-Leninismus noch lange Zeit nicht von ihren politischen Illusionen htten befreien knnen, auch wenn der Hitler-Stalin-Pakt 1939 fr die gesamte Linke die grte politische und moralische Niederlage bedeutet habe. Die in diesem Kapitel dargestellten politischen Schicksale Tollers, Roths, Koestlers und Sperbers ermglichen es, die konstitutiven Elemente der Identittsbildung sowohl dieser Intellektuellen als Individuen als auch einer ganzen Generation herauszustellen. Aus dem Vergleich ihrer Lebenslufe ergibt sich eine hnliche politische Erfahrung, die im identittsbildenden Sinne bereits in der Zwischenkriegszeit gemacht wurde. Obgleich nmlich Toller und Roth 1939 gestorben sind, standen sie einem revolutionren Konzept der Weltvernderung, insbesondere jenem nach dem sowjetischen Vorbild, relativ frh voller Skepsis gegenber. Und noch ehe sich Koestler und Sperber als Frontkmpfer aktiv am Zweiten Krieg beteiligten, waren in ihren Einstellungen Anstze zu ihrem spteren literarisch profilierten Skeptizismus und kritischen Humanismus anwesend. Dem Krieg ging ein Jahrzehnt innigsten Tatenidealismus und schmerzlichen Desillusioniserens voraus, dessen innere Logik aus dem Geiste der Zwischenkriegszeit geboren worden war. Den Kern der Vergangenheitsbewltigung bei Sperber und Koestler, sei es autobiographisch oder durch Transponierung historischer Erfahrung in fiktionale Texte, macht gerade ihre Selbstkritik, d. h. die Kritik des linken politischen Lagers aus, das die moralische und politische Katastrophe unter Stalins totalitrer Herrschaft schon in den 20er und 30er Jahren erlebt hat. Was diese selbstkritische berprfung bei den linken westeuropischen Intellektuellen immer wieder motiviert hat, ist ein durchgehendes Gefhl, mitverantwortlich fr die Teilnahme am Verrat der Revolution gewesen zu sein. Das Tragische an der historisch-politischen Situation und an der Notwendigkeit einer aus ihr resultierten politischen Auswahl manifestierte sich in ueren, aber noch mehr in inneren dramatischen Konflikten, deren Subjekte einen unvershnlichen Gegensatz zwischen Idee und Tat, Moral und Politik, Individuum und Gemeinschaft erfahren haben und zu berwinden suchten. Das Resmee einer Epoche, in der man fast ausschlielich ohne ein Privatleben im herkmmlichen Sinne, dagegen aber fr politische Ideen, in der Stimmung eines modernen Nomadentums, gelebt hat, kann der von 1937 datierten Botschaft an Gide aus Sperbers Nachlass entnommen werden: Wir, Andr Gide, haben die Kunst glcklich zu sein, nicht verlernt, weil wir sie niemals erlernt haben. Der Weltkrieg machte uns wach. Nichts auer einem Ereignis, an dessen Folgen wir mehr hngen sollten, als an unserem Leben nichts, was folgte, erlaubte uns, glcklich zu sein. [...] Im Weltkrieg wurden wir wach im nchsten Krieg, den zu verhindern wir nicht vermocht haben werden werden wir eingeschlfert werden in den Tod. Dazwischen liegt unser Leben: Generation: Jahrgnge 1900-1910. C'est tout? C'est tout. 4. ERZHLEN UND VERGANGENHEITSBEWLTIGUNG: SPERBERS ROMANTRILOGIE Wie eine Trne im Ozean 4.1. Die Trilogie als narrative Form der Vergangenheitsbewltigung Als Theodor Adorno 1959 vor dem Koordinierungsrat fr Christlich-Jdische Zusammenarbeit in Frankfurt einen Vortrag hielt unter dem Titel Was bedutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?, betonte er die Notwendigkeit einer aktiven Bewltigung unserer zeitlich nahen Vergangenheit, und zwar als Aufklrung und Strkung des menschlichen Selbstbewusstseins. Die allen bekannte Vergangenheit eines obskuren Geschichtsabschnitts zu der sich sowohl Sperber als auch Adorno die Frage stellen, wie eine solche moralische und politische Katastrophe trotz einer langen Tradition des europischen Humanismus berhaupt mglich war drfe nicht durch eine trivialisierende Bilanzierung vereinfacht und unterdrckt werden. Eine gesellschaftliche Geste, mit der alles Vergangene schnell vergessen und verziehen wrde, lehnen die beiden Gesellschaftskritiker ebenso kategorisch ab. Wenn Adorno das Nebenleben vom Nationalsozialismus in der Demokratie als poteziell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie betrachtet, dann teilt er auch darin seine Besorgnis mit Sperber. Die wichtigste Figur der Sperberschen Trilogie, nmlich der revolutionre Intellektuelle Dojno Faber, der als ein alter ego des Autors betrachtet werden kann, kommentiert gegen Romanende, im Gesprch mit einem englischen Leutnant, folgenderweise den Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg: Sie wussten schon vorher, dass die Fhrer dieser Armee die Feinde von morgen sind. Nach diesem Krieg wird es keinen Frieden geben. Ihre gigantischen Siege werden einige Regierungen, nicht den Totalitarismus zur Strecke gebracht haben. Daraus lsst sich fr die beiden schlieen: Verliert man den Bezug zur Geschichte und zur eigenen Vergangenheit, ist fr uns auch die Gegenwart verloren. Sperber und seine intellektuellen Romanfiguren haben immer wieder betont, dass es ihnen an einem wahren historischen Gedchtnis liegt. So sind sie, wie die Propethen des Alten Testaments, Mahner und Erinnerer, die ein kritisches Bewusstsein gegenber der Gesellschaft und fr die Gesellschaft verkrpern. Eine Vergangenheit werde, behauptet Adorno, erst dann verarbeitet werden, nachdem alle Voraussetzungen entfernt worden seien, die sie produzierten. Der prinzipiellen Unmglichkeit einer praktischen Verwirklichung seines Anspruchs war sich Adorno durchaus bewusst: Der Anspruch klingt in demselben Mae utopisch, in welchem man von einer grundlegenden Vernderbarkeit der menschlichen Natur und der 'conditio humana' sprechen kann, gerade deshalb, weil uns die Geschichte wie die Hegelsche Minerva belehren kann, dass man aus und von ihr im Prinzip nichts gelernt hat. Die Geschichte habe uns, so Sperber, viel mehr Warnungen berliefert als ntzliche Hinweise. Da der Mensch nach Sperber zur Hoffnung verdammt ist, wirkt es nicht verwunderlich, dass der 'Held' der Trilogie, Dojno, trotz seiner pessimistischen Prognose ber die Entwicklung der politischen Situation in der Nachkriegszeit auch weiterhin an einem lebensnotwendigen Idealismus als Wegweiser fr die Menschheit festhlt: Wir wollten auf das Gedchtnis der Zeitgenossen und der Nachkommen wirken. Irren Sie sich nicht, Tony: Wir sind verloren, aber die Sache selbst ist unverlierbar. Die Hoffnung, als eines der Grundphnomene des menschlichen Daseins, kann daher auch dann nicht besiegt werden, wenn das Individuum zu der Erkenntnis gelangt, dass das irdische Dasein des Menschen eine Tragikomdie ist: Diese besteht darin, dass die Ontogenese immer eine kurze und unvermeidliche Rekapitulation der Philogenese ist, dass jeder einzelne Mensch als historisches und moralisches Wesen in seiner eigenen Entwicklung die Eigenheiten der Spezies Mensch wiederholt und wiederholen muss. Deshalb mssen sowohl Sperber als auch seine revolutionre Hauptfigur schlielich gestehen, sich geirrt zu haben, denn die Welt [...] ist noch furchtbar jung. In einem Gesprch mit Siegfried Lenz uert sich der Romanautor ganz direkt zu dieser Frage: Wir haben den Fehler begangen, den in jeder Generation einige begangen haben. Nur in unserer Generation, unserem Jahrhundert, das ja ein aufgespaltenes, aufgerissenes Jahrhundert ist, kam dieser Fehler besonders hufig vor, nmlich die Einbildung, gerade jetzt wre der Augenblick, in dem die Welt reif ist, sich vllig zu verndern. Wie hatten unrecht. Die Welt ist noch nicht reif. Unrecht wie Dutzende von Generationen von uns, um nicht zu sagen, Hunderte von Generationen. Mit dem angefhrten Gestndnis Sperbers wird ein breiterer gedanklicher Komplex berhrt, der im Kapitel ber den geschichtsphilosophischen Hintergrund der Trilogie ausfhrlicher behandelt wird, hier jedoch einer kurzen Erluterung bedarf. Sperbers Erkenntnis der 'Irrungen und Wirrungen' seiner Epoche und seiner gleichgesinnten Jahrgnger impliziert nmlich notwendigerweise das Bewusstsein von einer unleugbaren Aufspaltung zwischen zivilisatorischen und rein menschlichen Mglichkeiten. Obwohl Sperber nirgendwo diese Schlussfolgerung explizit formuliert und den Fortschritt sogar als einen neben Liebe, Gte und Gerechtigkeit das menschliche Dasein auf der Erde rechtfertigenden Faktor begreift, handelt es sich darum, dass der Mensch dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt in Wirklichkeit moralisch nicht gewachsen ist. Wrde nmlich seine ontogenetische (und das heisst auch seine gnoseologische, mit jener verbundene, moralisch niemals neutrale) Entwicklung mit der philogenetischen bereinstimmen, dann wre diese Welt geistig-moralisch reif, und die inhaltliche Ergnzung ('fr eine tief greifende Weltvernderung') in dem Falle ein bloer Pleonasmus. Die zum Stadium der eigenen Mndigkeit gelangene Menschheit wrde dann gar keine revolutionren Eingriffe brauchen, denn die Welt wrde infolge ihrer allmhlichen, evolutionren, vernunftgeleiteten Vervollkommnung sowieso wie ein harmonisches Gefge funktionieren. Das menschliche Lebewesen jedoch, das sich seiner Zeitlichkeit bewusst ist, versucht bei dem frhen Roth, bei Koestler, Malraux und Sperber, sich selbst und sein im Hegelschen Sinne 'unglckliches' Bewusstsein zu transzendieren, und zwar durch seine Taten. Durch diese, technisch organisierbar nur in einer Gemeinschaft von 'seinesgleichen', versucht es, die Geschichte nicht nur nach seinem Mae zu verndern, sondern die Vernderung noch zu Lebzeiten zu erleben. Der politisch Handelnde will damit zugleich den Geschichtsprozess verdichten, indem er vorher den Sinn seiner eigenen Existenz auf die Geschichte projiziert. Die Krze des individuellen, organischen Lebens hindert jedoch den Menschen daran, die Leere eines solchen naiven Optimismus einzusehen, dem zufolge er sich selbst in seinem historischen Bewusstsein zu einem selbsterwhlten gewaltttigen Messias oder wenigstens zu einem Apostel der Weltgeschichte, aufgefasst als skularisiertes Heilsgeschehen, erhebt. Darin irrten sich, wie gesagt, Sperber und seine Generation. Indem wir in ein Milieu, eine Denktradition, eine konkrete Gesellschaft und politische Ordnung hineingeboren werden, werden wir, aus hermeneutischer Perspektive betrachtet als Teil unserer Tradition und ihrer Geschichte bereits mit einer Vergangenheit geboren und schon vor unserer Geburt in verschiedenartige Geschichten und Identitten verstrickt. Darin ist ein Ansatz zum Narrativen angelegt, der sich spter, whrend des Lebens, neben unserem subjektspezifischen Handeln und Erleben schpferisch-dynamisch weiter entwickelt. Mit anderen Worten, der Romancier vermittelt ber seine Romanfiguren (die genauso wichtig sind wie die Schaupltze und die Romanhandlung) bestimmte anthropologische und historiosophische Ansichten, welche fr seine eigene, personale wie auch fr die narrative Identitt seiner Romangestalten konstitutiv sind. Fr Sperber, fr den all sein Schreiben nicht nur Zufluchtnehmen und Erinnern darstellt, sondern auch Widerstand gewesen und geblieben ist, verluft der Prozess der Vergangenheitsbewltigung durch die literarische Transponierung der eigenen historischen Erfahrung. Die Tatsache, dass die Trilogie ein fiktionales, aber mit vielen autobiographischen Zgen des Autors versehenes Werk ist, steht nur scheinbar in einem logischen Widerspruch zu Sperbers hartnckiger Betonung, die Trilogie sei keine Autobiographie und kein Schlsselroman. Die literarisch verarbeitete Erfahrung der historisch-authentischen Person Mans Sperber darf als glaubwrdig und in diesem Sinne als abgelegte Zeugenschaft angesehen werden, zumal die zahlreichen Romanzitate, auf die Sperber in den autobiographischen und anderen Texten zurckgreift, nicht nur eine Vergleichbarkeit von seiner Autobiographie und Trilogie, sondern eben eine Vergleichsnotwendigkeit im Hinblick auf den gemeinsamen bearbeiteten Stoff nahelegen. Das Selbsterlebte ist natrlich nicht die einzige Quelle, aus der der Romancier den Romanstoff schpfte. Neben knstlerischer Kreativitt verwertete er Augenzeugenberichte und Informationen aus der Exilpresse, um all dem verinnerlichten uerem Geschehen, der Erfahrung 'aus erster und zweiter Hand', den entsprechenden knstlerischen Ausdruck zu geben. Sperbers Erzhlwerk ist eine Fiktionalisierung der Zeitgeschichte, innerhalb der seine eigene ebenfalls als Fiktion verkleidete Lebensgeschichte erzhlt wird. Die Trilogie ist folglich eine literarische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit eines linken Dissidenten und vor allem eines Europers. In Anlehnung an Sperbers Begriff der Erfahrung, der im nchsten Kapitel, im Kontext seines romanpoetischen Entwurfs nher bestimmt wird, sowie an den Begriff der menschlichen Erfahrungsfhigkeit, der von der literarisch-hermeneutisch orientierten Narratologie geprgt wurde, lsst sich die Erzhlbarkeit eines Textes als permanente Rekontextualisierung und Reinterpretation unserer Erfahrung verstehen. Eine sinnhafte Geschichte zu erzhlen heisst dann, verschiedenartige, zeitlich und inhaltlich zerstreute Eregnisse schpferisch in eine semantische und zeitliche Einheit integrieren, was auch in der Trilogie auf eine besondere Weise gemacht wird. 4.2. Poetischer Essenzialismus Im Vorwort zur Trilogie uert sich Sperber nicht nur zu deren Entstehungsgeschichte, zu seiner persnlichen Enttuschung ber die Rezeption der Erstfassung und zu einer von ihm erhofften Lesergruppe sowie adquateren Aufnahme dieser endgltigen Zweitfassung, sondern er formuliert seine eigenen poetologischen Grundstze, von denen er beim Niederschreiben der Trilogie geleitet wurde. Obwohl das im Winter 1940 begonnene Werk, das schlielich ber tausend Seiten umfasst, dem Leser lang genug erscheine, bleibe es fr den Autor nur ein Fragment. Er habe es geschrieben, um aufs neue die Hoffnungen zu erleben, die inzwischen vernichtet worden waren, und um ihren Sinn zu entdecken. Sperbers leserorientierter Erwartungshorizont und sein romantheoretisches Konzept lassen sich aufgrund einer lngeren Textpassage aus dem Vorwort zur Trilogie prziser bestimmen: Ich schrieb nach berhmtem Muster fr alle und fr keinen; in Wahrheit dachte ich an die noch Ungeborenen, die heute die Jungen sind. Sie, hoffte ich, wrden nicht erst das Missverstndnis der falschen Identifikation berwinden mssen, um zu begreifen, dass es sich hier weder um eine Autobiographie noch um einen Schlsselroman handelt; dass die Politik nur Rohstoff, aber nicht das Thema ist; dass ich nicht die Wirklichkeit abkonterfeien wollte; dass ich weder die allgemeinen Geschehnisse beschreiben, noch die Grnde von Sieg und Niederlage erklren wollte. Den Jungen, an die ich whrend jener langen Nchte dachte, mag es leichter fallen als so vielen meiner beraus wohlwollenden Kritiker in der ganzen Welt, zu durchschauen, dass ich keine Gewissheiten zu bieten habe, sondern nur Fragen spruchreif mache; dass Charaktere, Situationen, Handlungen, dass Ereignisse, Erlebnisse und Erfahrungen hier nur dann behandelt werden, wenn sie in sich ein Gleichnis bergen. Entgegen der Gewohnheit, die dem Romanleser lieb ist, bleibt hier hufig all das unbeschrieben, was einen angenehm vertraut machen knnte mit der unendlich mglichen und doch nur erdachten Welt des Romans. Wer hier teilnehmen will, muss seinen Teil geben: wahrhaft mitwirken [...]. Dieser trilogischer Roman hat nur scheinbar ein Ende, ihm fehlt berdies eine trstliche Moral. Das 'bekannte' Schreibmuster, mit dem der Schriftsteller auf Nietzsches Also sprach Zarathustra ein Buch fr Alle und Keinen anspielt, bezieht sich auf das Bewusstsein davon, dass im Moment des Schreibens eine eventuelle knftige Rezeption des literarischen Werkes noch vllig unentschieden ist. Trotz allen Intentionen des Autors kann ein Werk von den Lesern durchaus falsch verstanden werden, so dass es im Endergebnis keine Resonanz findet. In einem 1979 veranstalteten Fernsehgesprch mit Siegfried Lenz vergleicht Sperber diese Situation mit den Plakaten auf den Straen: Sie wenden sich an alle, aber der Empfnger bleibt anonym. Die zitierte Textpassage verrt eine groe Enttuschung des Schriftstellers ber die Aufnahme und die angeblich ungerechte literatursthetische Kritik der Erstfassung seiner Romane, weil es scheint, dass die Leser nmlich Sperbers Altersgenossen vieles missverstanden haben, indem sie in dem Werk einen Schlsselroman, einen Thesenroman oder aber eine bloe Abbildung der zeitlich frischen politisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit gesehen hatten. Auerdem habe es, sagt Sperber im Gespch mit Lenz, auch kritische Einwnde gegeben, dass der erste Band meiner Trilogie Wie eine Trne im Ozean ein trojanisches Pferd sei, dass ich in Wirklichkeit Kommunist bin, also Propaganda mache, und dass es nur so aussieht, als sei ich gegen den Kommunismus. Eine richtige Rezeption erhoffte sich Sperber von der jungen Generation, die zur Zeit der Entstehung des Romantextes noch ungeboren war und deshalb von der Gefahr einer falschen Identifikation und Vorurteilen frei zu sein schien. Nicht weniger aufschlussreich wirkt der dozierende Ton, in dem der Autor auf die postulierten formalen Merkmale seines Werkes eingeht: Fragmentaritt des Erzhlten, Offenheit und Unabgeschlossenheit des Romantextes mit einem scheinbaren Ende, weiterhin eine dynamische, zwischen dem Vordergrund und dem Hintergrund der Romanhandlung stets pendelnde Erzhltechnik sowie eine unkonventionelle, konsequente Unnachgiebigkeit des Erzhlers gegenber dem Leser. Daraus liee sich folgern, dass Sperber auf diese Weise die Modernitt seiner Romane zu betonen versuchte, was die damalige Kritik nicht erkannt hatte. Gleichzeitig weist er mit der Erklrung, dass die Politik nur Rohstoff, aber nicht das Thema sei, auf die thematischen, bzw. gedanklichen Aspekte der Trilogie hin. Das poetische Postulat der Behandlung von Ereignissen und Erfahrungen, insofern diese in sich ein Gleichnis bergen, zielt somit auf die literarische Darstellung des Wesentlichen, des Universalen, des Transhistorischen an der menschlichen Erfahrung, das sich in den individuellen, geschichtlich-politisch przisierten Schicksalen konkretisiert. Es geht also um eine Quintessenz der menschlichen Erfahrung, die als 'Geschichte einer Leidenschaft', als Geschichte von Intellektuellen in der Politik und den Aporien des revolutionren Bewusstseins literarisiert wird. Dem poetischen Essenzialismus, zu dem sich der Romanautor bekennt, liegt eine wesentliche Unterscheidung von Erlebnis und Erfahrung, bzw. zwischen dem individuell Einzelnen und dem menschlich Allgemeingltigen, zugrunde, was bei Sperber mit Hilfe individualpsychologischer Terminologie erlutert wird: Erlebnis ist das, was sich einem unmittelbar als Geschehnis, als irgendwelche nderung aufdrgt [...]. Erfahrung dagegen ist etwas vllig anderes, ist das, was wir gleichsam als Quintessenz aus den Erlebnissen gewinnen, woraus sich erst das allgemein Wahre, aus dem man Schlsse ziehen kann, ergibt. [...] Die meisten Menschen hren sehr frh auf, Erfahrungen zu gewinnen. Sie leben gleichsam im Antiquittenkabinett ihrer einmal gemachten Erfahrungen. Sperbers Erfahrungsbegriff erweist sich als Basis fr ein durch das Gleichnishafte des Romans maskierte Sinnkonzept, das der Autor narrativ konstituiert, entwickelt und zugleich in Frage stellt, indem er auf dem interrogativen (und weniger demonstrativen) Charakter der Trilogie sowie einem Bewusstsein vom Zerfall der Totalitt der Wirklichkeit beharrt. Im Hinblick auf die sinngebende Funktion des menschlichen Bewusstseins lassen sich zwischen Sperbers Erfahrungsbegriff und einem phnomenologisch-hermeneutisch fundierten Sinnmodell Parallelen ziehen. Einerseits entspricht Sperbers Intention, durch die Trilogie die Mglichkeit totaler Lsungen in Frage [zu stellen], somit der Husserlschen 'epoch', die gerade als Forderung gedacht ist, unsere vertraute, routiniert-eingespielte Erfahrungswirklichkeit mit ihren Gegenstnden und Identitten insgesamt in Frage zu stellen. Andererseits erweist sich Sperbers Sinnkonzept, das um berzeitliche und berindividuelle Fragestellungen kreist, als subjekt- und kontextorientiert. Dadurch weist es hnlichkeiten mit Diltheys Begriff des 'Zusammenhangs des Lebens' in Der Aufbau der geschichtlichen Welt auf. Das menschliche Bewusstsein im Sperberschen Sinnentwurf wirkt nmlich sinn- und identittsstiftend, indem es Erlebnisse interiorisiert, sie in Erfahrungen berfhrt und von da aus zu einer 'Quintessenz' verdichtet. Abgesehen von einer strkeren Akzentuierung des Erlebnisbegriffes bei Sperber erhlt in Diltheys Theorie, eigentlich analog der Sperberschen Argumentationsweise, etwas Einzelnes dann eine Bedeutung oder einen Sinn, wenn es als ein Erlebnis in einen Kontext bzw. einen Zusammenhang eingeordnet werden kann. Erlebnisse sind somit kleinste Bedeutungs- und Sinneinheiten, deren Sinnhaftigkeit sich eben daraus ergibt, dass sie in einem bergeordneten Zusammenhang angesiedelt sind. In dem Sinne, dass der menschliche Erkenntnisapparat, der moralisch nicht neutral funktionieren kann, neue Erlebnisse und andere uere Impulse mit Hilfe eines bereits empirisch geprgten Selektionsprinzips filtriert, deckt sich Sperbers Erfahrungsbegriff auch mit dem Begriff der Prnarrativitt (Mimesis-I) bei Ricoeur, zumal gerade Narrativitt als fundamentale Struktur nicht nur einer zu erzhlenden Geschichte, sondern auch des menschlichen Erlebens und Handelns schlechthin aufzufassen ist. Alle drei Aspekte der Ricoeurschen 'Prnarrativitt' (des alltglich-praktischen Vorverstndnisses von Ereignissen) zielen darauf: die strukturelle Prnarrativitt (die dem menschlichen Verstehen immanente berfhrung einer Handlung von der abstrakten, potenziellen, synchronen Ebene der paradigmatischen Ordnung auf die reale, aktuelle, spezifisch zeitliche, diachrone Ebene der syntagmatischen Ordnung), die symbolische Prnarrativitt (die Erzhlbarkeit einer Handlung eben aufgrund dessen, dass eine jede Handlung in Zeichen, Regeln, Normen und anderen symbolischen Formen im Bereich allgemeiner Verstndigung immer schon artikuliert ist, zugleich aber ein Hinweis auf die Unmglichkeit der moralischen Neutralitt einer Einzelhandlung, die vor ihrem Gewhltsein zuerst von einem individuellen Subjekt hinsichtlich deren Verankerung in dem breiten symbolischen Netz gedeutet werden muss), und die zeitliche Prnarrativitt (die Zeit, d. h. die Struktur, unserer Werke und Tage, in der wir unser Handeln an schon erprobten Handlungsmustern orientieren). Die Ikonisierungsschemata, enthalten in dem Begriff der menschlichen Erfahrungsfhigkeit und Prnarrativitt, werden als quasimimetische Evokation der Erfahrung des wirklichen Lebens durch den Erzhltext narrativ vermittelt: In der Trilogie findet das einerseits ber Romanfiguren (die diese Schemata bei ihren Erlebnissen mobilisieren), andererseits ber den Erzhler und unterschiedliche von ihm praktizierten Darstellungsformen (durch die er die Romangeschehnisse mit der Rede und dem Bewusstsein der Romanfiguren verflechtet). Die Welt eines literarischen Textes ist eine poetische, knstlerische Sprache, die dort jenseits ihres pragmatischen Ausgerichtetseins angesiedelt ist. Der Roman ist eine wesentlich dualistische Gattung, da er als Schnittstelle oder Verknotung von Gegenstzen in grtem Mae imstande ist, ein dialektisches Zwischenspiel und eine dadurch kontinuierlich produzierte Spannung zwischen den Gegenstzen explizit darzustellen: Kunst-Leben, Fiktion-Wirklichkeit, Form-Inhalt, Geschichte-Diskurs, Signifikat-Sinifikant. Das, was den Roman als Gattung berhaupt zur Welt brachte nmlich das literarische Selbstbewusstsein: ein Gefhl der Vorlufigkeit und Instabilitt nicht nur der durch die Sprache gebildeten Fiktion, sondern auch der Wirklichkeit selbst, ja auch der ganzen Geschichte wird in dem (modernen) Roman oftmals durch das Bewusstsein seiner Figuren und durch verschiedene literarische Verfahren 'widerspiegelt' und reflektiert. So ist auch Sperbers Trilogie reich nicht nur an der Darstellung eines modernen, brchigen, von der existenziellen Unsicherheit durchdrungenen Bewusstseins: Die Romanfiguren sind sich ihrer fragmentarischen Erkenntnismglichkeiten in einer Welt bewusst, die sich ihnen in ihrer Totalitt transzendental verweigert. Eine groe Anzahl der versteckten intertextuellen Hinweise, in denen auf die Gedanken Nietzsches, Kants, Hegels, Burckhardts, Dostojewskis, Bchners sowie auf die Bibel angespielt wird, bestimmt die Rede und das individuelle Bewusstsein der Romangestalten parallel zu ihrer fiktionaliserten Erfahrung. Durch diese geschichtsphilosophischen Reflexionen wird die fiktionale Erfahrungswirklichkeit der Gestalten in Zusammenhang mit der europischen Denktradition gebracht. Indem die beiden in einer Wechselbeziehung stets verglichen und berprft werden, treten die Romanfabel und der europische Bildungsdiskurs als komplementre Gebiete auf. Durch eine dialektische Zusammenwirkung unterschiedlicher, nicht selten sich gegenseitig widersprechender historiosophischer Auffassungen entsteht ja zweifelsohne die Mehrstimmigkeit einzelner uerungen, wie sie in der Bachtinschen Konzeption der Polyphonie und Dialogizitt des Romans expliziert wurde. Bedenkt man nmlich, dass die Mehrstimmigkeit des Romans sich daraus ergibt, dass 'jedes konkrete Wort (die uerung) jenen Gegenstand, auf den es gerichtet ist, immer schon sozusagen besprochen, umstritten, bewertet' vorfindet, und der polyphone Roman das Gesamt der 'sozio-ideologischen Stimmen der Epoche' vermittelt, dann erweist sich auch Sperbers Trilogie in hohem Mae anschlussfhig fr diesen poetologischen Grundsatz, zumal Sperber selbst sein eigenes literarisches Schaffen als Fortsetzung der Romantradition Dostojewskis angesehen hat. brigens hatte Sperber eine lebenslange Vorliebe fr Selbstkommentare, und dies kommt besonders in seiner Autobiographie zum Ausdruck. Dass die Autobiographie sich auch in poetischer Hinsicht als Parallelwerk zur Trilogie lesen lsst, kann durch jene Textstelle belegt werden, an der der Autobiograph berichtet, wie er nach dem Bruch mit der Partei versucht habe, die geschichtlichen Geschehnisse der 30er Jahre und der spteren Jahrzehnte zu erkennen und zu analysieren: Ich habe das Geschehen nicht subjektiviert, sondern mein Geschichtserlebnis objektiviert, so gut es mir gelingen wollte. Das konnte nur dank einem scheinbar paradoxen Vorgang geschehen: einerseits kam es darauf an, das Ereignis so aufmerksam, ja so passioniert zu erleben, als wre man persnlich betroffen, einbezogen oder ausgestoen, aber andererseits und fast im gleichen Atemzug musste man von sich selbst und dem eigenen Interesse absehen, so als wre man gar nicht ein Zeitgenosse, als gehrte das Ereignis bereits der Vergangenheit an. Damit greift der Autobiograph auf eine Stelle aus der Trilogie zurck, die dort, im Romantext, autoreferentiell als verhllter metatextueller Kommentar fr die in der Trilogie verwendeten literarischen Verfahren zu deuten ist. Das Problem der Methode, bzw. der 'immananten Romanpoetik', wird dort vom Historiker Stetten, einem alter ego des Autors, im Gesprch mit seinem Schler Dojno besprochen und auf das Gebiet der Historiographie (auch einer narrativen Ttigkeit, die mit dem Phnomen der Zeit zu tun hat!) bertragen: Sie haben nicht begriffen, dass die Gegenwart eine Fiktion ist, ohne die diesen Lebewesen das Sein wie Wasser zwischen den Fingern verrinnen wrde. Nein, es gibt keine Gegenwart. [...] Den Gegenwartsfanatikern und den ihnen zugesellten Zukunftstrumern haben wir das Bewusstsein der Vergangenheit entgegenzusetzen, vor ihnen haben wir die Zukunft zu retten, indem wir fr sie die Werte retten, die jene der Gegenwart opfern mchten. Der Historiker, der die Vergangenheit erfassen will, ohne Opfer von Legenden zu werden, muss sie betrachten, als ob sie Gegenwart wre. Um sich vor dem Subjektivismus zu bewahren, muss er die Gegenwart betrachten, als ob sie bereits Vergangenheit wre. Die von Stetten geforderte Methode der Geschichtsschreibung thematisiert also die immanenete Poetik der Trilogie, denn sie beantwortet die Frage, wie der Autor sein Werk gestalten will und welchen Zweck dieses Werk hat. Gleichzeitig ist das ein indirekter rhetorischer Hinweis fr den Leser, wie er den Romantext lesen soll: Wenn sich der Rezipient auf die geschilderte Weise von den im Roman dargestellten Geschehnissen distanziert, wird er imstande sein, die erzhlte Geschichte kritisch zu beurteilen und sich der Gefahr 'einer falschen Identifikation' zu entziehen. Die Textstelle lsst sich aber nicht nur als Metatext, sondern ebenfalls als Intertext lesen, der rhetorisch und thematisch an Nietzsches Protest gegen die zeitgenssische, vom berma am Historischen vergifteten Geschichtsschreibung in Vom Nutzen und Nachteil der Historie fr das Leben erinnert. Obwohl Stettens Argumentation in einer entgegengesetzten Weise als bei Nietzsche verluft, ist der Beweggrund ihrer Kritik der gleiche. Indem Nietzsche fr die Geschichtswissenschaft eine Gesundheitslehre des Lebens verlangt, der zufolge das Unhistorische und das berhistorische die natrlichen Gegenmittel gegen die berwucherung des Lebens durch das Historische, gegen die historische Krankheit [sind], sieht er ihren Nutzen fr das Leben in der geistigen, das Leben bejahenden Orientierung des Historikers an der Gegenwart und Zukunft. In seinen 'unzeitgemen Betrachtungen' liegt es dem Historiker Stetten daran, die Gegenwart vor den kommunistischen 'Zukunftsfanatikern' fr die Zukunft selbst zu retten, und das heisst bei ihm der aufgrund seiner kritischen Haltung im permanenten Konflikt mit den Zeitgenossen und Fachkollegen steht genauso wie bei Nietzsche gegen die Zeit und dadurch auf die Zeit und hoffentlich zugunsten einer kommenden Zeit zu wirken. Stetten reinterpretiert Nietzsches Reflexionen, indem er Nietzsches Kritik an einem berhistorischen Standpunkt durch seine Kritik an einer in Nietzscheschen Sinne unhistorischen Haltung der eignenen Epoche ersetzt. Die unhistorische Atmosphre, in der jedes groe geschichtliche Ereignis entstanden ist und die, so Nietzsche, nicht nur die von Goethe besprochene Gewissenlosigkeit, sondern auch die Wissenlosigkeit des Handelnden impliziere, entspricht in Stettens Kritik der kommunistischen Heilslehre, die fr sich selbst paradoxerweise ein wahres historisches Bewusstsein postuliert. Was der Konservative Stetten nmlich an der kommunistischen Weltsicht verachtet, ist deren revolutionrer, gegenwartsbesessener Anspruch auf eine totale Weltvernderung, die eine Negation der Kontinuitt der europischen kulturellen Tradition impliziert, bzw. alle kulturellen Errungenschaften der bisherigen menschlichen Geschichte verkennt und sich damit als Rckfall in die Barbarei erweist. Also, keine Spur vom Apollinischen und ebenso keine Bereitschaft, das Chaos der gegenwrtigen Welt zu organisieren. Nun stellt sich die Frage, wie Sperber die differenzierten Reflexionen ber den gleichnishaften Charakter seiner Trilogie, ber die literarisch darzustellende Essenz des Existenziellen, in eine engere Verbindung mit seiner romanpoeitschen Konzeption bringt, womit zugleich das Problem der Gattungsbezeichnung in den Vordergrund tritt. Fr Sperber selbst steht, wie gesagt, die Trilogie auf der Romanlinie Dostojewskis, und dies bringt er folgenderweise zur Sprache: Seine [Dostojewskis] Romane, obschon so ungeheuer reich an Handlung, sind durch eine Idee bestimmt, die er verfolgt und von der er verfolgt wird. Ich nenne sie deshalb philosophische Romane. Ich habe, glaube ich, in meiner Romantrilogie, in anderer Form brigens auch in meiner Autobiographie, immer eine Art von philosophischer Lebenserwgung zugleich mit einer Lebensdarstellung und einem Geschehnisbericht zu bieten versucht. An einer anderen Stelle werden die Romanproblematik und die entsprechende Genrefrage noch differenzierter errtert, indem sich der Schriftsteller einerseits von dem sozialpolitischen und dem Thesenroman, andererseits von dem historischen Roman abgrenzt: Upton Sinclair charakterisierte diese Literatur als historische Romane. Er behauptete, sie konkretisierten die zeitgenssische, von den Lesern selbst erlebte Geschichte. Dies mag in der Tat fr den, wie gesagt, seltenen politischen Roman gelten. Der eigentliche revolutionre Roman aber, als dessen Begrnder man Dostojewski trotz allem und trotz seiner Biographie ansehen muss, ist nicht geschichtlich, sondern geschichtsphilosophisch. [...] den revolutionren Romancier drngt es nicht, eine Meinung zu vertreten, sondern Ideen zu dramatisieren, von denen er besessen ist wie von einer Leidenschaft. Der revolutionre Roman ist somit auch darin dem Thesenroman entgegengesetzt, dass er keine Antwort anbietet, sondern nur Fragen wie diese: was vermag der Mensch, wenn er zielstrebig in Geschichte eingreift? Kann es ihm je gelingen, sein Ziel zu erreichen? Und wenn es ihm gelingt, hat er damit seinem Leben wirklich einen Sinn gegeben? Hat er damit die Misere des menschlichen Zustandes berwunden? Sperbers eigenes sthetisches Programm, in dem er sich fr einen so aufgefassten geschichtsphilosophischen oder 'revolutionren' Roman entscheidet, setzt natrlich eine gut durchdachte Poetik und Erzhlstrategie voraus, mit der die Ideen zu dramatisieren sind. Die Geschichte, die er erzhlen will, bringt er folgendermaen auf den Punkt: ein junger Mann und die Partei. Im Grunde mit all den Stationen von der ersten blinden Begeisterung bis zum Bruch, zur Leere, wie sie auch eine tragische Liebesgeschichte enthlt. Dieser junge Revolutionr sei ein schndlich Betrogener, der aber zugleich an dem Betrug teilgenommen, d. h. mitverraten habe, und das ist ja das Drama, denn man wird aus der Verantwortung nicht entlassen. Es fllt bei all diesen Sperber-Zitaten auf, wie sehr der Romancier in seinem Ausdruck von dem Dramenbereich beherrscht wird. Tatschlich lsst sich die Frage stellen, warum er fr die Darstellung des Dramatischen, vertreten durch Ideen, nicht die Gattung des Dramas oder wenigstens eine dem Dramatischen nhere Erzhlweise gewhlt hatte, wenn es ihm schon daran lag, einen unlsbaren Konflikt zwischen Ideen, bzw. ihren Trgern, und der Romanwirklichkeit zu gestalten. Stattdessen hat er diese konfliktgeladene Situation mit Hilfe einer vorwiegend traditionellen Erzhlweise dargestellt, so dass die Kritiker mit Recht immer wieder von einer Disproportionalitt zwischen Form und Inhalt der Trilogie sprechen. Zusammenfassend kann man sagen: Sperbers poetisches Konzept lsst sich zwar im Hinblick auf die thematischen Aspekte der Trilogie als Essenzialismus definieren, im formalen Sinne mndet jedoch dieser poetische Essenzialismus paradoxerweise in eine epische Extensitt, in ein extremes episodenhaftes Nebeneinander. In ihm wird dieses Essenzielle durch die quantitative bermacht der Romanhandlung strapaziert: Mit der Gefahr des 'kein-Ende-Findens', die durch das narrative Additionsprinzip und das offene Romanende angedeutet wird, korreliert die Gefahr vor berflutung des Dramatischen mit dem Epischen und Unterminierung der Romanstruktur selbst. 4.3. Gattungsbezeichnung und Erzhlstrategie Die Gattungsbezeichung der Trilogie lsst sich natrlich unterschiedlich spezifizieren, da sich die Romangattung selbst nach diversen Kriterien (z. B. nach Stoff, Problematik, Erzhlverfahren, Zielsetzung, Adressaten) in vielfltige, sich berschneidende Genres oder Unterarten unterteilen lsst. Diese machen eine breite Palette aus, je nachdem, worauf in einer konkreten Forschung Schwerpunkt gelegt wird. Alle Kritiker stimmen darin berein, dass die Trilogie ein Zeitroman ist. Indem in ihr die komplexe politische, gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Wirklichkeit der Epoche dargestellt wird, in welcher der Romanautor selbst gelebt hat, gilt der Zeitroman als Erweiterung des Gesellschaftsromans. Auch Sperbers Begrndung, der Mann, der zuerst die zentrale Figur zu sein scheint, wird langsam zu einer Nebenfigur, spricht dafr, dass in der Trilogie auch durch Dezentrierung von Romanhandlung und Figurenensamble zeittypische Strmungen reprsentiert werden. Auerdem hat die Forschung bereits nachgewiesen, dass viele Romanfiguren einerseits synthetische Kombinationen aus mehreren historischen Vorlagen, andererseits biographische Fragmente eines historischen Modells sind, was dem Werk doch gewisse Merkmale eines Schlsselromans gibt. Im Ganzen wird die Trilogie bezeichnet als ein geschichtlicher, ein zeitkritischer und politischer, ein philosophischer Roman, auch ein mit negativen Vorzeichen und Ergebnissen versehener Bildungs- bzw. Erziehungsroman. All die Romanschichten sind tatschlich miteinander verflochten, obwohl es Sperber persnlich in erster Linie an der geschichtsphilosophischen Komponente des Romans lag. Es wurde schon erwhnt, dass der Romancier bei der gewnschten 'Dramatiserung der Ideen' dennoch eine traditionelle Erzhlweise verwendet hat. Whrend die dramatische Romanebene gelungen ist, erweist sich die narrative eher als sthetische Schwche, zumal das Dramatische, in dem moralische Konflikte dargestellt werden, die ganze Zeit hindurch durch den gleichzeitigen Ablauf mehrerer Erzhl-, bzw. Handlungsstrnge bedroht wird. Relativ frh wurden kritische Einwnde vorgebracht, Sperber sei trotz seinen im Vorwort zur Trilogie ausgetragenen romantheoretischen Reflexionen keine erzhlerische Begabung gewesen, und dem kann man in der Tat zustimmen. Doch whrend die ltere Forschung den sthetischen Mangel der Trilogie als Begleitumstand der schriftstellerischen Ttigkeit schlechthin oder als Folge von Sperbers angeblich sprlichem Eingewiesensein in literartheoretische Fragen erklrte, besttigen die neuesten Forschungen, dass sich Sperber literarischer Formfragen durchaus bewusst war. Dies ist teilweise eine Besttigung fr die These von Claudia Sternberg, die scheinbar paradoxe Erzhlstrategie bei Sperber und mehreren anderen Dissidentenromanen sei als eine berlegte Anpassung an den Erwartungshorizont bestimmter Leserkategorien, die sie erreichen wollte taktisch motiviert gewesen. Wenn Sperbers Erzhlform von Magris als traditionell und vom Anfang an vorhersehbar bezeichnet wird, dann bedeutet das, dass sie 'realistisch' ist. Diese Form, typisch fr den Roman des 19. Jahrhunderts, sei aber heute, so der Triester Germanist, epigonal, da sie auf eine berschaubar geordnete Darstellung der Wirklichkeit und die Totalitt der Welt baue, whrend die Welt und das Leben selbst seit langem existenziell unsicher geworden seien. Sperbers Roman sei folglich trotz seinem im Vorwort zur Trilogie markierten Bewusstsein von Fragmentaritt nicht 'fragmentarisch'. Eben diese Tatsache weise, so Magris, auf einen sehr strenden Widerspruch zwischen Form und Inhalt hin. 4.4. Zum Begriff des Realismus Betrachtet man Sperbers drei Romane als sthetisches Ganzes, dann sind in ihnen gewisse Merkmale nicht nur des naiven, sondern auch des kritischen und sozialistischen Realismus zu finden. Dabei darf nicht auer Acht gelassen werden, dass die Begriffe 'Roman' und 'Realismus' sowie das Verhltnis zwischen Kunst und Wirklichkeit sehr komplex sind. Es soll aus diesem Grund auch im Falle der Trilogie zuerst nher bestimmt werden, in welchem Mae Sperber selbst ber die Realismus-Debatte der 20-er und 30er Jahre informiert war, was fr einen Typus vom Realismus er durch sein Erzhlen zu praktizieren suchte sowie worin dessen Funktion, bzw. Intention, besteht. Bereits Ende der 20-er Jahre konnte Sperber die sthetischen Grundsatzdiskussionen russischer Schriftsteller [...] aus nchster Nhe verfolgen; viele von ihnen hatten sich Berlin als Exilort gewhlt. Auerdem war er, was er ja auch in der Autobiographie besttigt, Anfang der 30er Jahre mit Alfred Dblin, Bertolt Brecht und Anna Seghers befreundet. Auch Georg Lukcs, der fr die KPD ttig war, lebte von 1931 bis 1933 in Berlin. Bis dahin hat er in der vormarxistischen Phase die lebensphilosophische Analyse Die Theorie des Romans (1914/15; verffentlicht 1916) und spter die marxistisch-dialektische Schrift Geschichte und Klassenbewusstsein (1923) verfasst. Anna Seghers nahm wie viele andere Intellektuelle, die sich zur europischen Linken bekannten, 1930 an der Zweiten Internationalen Konferenz revolutionrer Schriftsteller in Charkow teil, die von dem im Auftrag des ZK der KPdSU gegrndeten Allunionsschriftstellerverband organisiert wurde. Auf der Konferenz wurden die Mglichkeiten einer entsprechenden Synthese von Kunst und Revolution besprochen. Die sog. 'Charkower Linie' przisierte die Aufgaben der Kunst im Dienste der Parteipolitik, im revolutionren Kampf des Proletariats und somit in der gesamten marxistisch-dialektisch verstandenen historischen Entwicklung. Im August 1934 wurde auf dem Ersten Sowjetischen Schriftstellerkongress in Moskau, an dem sich insgesamt 591 Schriftsteller aus 52 Nationen beteiligten und dessen zentrale Figur Maksim Gorki war, die Wichtigkeit des Sozialistischen Realismus hervorgehoben. Obwohl ein Teil der Schriftsteller (z. B. Bucharin, Malraux, Gorki selbst) darunter thematische und formale Vielfltigkeit sowie noch grere Freiheiten, also eine kreative Methode der jungen revolutionren Literatur und nicht ein Dogma verstand, gelang es Andrej Schdanow als Vertreter der Stalinschen Parteilinie, seine Ansichten ber den Sozialistischen Realismus als ideologische Dogmatik durchzusetzen. In den folgenden Jahren wurden Begriffe wie Parteilichkeit, Tendenzisitt, literarischer Klassenkampf, Massengemheit, Erziehung, Kollektivismus, Optimismus u. . zunehmend propagiert. Den einzig richtigen literarischen Ausdruck hat man dementsprechend in einem Realismus gesehen, der die Vision einer Weltvernderung im marxistischen Sinne implizierte. Auf dem Moskauer Kongress uerte Gorki bei der Definierung der entsprechenden Methode die Forderung, der sozialistische Realismus sollte sich vom kritischen Realismus unterscheiden, und zwar durch seine Hervorhebung 'typischer' Erscheinungen, wobei die Kategorie des 'Typischen' [...] eine politische Bedeutung erhielt. Anders gesprochen, das knstlerische Prinzip einer mimetischen Darstellung der gesellschaftlichen Wirklichkeit fungierte zugleich als Methode fr die Verwirklichung sozial-didaktischer und politisch-ideologischer Zwecke. Sperber verfasste noch vor seiner Russlandreise, 1930, die umfangreiche, aber nicht publizierte Abhandlung Was ist Kultur?, in der er trotz seinem marxistischen Bewusstsein zu einem unerwartet kritischen Schluss bezglich der proletarischen Kunst [kommt], indem er ihr jegliches Existenzrecht abstreitet, denn was der Proletarier der Kultur zu bieten habe, biete er in Form politischer und konomischer Kmpfe, so Sperber. In dem Teil, in dem sich der junge Kommunist zur sthetik uert, vermischten sich, so Stan i, seine originellen Ideen mit den Agitprop-Parolen. Fr den literarischen Gestaltungsprozess seien in Sperbers Argumentation nicht so sehr rein sthetische Kriterien, als vielmehr das Klassenbewusstsein und das postrevolutionre Gesellschaftsmilieu ausschlaggebend gewesen. Augrund der recherchierten Materialen aus Sperbers Nachlass hat Stan i nachgewiesen, dass der Romancier die literaturtheoretischen Schriften und die Studien zur Ideologie und Politik von Lukcs kannte, in denen Lukcs auf den Hegelschen Prmissen die Auflsungstendenzen des Romans als einer typischen Literaturgattung der brgerlichen Gesellschaft [diagnostiziert] und den Ausgangspunkt des neuen/revolutionren Romans auf das gesellschaftliche Sein des Proletariats [verlagert] hatte. Darber hinaus wurde Sperber seit 1933 mit dem sog. Streit auf der literarischen Linken in Kroatien bekannt gemacht, worber er kritisch in der Autobiographie berichtet: In den wenigen legalen Revuen der Linken, die scheinbar ausschlielich kulturellen Fragen gewidmet waren, wurden scharfe ideologische Kmpfe ausgetragen, die als sthetische oder philosophische Auseinandersetzungen begannen und intern zu schweren politischen Konflikten fhrten. [...] Hinter den Streitfragen, die sich zum Beispiel auf die Freiheit des knstlerischen Schaffens oder auf den sozialistischen Realismus oder auf den Empiriokritizismus Ernst Machs bezogen und auf die wissenschaftliche Verifizierbarkeit der in Friedrich Engels' Dialektik der Natur enthaltenen Thesen hinter alledem ging es um den Stalinschen Monolithismus [...]. Ein Name ragte aber hervor: Miroslav Krle~a. [...] Sein Beispiel war gefhrlich, denn er zog es in jeder Situation vor, eher sich selber treu zu bleiben als sich zum sozialistischen Realismus zu bekennen, d. h. so zu schreiben, wie es den Parteifunktionren gepasst htte. Seit seiner Ankunft in Paris 1934 schrieb Sperber fr den Schutzverband deutscher Schriftsteller mehrere Referate, Buchrezensionen und Studien zu kulturellen und literarischen Phnomenen. In der Besprechung von Anna Seghers Roman Der Weg durch den Februar orientierte er sich konsequent an den ideologischen Richtlinien des sozialistischen Realismus, berichtet Stan i. Dies sei allerdings sein einziger Text, in dem er sich uneingeschrnkt zur literarischen Doktrin bekennt (schon seit 1935 habe er das Prinzip der Autonomie der Kunst verteidigt). In der Polemik darber, ob sich Sperber bei der Auswahl der Erzhlform dieser Fragen bewusst war, soll daher auch der breitere historische Kontext beachtet werden, in dem die Trilogie entstanden ist. In der Trilogie wird einerseits die innere und uere Entwicklung des jungen revolutionren Intellektuellen Denis Dojno Faber dargestellt, der sich mit seiner politisch, d. h. kommunistisch geprgten Umwelt auseinandersetzt und seine eigene personale Identitt in einem schwierigen Individuationsprozess erst richtig auszubilden vermag. Andererseits wird die dargestellte politisch-gesellschaftliche Wirklichkeit, in der das groe Figurenpersonal der Trilogie lebt und handelt, durch zeittypische Strmungen im Europa der 30-er und 40er Jahre bestimmt. Manche Figuren sind als Typen gestaltet, indem sie eine ganze Menschengruppe, soziale Klasse oder die geistige und politische Strmung jener Epoche reprsentieren. Die Anwesenheit wirklichkeitstreuer Milieuschilderungen und psychologischer Motivationserklrungen fr das Handeln bestimmter Gestalten spricht auch fr eine traditionelle Erzhlform, die die objektive Realitt 'abbildet'. In diesem Sinne entspricht die Trilogie ihrer ueren Struktur nach dem Entwicklungs-, Gesellschafts- und Zeitroman, der fr die Tradition des brgerlichen und naiven Realismus des 19. Jahrhunderts typisch war. Zeit- und gesellschaftskritische Tendenzen, die das ganze damalige Europa betreffen, kommen ebenfalls offen zur Sprache. Der Reifungsprozess der nur bedingt als Hauptgestalt, bzw. als Held, zu bezeichnenden Figur Dojnos mndet aber nicht in einem beruhigenden Idealbild nach dem Muster des naiven Realismus, so dass man die Trilogie eigentlich einen Desillusionierungsroman ohne eine glcklich-vershnliche Rckkehr des 'Romanhelden' zu sich selbst und zur Welt nennen kann. Die (Rck-)Gewinnung von Humanitt, mit der der 'Bildungsweg' der Hauptfigur endet, ist von ihrem bis dahin grndlich erschtterten revolutionren Bewusstsein durchdrungen, so dass man dabei von einer nur scheinbar gelungenen Re-Integration der Romanfigur in die eigene Gesellschaft sprechen kann. Man kann der These Claudia Sternbergs zustimmen, dass der Autor der Trilogie als politisch-moralischer Didaktiker vorging, der das linke politisch-ideologische Lager von links kritisierte und vor allem die gebildeten linksorientierten Leser beeinflussen wollte. Sperbers Romanfiguren sind jedoch nicht als ein einheitlich und eindimensional aufgefasstes Kollektivsubjekt dargestellt, das zur Propagierung von Parteidogmen dient, worauf es etwa den Befrwortern des sozialistischen Realismus ankommen wrde. Es handelt sich vielmehr um Individuen, deren Identitt gerade ber ihr Verhltnis zur Gemeinschaft zugleich konstituiert und in Frage gestellt wird. Das wahre 'Drama', in dem sich moralische und ideelle Konflikte hinsichtlich der kommunistischen Praxis offenbaren, spielt sich im Bewusstsein dieser individualisierten, psychologisch nuancierten Romanfiguren ab. Die innere Romanhandlung verluft auf dem Gebiet der Ideen, bzw. auf der diskursiven Ebene: Es scheint bisweilen, dass es sich hier berhaupt nicht um einen Konflikt von und zwischen Menschen handelt, sondern um einen Kampf von und zwischen Ideen selbst. Mit Dojno, der aus dem Kampf mit seiner Umwelt und mit sich selbst als berlebender zurckkommt, berlebt jedoch einzig ein humanistischer Skeptizismus. Deswegen fehle ja auch dem Roman, so Sperber im Vorwort, eine trstliche Moral. Trotz Sperbers Entscheidung fr die 'objektivierende', realistische Erzhlweise, in der sich die auktoriale und die personale Erzhlperspektive stndig wecheln, und trotz seiner politisch-moralisch erzieherischen Intention zeugt die Trilogie als Ganzes sowie ihr offenes, ungewisses, melancholisches Ende davon, dass es Sperber keinesweg daran lag, einen gesellschaftlichen und politischen Optimismus im Geiste des sozialistischen Realismus zu propagieren und die abgebildete Wirklichkeit zu vereinfachen. Dojno Faber ist der Logik und dem Endstadium seines Entwicklungsprozesses nach kein Vorbild im Sinne des sozialistischen, aber auch nicht des naiven Realismus. Seinem wahren Anliegen nach, das eben in jener Dramatisierung der Ideen besteht, ist Sperbers Leidenschaft fr die Idee schlechthin, fr die 'Quintessenz' der menschlichen Erfahrung, mehr mit der literarischen Tradition der Romantik und des Expressionismus als mit dem sozialistischen Realismus verbunden. Es sei an dieser Stelle nochmals an Ernst Toller erinnert, der mit Sperber nicht nur das Landauersche Konzept des Geistsozialismus, sondern auch ein leidenschaftliches Interesse an der Idee und einer Ethik der Verantwortung teilt: Heute lcheln viele ber den Expressionismus, damals war er notwendige knstlerische Form. Er wandte sich gegen jene Kunstrichtung, der es gengte, Eindrcke nebeneinander zu reihen, ohne die Frage nach dem Wesen, nach der Verantwortung, nach der Idee zu stellen. [...] Denn auf diese Umwelt einzuwirken war die Absicht des Expressionismus, sie wollte er ndern, ihr ein gerechteres, helleres Gesicht geben. Die Realitt sollte vom Strahl der Idee erfasst werden. [...] Der Mensch im expressionistischen Drama war keine zufllige Privatperson. Er war ein Typus. Gesetzt fr viele unter Fortlassung ihrer Oberflchenzge. Man enthutete den Menschen und glaubte, unter der Haut seine Seele zu finden. Die Welt der Trilogie hat ebenfalls 'vom Strahl der Idee' erfasst werden sollen, denn es ist eine Welt der fragmentierten, zerbrochenen Totalitt, der existenziellen Ungewissheit wie auch leidenschaftlicher Mrtyrer. Der Mensch dieser Welt ist vor allem das, was er tut, unter der Bedingung, dass die Taten im Einklang mit seinen Ideen und Idealen sind. Ein solcher Tatenmensch, zu dem sich Sperbers (und Malrauxs) revolutionre Romanfiguren bekennen, kann aber die Aporien des eigenen Bewusstseins nicht berwinden, welche fr ihn die anthropologische Dichotomie 'Masse Mensch' (oder Kants 'ungesellige Geselligkeit') vorbereitet. Deswegen wird dieser durch seine politisch-ffentliche und Exilexistenz Ausgewurzelte, hnlich wie bei Malraux, ein nach seinen metaphysischen Wurzeln Suchender: [...] dem Menschen gelingt es nie, den Menschen in einer Flle von Erkenntnissen, die er gewinnt, vllig zu durchschauen, in den Fragen, die er stellt, findet er sein eigenes Bild. Dass solche Fragen auch der Krieg stellt, und zwar durch seine eigene Sinnlosigkeit, bezeugt in der Trilogie das Gleichnishafte der Ereignisse, Erfahrungen und Romanfiguren, wie es in der Figur des jungen Rabbi Bynie paradigmatisch verkrpert ist: Alles menschliche gegenwrtige Tun, auch jenes gewaltttige, ist im Vergleich mit dem Kosmos und der ganzen Geschichte der Menschheit so gestaltlos und bedeutungslos wie eine Trne im Ozean. Das von ihm formulierte Gleichnis, nach dem die ganze Trilogie betitelt wurde, illustriert am besten das aporetische, im Hegelschen Sinne 'unglckliche' Bewusstsein des modernen 'Romanhelden'. 4.5. Zur ueren Struktur der Trilogie Wie jedes Sprachkunstwerk ist auch die Trilogie ein zusammengesetztes Ganzes oder ein Textgebude, das nach einem bestimmten Bauplan organisiert ist. Duch die Analyse des Romans soll daher sein Aufbauprinzip sowie die Wechselbeziehungen seiner Elemente zueinander, bzw. die uere und innere Komposition (Struktur) mit Rcksicht auf formale, im engeren Sinne strukturelle und auf stilistische Aspekte des Textes bestimmt werden. Die Trilogie ist in folgende Bcher und Kapitel gegliedert: Der verbrannte Dornbusch (1. Die nutzlose Reise, 2. Die Vorbereitung, 3. Nicht die Toten werden Gott preisen..., 4. noch die ins Schweigen hinabsteigen), Tiefer als der Abgrund (1. Die vergebliche Heimkehr, 2. Die Verbannung, 3. Jeanott), Die verlorene Bucht (1. Unterwegs, 2. Die Djura-Brigade, 3. ...wie eine Trne im Ozean, 4. Ohne Ende). In seiner Autobiographie kommentiert Sperber, dass er der in dem ersten Roman erzhlten 'Geschichte einer Leidenschaft', die seine eigene und die einer ganzen Epoche war, anfangs an den Titel Doch dieser Tag brach nicht an... gegeben htte. Erst als der Roman in seiner endgltigen Form abgeschlossen war ersann er die Legende vom verbrannten Dornbusch, die er dem Roman im thematischen Sinne aber der ganzen Trilogie als eine Art Prambel oder literarisches 'Prolegomenon' vorangestellt hat, nach dem der Roman betitelt wurde. Die Titel und die berschriften haben eine informative Funktion, indem sie die wichtigsten Ereignisse, Erfahrungen oder die Stimmung des jeweiligen Romanteils in pointierter Form zusammenfassen. Eine plausible Deutung der Titel und berschriften hat Sternberg geboten: Der Titel des ersten Romans, Der verbrannte Dornbusch, fasst die Thematik der ganzen Trilogie zusammen. Es geht um Revolutionre, denen es nicht gelingt, die Ziele einer politischen Utopie zu verwirklichen, und die an einer Dialektik von Betrug und Selbstbetrug zugrunde gehen. Die berschriften der einzelnen Kapitel summieren folgendes: Die nutzlose Reise bezieht sich auf die Hauptgestalt der ersten Episode, auf den jungen, linientreuen KP-Funktionr Josmar (ein alter ego des jungen Sperber und eine zeittypische Gestalt), der als politischer Beobachter nach Dalmatien gesandt wird. Die Reise ist insofern nutzlos, als er, beraubt seiner authentischen, kritikfhigen Denkweise durch marxistische Indoktrination, mit der fr ihn vllig verwirrenden politischen und gesellschaftlichen Situation auf dem Balkan konfrontiert wird. Die Vorbereitung beinhaltet einerseits die Kritik an der Parteipolitik, da die illegale KP auf die vehementen politischen Ereignisse seit 1933 nicht gengend vorbereitet war. Die Psalmversen Nicht die Toten werden Gott preisen... und ...noch die ins Schweigen hinabsteigen spielen auf die Opfer des deutschen und des sowjetischen totalitren Regimes in KZs und Gulags sowie auf Dojnos Verzicht auf den kollektiven kommunistischen Betrug auf. Der Titel des zweiten Romans, Tiefer als der Abgrund, widerspiegelt die schwierige Krise des 'Ketzers' und Exilanten Dojno nach dem Verlust seiner sterreichisch-deutschen Heimat und dem Bruch mit der Partei (als seiner 'Wahlheimat'). Im Kapitel Die vergebliche Heimkehr kommt er 1937, kurz vor dem Einmarsch von Hitlers Soldaten, nach Wien zurck, wo ihn Professor Stetten erwartet. Dojno und Stetten beabsichtigen, zusammen eine historisch-soziologische Studie ber die modernen Kriege zu verfassen. Da der Professor jedoch von den Nazis verhaftet und misshandelt wird, reist der Schler alleine nach Paris. Die tragische Entwicklung der politischen Ereignisse in Spanien besttigt ebenfalls, dass eine Rckkehr zur Stalinschen Politik fr den Ketzer sinnlos und unmglich ist. Die Verbannung thematisiert durch ausfhrliche Milieuschilderungen den trben Alltag der politischen Flchtlinge in Paris, die immer noch innere Gefangene der Parteiwahrheiten bleiben, indem sie ffentlich nicht gegen Stalin, ihre letzte Hoffnung gegen Hitler, auftreten wollen, obwohl die Augenzeugen der Gulags etwa ein gewisser Milan Petrowitsch im Moment des Kriegsausbruchs in Frankreich erscheinen. Jeannot heisst ein verlassenes Waisenkind, um das sich Dojno in Sdfrankreich zu kmmern beginnt und wegen dem er auf den geplanten Selbstmord verzichtet. In der Zwischenzeit tritt er in die franzsische Fremdenlegion ein, die nach der franzsischen Kapitulation in den Sden des Landes fliehen muss. Der Titel des dritten Romans, Die verlorene Bucht, weist auf die dargestellten Partisanenkmpfe in Europa, vor allem in Dalmatien und in Polen, hin. Dies ist auch der Titel eines Manuskripts des kroatischen Dichters und Kommunisten Djura, nach dem das zweite Kapitel, Die Djura-Brigade, beschriftet ist. Das erste Kapitel, Unterwegs, dient nach Sternbergs Meinung als eine Art erzhlerischer Brcke zwischen der bisherigen Handlung und den folgenden, relativ selbstndigen Erzhlungen. Es ist das Jahr 1941, Dojno weilt eine Zeit lang in Italien, von dort aus will er zur Kommunistin Mara nach Dalmatien gehen und in ihrer Partisanengruppe kmpfen. Das zweite Kapitel schildert den Kampf und den Untergang der jugoslawischen Partisanengruppe, die Dojnos Freunde sind, whrend das dritte, ... wie eine Trne im Ozean, die tragische Geschichte einer jdischen Gemeinde in Polen sowie den katastrophalen Untergang einer kleinen jdisch-polnischen Partisanengruppe beschreibt, die von Edi Rubin, einem Freund von Dojno, organisiert wird. Die berschrift dieses Kapitels ist gleichzeitig der Titel der Trilogie selbst. In der Wolyna-Erzhlung befinden sich nmlich die zentralen Gedanken des ganzen Werkes: Es geht um unzhlige Kriegsopfer, die literarisch dargestellt als echte Individuen eines gewaltsamen Todes sterben und in der spteren Historiographie trotz ihren heldenhaften Taten 'anonym', d. h. unbeachtet eben wie eine Trne im Ozean bleiben werden. Das letzte Kapitel, Ohne Ende, ist Dojnos Resmee der gesamten durchgemachten Erfahrung und auch ein Versuch, mndlich und schriftlich seine traumatische Vergangenheit zu verarbeiten. Seine letzten ausgesprochenen Worte: Ich habe viel zu lernen lassen den Leser ahnen, dass die Hauptgestalt nur ein berlebender (aber nicht ein Geretteter) ist und dass seine bittere Erfahrung nur ein Stadium in seiner onthogenetischen Entwicklung, bzw. lediglich eine Zwischenstufe in dem lebenslangen Lernprozess darstellt. Die im Roman dargestellten Stationen des individuellen und kollektiven Leidens werden damit zu einem neuen Anfang fr die kommenden 'Lehrjahre' im Leben dieses kritischen Humanisten. Erzhltechnisch werden in der Trilogie relativ kurze, auf den ersten Blick vllig disparate Szenen aneinandergereiht, wodurch ein extremes Nebeneinander der Episoden besteht. Die Romanhandlung und Romangestalten wirken in diesem epischen Nebeneinander dezentriert, da die Erlebniswelt der Trilogie kontinuierlich von einem Schauplatz und Figurenkreis auf einen anderen, inhaltlich neuen verlagert wird. Der Horizont der literarisch produzierten Wirklicheit wird zudem dadurch stndig erweitert, dass zu den wichtigsten Figuren und Themenaspekten, die schon im ersten Romankapitel eingefhrt wurden, in der Folge der Haupthandlung einerseits durch Analogien, andererseits durch Vor- und Rckverweisungen neue Figuren, Handlungsstrnge und Denkmotive addiert werden. Dies macht die uere Struktur der Trilogie im Endergebnis berschaubar und logisch geordnet wie auch chronologisch rekonstruierbar, obschon zahlreiche, parallele Handlungsstrnge bisweilen eine diffuse und das Lesen erschwerende Erzhlsituation schaffen. Nicht selten beginnt eine neue Episode mit einem Gesprch, das sich auf mehrere Seiten erstreckt, ohne dass die Namen der Kommunikationstrger angegeben werden. Ihre Identitt lsst sich dann aus ihrer Rhetorik, dem Gesprchsthema oder aus rckverweisenden, handlungssituierten Berichten erschlieen. Dem Leser mag es zuerst scheinen, dass die erzhlte Geschichte aus unzhligen kleineren Geschichten besteht, welche ihrerseits aus einem durch das Erzhlen zerbrckelten Ganzen hervorgehen. Nach mehrmaligem Lesen lsst sich jedoch schlieen, dass Sperber als Erzhltechniker ganz umgekehrt vorgeht: Durch Additionsmittel (wie hufige Rckverweisungen und zukunftsgewisse Vorausdeutungen) und unterschiedliche Darstellungsformen (erlebte Rede, direkte und indirekte Figurenrede, fingierte Monologe, Berichte usw.) wird nmlich m. E. versucht, nicht das Ganze zu fragmentieren, sondern eine bereits in Fragmente zersplitterte Lebenswelt (des Autors) und die Erzhlwelt (des fiktionalen Werks) wieder zu einem sinnhaften Ganzen, zu einer durch die erzhlte Zeit integrierten Einheit zu synthetisieren. Die Hufung analoger politischer Ereignisse (rumlich in Deutschland, sterreich, Kroatien, Tschechien, Russland, Polen, Norwegen, Italien, Frankreich; durch Gesprche wird auch Spanien herangezogen), ihrer totalitren ideologischen Hintergrnde (Mussolinis Faschismus sowie Hitlers und Stalins Totalitarismus), ihrer tdlichen Ideologen und Organisatoren (der KPD-Techniker Karel und der berhmt-berchtigte kroatische Polizeiagent Slavko), ihrer Opfer (fast alle handlungsbewegenden revolutionren Romanfiguren: Vasso, Andrej, Mara, Snnecke, Djura) ermglicht es, auf die logische Identitt der inhaltlich heterogenen Ereignisse und Schicksale zu schlieen, was dem Rezipienten nicht nur gewissermaen die Lektre erleichtert, sondern auch im Dienste seines Erkenntnisapparats steht, indem der Leser selbst ber analogisch erzhlte Geschichten deren 'Quintessenz', deren parabolische Botschaft, herausfindet, diese interiorisiert, d. h. in seine bisherige Erfahrung integriert, und daraus im Sinne etwa des subjektiven Idealismus bei Fichte seine eigene, nur fr ihn gltig gemachte Wahrheit konstruiert. Durch Rckverweise und Vorausdeutungen wird die erzhlte Zeit, die historische Zeit des Erzhlwerks selbst, in bezug auf die dargestellte Haupthandlung betrchtlich erweitert. Whrend die Handlung im Zeitraum zwischen 1932 und 1944 spielt, bzw. mit einer geheimen Sitzung der damaligen jugoslawischen KP-Fhrung in Berlin und ihren darauf folgenden illegalen Aktivitten in Kroatien beginnt, und mit der Ankunft Dojnos in Frankreich nach dem Sieg der Alliierten endet, wird die erzhlte Zeit durch Hinweise auf ein chronologisches Vorher und Nachher solcherart erzhltechnisch gerafft (und inhaltlich erweitert/bereichert), dass sie sowohl die politischen Verhltnisse in der Donaumonarchie umfasst, als auch die Entwicklung der politischen Lage in Titos Jugoslawien und De Gaulles Frankreich vorwegnimmt. Auerdem wird durch die Einschiebung narrativer Rckblenden noch eine gnoseologische Orientierungsmglichkeit fr den Leser und fr die Romangestalten selbst geboten, indem die beiden Instanzen mit ihnen unbekannten Ereignissen parziell bekannt gemacht werden: Die Ereignisse liegen im Moment des Erzhlens in der jeweiligen Episode bereits in der Vergangenheit und werden erst spter, nach mehreren Romankapiteln, in einen adquaten logisch-kausalen Zusammenhang gebracht. Durch diese Technik wird oft ein vergangenes Ereignis in die Erinnerung einer Figur, welcher die Erzhlerrolle in der entsprechenden Episode zugeordnet wird, zurckgerufen, so z. B. im Gesprch zwischen dem serbischen Kommunisten Vasso und dem deutschen Kommunisten Josmar, wenn Vasso ber die politische Situation in seinem Land berichtet: Am 6. Januar 1929 erfolgte der Staatsstreich. Das ist nun zweieinhalb Jahre her. Der Terror hat sich nicht abgeschwcht, im Gegenteil [...]. Dasselbe Ereignis wird spter, im Handlungsverlauf, wieder in die Geschichte ber eine andere Romanfigur, ber Vassos Frau Mara, eingeschoben, in der es ebenfalls retrospektiv (von 1932 her), aber nun anders akzentuiert besprochen wird: Der 16jhrige Mara hatte ihren Krieg gegen den Krieg begonnen. [...] Mara half die Cadres organisieren. [...] Sie fand nach dem Zusammenbruch Vasso. Er organisierte die Kommunistische Partei. Sie stie zu ihr, sie blieb bei ihm. Als zehn Jahre spter der Staatsstreich erfolgte, [...] da musste er sich von ihr trennen. Mit expliziten Zeitangaben werden immer wieder die in der Vergangenheit liegenden Gedanken einer Gestalt und damit eine bestimmte Reifungsstuffe dieser Person evoziert, was das folgende, im Jahr 1937 gefhrte Streitgesprch zwischen Stetten und Dojno illustrieren kann. Er zeigt nicht nur Dojnos und Stettens Denklogik, sondern auch die im Bewusstsein Dojnos erkannte Vernderung der politischen Geschehnisse: [...] Erinnern Sie sich, im Herbst 1934, als Sie zu mir kamen, ich sagte Ihnen, nie htte ich einen offenbareren, einen greren, einen verchtlicheren Betrug gesehen und was sagten Sie damals? Ich erinnere mich. Wiederholen Sie, was Sie damals gesagt haben! Wir werden den Betrug mit Lgen zudecken, habe ich gesagt, und die Lgen werden Wahrheit werden und der Betrug wird aufhren, Betrug zu sein wenn wir der Revolution nur treu bleiben, wird das Krumme wieder gerade werden, das habe ich gesagt. Und warum glauben Sie jetzt nicht mehr daran, dass das Krumme wieder gerade werden wird und dass die Lgen sich in Wahrheiten verwandeln werden? Der Betrug hat aufgehrt, nur ein Mittel zu sein, er ist zur Einrichtung geworden [...]. Den intertextuellen Bezug des zitierten Abschnitts zu den Heilsvisionen des Propheten Johannes des Tufers (Lukas 3,5), in denen er den Propheten Jesaja (Jesaja 40,4) zitiert, lassen wir vorerst beiseite. Die intertextuelle Komponente weist deutlich auf Dojnos semantische Parallelisierung der prophetischen und der kommunistischen Heilslehre hin. Die narrative Anachronie, d. h. die durch hufige Analepsen und Prolepsen umgestellte chronologische Ordnung der dargestellten Ereignisfolge (hufig in den Lebenslufen der Romanfiguren), lsst jedenfalls die Sperbers Erzhlweise als ein von zahlreichen Brchen gestrter, aber trotzdem finalistisch ausgerichteter Vorgang erscheinen, der auf diese Weise gleichzeitig die parziellen Erkenntnismglichkeiten widerspiegelt, mit denen die Romanfiguren den Ereignissen der Auenwelt gegenber stehen. Die personale Erzhlsituation, deren wesentliche Merkmale die erlebte Rede und die Verben der inneren Vorgnge sind, wird durch ganze Kapitel nur bei wenigen Romanfiguren (Josmar, Dojno, Stetten, Relly, Rubin, Burns) aus dem groen Figurenpersonal verwendet. Die dargestellte Welt wird sozusagen immer dann mit den Augen einer Figur betrachtet, wenn die perzipierten ueren Ereignisse die weltanschauliche Haltung und dadurch auch die moralische Integritt der jeweiligen Figur in dem Mae bedrohen, dass ihre bisherige personale Identitt im Bewusstsein der Person selbst grndlich in Frage gestellt wird und eine qualitative nderung erfhrt. Die qualvollen Zweifel werden mehrmals atmosphrisch vermittelt, so z. B. in einem detailhaft wiedergegebenen Traum von Dojno, der erzhltechnisch so dargestellt wird, dass sich in ihm unterschiedliche Darstellungsformen dynamisch miteinander vermischen und die Grenze zwischen Schein und Sein, Wirklichkeit und Illusion, Bewusstsein und Unbewusstsein, ja Traum und Leben, ganz flieend wird. Die hufig verwendete szenische Darstellung sowie die Wiedergabe der Figurenrede und -gedanken (in auffallend zahlreichen Dialogen, in Monologen, Auszgen aus Manuskripten, Briefen usw.), in denen die Figuren von innen prsentiert werden, ermglicht es dem Leser, sich in die Position der Figuren hineinzuversetzen wie auch an einer von ihnen schrittweise und dialektisch vorangetriebenen Bewusstseinsentwicklung aktiv teilzunehmen. Andererseits werden die meisten Figuren, unter ihnen auch die zentralen Gestalten, die als sympathisch, menschlich positiv und als Personen mit einem feinen Gefhl fr die Normalitt des Alltagslebens (Mara, Hanusia) gelten, ausschlielich von auen geschildert. Eine groe Bedeutung fr die uere Romanstruktur, bzw. fr die Bauform der Trilogie, hat der besondere Bezug zwischen Rahmen- und Binnenerzhlung. Am deutlichsten tritt ihre korrelative Verknpfung (im Sinne einer hnlichkeits-, und nicht einer Kontrastbeziehung) in der Legende vom verbrannten Dornbusch in Erscheinung. Indem sie nmlich dem ersten Roman vorangestellt wurde, bernimmt die Legende die Funktion einer Rahmenerzhlung fr alle folgenden Ereignisse, aufgrund derer das in der Legende allegorisch angekndigte Thema an konkreten, historisch bestimmten Schicksalen einzelner Individuen veranschaulicht wird. Die parabolische Erzhlung beginnt in 'medias res', was dem Leser auch graphisch signalisiert wird: ... Und so mehrten sich die Stimmen jener, die da sagten, dass die Tage der Finsternis zu lange gedauert hatten [...]. Die erzhlte Legende, die didaktisch auf eine allgemeine Wahrheit verweist, hat jedoch gleichzeitig eine kontrastive, dementierende Funktion in bezug auf den biblischen Prtext (Exodus 3), in dem sich Gott Moses in Form eines brennenden Dornbuschs offenbart, die Erlsung des jdischen Volkes aus der gyptischen Sklaverei verkndet und Moses die Rolle eines revolutionren Volksfhrers anvertraut: Whrend das Heilsversprechen dem Bibeltext nach tatschlich in Erfllung ging, wird in der Legende und in der ganzen Trilogie (als einer groen Binnenerzhlung) die Nichtigkeit des kommunistischen Glcksversprechens und die Pervertierung der skularisierten messianischen Idee in der Zeitgeschichte dargestellt. Indem Sperber in seiner Legende die Motive aus dem ganzen zweiten Buch Mose, dem Buch des Exodus, aufgreift, sie mit dem Wortschatz von Marx und Engels variiert (Was werden wir tun?, Herren und Sklaven) und mit einer emphatischen, appellierenden, bildhaften und hochstilisierten literarischen Sprache frbt, die deutlich an Nietzsches Zarathustra erinnert, entwickelt er eine negative Dialektik, die fr die ganze Trilogie charakteristisch ist. Die Tatsache, dass sich Sperber stndig auf die biblische berlieferung beruft, beweist ebenfalls, wie stark sein Denken von der jdischen (religisen) Tradition geprgt wurde. Die Bibel, in der es um das Allgemeingltige des menschlichen Daseins geht, ist fr ihn also eine Autoritt und eine Quelle von Fragen, zu deren Reinterpretation, Aktualisierung und berprfung im Hinblick auf seine eigene historische Wirklichkeit er sich gezwungen sieht. Sperbers Legende basiert auf der Inversion des biblischen Geschichtskonzepts: Anstelle einer theologisch aufgefassten Geschichte im biblischen Subtext tritt in seiner Legende ein skularisierter, auf das Diesseits bezogener Messianismus, der genauso wie die Bibel eine Teleologie des historischen Prozesses voraussetzt. Der biblische Optimismus wird durch eine melancholisch-pessimistische Stimmung der Legende ersetzt, da die biblische Idee des Auszugs aus dem Zustand der Unfreiheit vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte Sperbers von Grund auf in Frage gestellt wird: In beiden Fllen beruht das emanzipatorische Potenzial auf der Erkenntnis von Unertrglichkeit einer politisch-sozialen Ordnung, die auf Ungerechtigkeit und Unfreiheit basiert. Was dort aber durch eine dialogisch hergestellte Zusammenarbeit zwischen Gott und Menschen zu verwirklichen war, ist hier auf das rein menschliche, politische Handeln angewiesen. An die Stelle des auserwhlten Volkes kommt eine Elitengemeinschaft der Mutigsten, die der Geistesgemeinschaft im Landauerschen Sozialismuskonzept entspricht. In dieser Rahmenerzhlung, wie auch in manchen hnlich gebauten Episoden, bernimmt der transzendentale Erzhler die Rolle eines Vermittlers zwischen dem erzhlten Geschehen und dem Rezipienten. Die ganze Legende, die dem Leser erzhlt wird, besteht aus der wrtlichen Wiedergabe einer Geschichte, die dem Erzhler und den Menschen um ihn von einem Fremden erzhlt wurde, welcher die Geschichte seinerseits auf die Aussagen anderer Erzhler gegrndet hat. Dass der Erzhler der Legende an der von ihm erzhlten Geschichte als Figur beteiligt war, wird erst in den abschlieenden Stzen, nach dem eigentlichen Legendentext als eines groen Zitats, sichtbar: So sprach der Fremde, ehe er uns wieder verlie. Wir versuchten, ihn schnell zu vergessen, ihn und den bittern Geschmack seiner Hoffnung. Wie waren mde des ewigen Anfangs. Indem der Erzhler die Situation kommentiert, die er persnlich erlebt haben soll, bereitet er suggestiv den Leser auf eine enttuschende, ja fast absurde Atmosphre vor, in der die Figuren immer wieder von den Machtgierigen betrogen und versklavt, durch die Worte fremder Aufklrer zu einer neuen Hoffnung verfhrt und nochmals an den Nullpunkt ihres Tuns zurckgebracht werden. Diese Erzhltechnik knne, so Sternberg, mit Recht als gelungen bewertet werden, denn mit ihrer 'Augenzeugenperspektive' (evidentia) gibt sie dem Leser die Illusion der Authentizitt, denn der Erzhler in ihr vermittelt schlielich 'Selbsterfahrenes'. Die Legende vom verbrannten Dornbusch ist einer der Schlsseltexte der Trilogie, und zwar nicht nur dadurch, dass sie im beschriebenen erzhltechnischen Sinne eine wesentliche Funktion innehat, sondern auch durch ihre Signalfunktion fr den Leser. Im Ganzen in Schrgschrift gedruckt, hebt sich sich neben anderen kursiven Romanstellen von der blichen graphischen Textgestaltung ab. Zwei weitere hervorragende, ebenfalls kursiv gesetzte Schlsseltexte sind einerseits die Christus-Legende, d. i. ein fragmentarisches Romanmanuskript des kroatischen Dichters Djura, beschriftet Die verlorene Bucht, und andererseits Stettens Testament Der Held unserer Zeiten, d. h. die Auszge aus seiner schriftlichen Hinterlassenschaft. Whrend sich die Notizen des Wiener Professors auf die revolutionre Problematik beziehen und ihr Autor sich (in einem in den Romantext eingeschobenen Kapitel, beschriftet als D.'s gefhrliche Missverstndnisse) direkt an Dojno wendet, ist Djuras Romanfragment eine neue Rahmenerzhlung, die die Ereignisse der folgenden Romankapitel thematisch antizipiert, aber auch eine der intertextuellen und zugleich der evidentesten metatextuellen Stellen in der Trilogie. In Djuras etwa zehn Seiten langem Manuskript geht es um die Begegnung zwischen einer Frau und dem gekreuzigten Christus, der aus ihrer Perspektive ein Fremder genannt wird. Es ist die erste Stunde des Tages, und die rmischen Soldaten jagen in der Nhe von Jerusalem den verschwundenen Galiler, der der anfangs wortkargen Frau erklrt, sie htten ihn zu Tode gebracht, doch er sei nicht tot. Die Frau, eine Alte von sechsunddreiig Jahren, mit sechszehn geheiratet, sieben Kinder geboren, vier leben, nennt sich selbst eine Verlassene. Ihr Mann, erklrt sie dem auferstandenen Jesus, dessen Worten sie die ganze Zeit uerst skeptisch gegenber steht, habe sie vor vielen Jahren verlassen: Eines Tages ist er weggegangen, um die Heiden hinauszutreiben. Ein gutes Herz, aber kein sehr kluger Kopf. Ein Galiler hat ihm die Gedanken verwirrt mit wohltnenden Worten. Es kann nicht bersehen werden, dass der Romancier damit ein subtiles literarisches Zusammenspiel von Gegenwart und Vergangenheit, Illusion und Wirklichkeit der Romanwelt, Intertextualitt und Metatextualitt bewirkt. Daraus ergeben sich klare intertextuelle Bezge zu den evangelischen Texten, in denen ber die Erscheinungen des Auferstandenen berichtet wird. Genauso wie in Djuras Manuskript ist der auferstandene Jesus dem Bibeltext nach zuerst einer Frau begegnet: Als Jesus am frhen Morgen des ersten Wochentages auferstanden war, erschien er zuerst Maria aus Magdala. Die angefhrte Tageszeit, die Charakteriserung des Galilers sowie die Lehre des Fremden entsprechen ebenfalls dem biblischen Bericht. Die Christus-Legende ist in dreifacher Hinsicht ein Beispiel fr eine literarisch gelungene, ja funktionale Verwendung von metatextuellen Verfahren. Erstens, sie bildet einen thematischen Rahmen fr die folgenden Kapitel der Trilogie, was dann von Dojno selbst, nachdem er das Manuskript gelesen hatte, als ein Schlsselroman gekennzeichnet wird (Djura Christus, die Verlassene Ljuba, Andrejs Witwe und spter Djuras Freundin). Djura, der als Kommunist das Heil fr sein Volk bringen will, wird bald von den Ustascha ermordet, und Ljuba wird zum zweiten Mal verlassen. Zweitens ist der Text insofern autoreferenziell, als in der Geschichte der Verlassenen, dessen Mann von einem Galiler ideologisch verfhrt wurde, auf die legendenhafte/historische Person Jesus Christus angespielt wird, der gleichzeitig als Figur an der Handlung des Romanfragments von Djura teilnimmt. Die Jesusfigur des Prtextes wird durch die Worte der Frau ironisiert, womit der Erzhler das in der Trilogie immer wieder paraphrasierte Leitmotiv des Verlassens und des Fremden aufgreift. Jesus und die revolutionren Romangestalten, die sich als Fremde mit ihren messianischen Lehren an das durch die Frau reprsentierte einfache Volk wenden, lsen schlielich einen Bruch im Alltagsleben und im historischen Bewusstsein der kleinen Menschen aus, aber das Volk wird von ihnen immer wieder physisch oder durch ihr Versagen verlassen (und im Stich gelassen). Drittens, der Romantext bezieht sich auf sich selbst, indem Djuras Manuskriptfragment romanpoetische Hinweise enthlt, die gleichzeitig die der Sperberschen Trilogie immanente Poetik im 'Kleinformat' widerspiegeln. Um diese Situation zu illustrieren, werden hier die aufschlussreichsten Passagen des langen Romantextes wiedergegeben: Nicht nach der Art der Wiederkuer schreiben: keine ueren Details geben, nicht Gebrden zeichnen und nicht Gesichter. Nur fr jene, denen das Wesentliche gengt. (Es ist Zeit fr mich, endlich das hurenhafte Entgegenkommen zu verweigern, das man von Schriftstellern erwartet. Oder das Schreiben aufzugeben.) [...] (Ein anderes Mal behandeln: Die besonderen Menschen nehmen alles wrtlich. Das schafft schwerwiegende Missverstndnisse, daher die Komik der Gre und ihr Unglck. [...]) Die Reiter nehmen ihn [Jesus] fest, fhren ihn ab. Die Frau folgt ihnen stumm. (Kurz berichten, was inzwischen vorgefallen ist [...].) [...] Nicht den Seelenzustand der Frau schildern [...]. Ich lebe noch, sagt sie halblaut. Und da muss sie an die Worte des Gekreuzigten denken: Sie haben mich zu Tode gebracht, aber ich bin nicht gestorben. Damit beginnt eigentlich die Geschichte, die Worte werden wrtlich, fllen sich bis an den Rand mit Sinn an. Das Gleichnis wird Wirklichkeit, so wird Glaube geboren. (In der Poesie wird Wirklichkeit zum Gleichnis. Die Poesie ist eine misslungene Religion.) Sptestens von dieser Stelle ab muss auch der dmmste Leser merken, dass mich von Anfang an nur die Frau interessiert hat, die Verlassene, wie sie sich nennt. (Vielleicht Die Verlassene als Titel nehmen, das hebrische Wort dafr. Dojno fragen!) [...] Abigal, die lteste Tochter, ist weg. Der Jngste erzhlt, sie hat gesagt, sie wird nimmer wiederkommen. Nun sollte die Frau Flche ausstoen, [...] aber ihr Mund ist verschlossen. Es gibt, fhlt sie, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen, zwischen dem Erscheinen des Fremden und dem Verschwinden ihrer Tochter. Das gengt. Sie fragt nicht, welchen. Alles, was fortab geschieht, wird sie in den einen, neuen Zusammenhang bringen. (So beginnt das wahrhaft neue Leben. Nicht der Tag meiner Geburt ist mein Anfang, nicht die Stunde, da ich meinen Vater durchschaut habe, und nicht der Augenblick, da die Erfolge zu Enttuschungen geworden sind, nichts von alledem ist Anfang. Nur der neue Zusammenhang, dem alles sich einordnet, ist ein neues Beginnen. Nichts, was vorher gewesen ist, bindet mehr.) Nchtern beschreiben, wie der Frau dieser Tag vergeht. [...] Sie selbst macht sich auf den weiten Weg nach Nazareth, um den Seinen zu erzhlen, was ihm widerfahren ist. Und wenn er ein Weib hat, wird sie nicht eine Verlassene sein, denn sie wird vor den Richtern bezeugen, dass er tot ist. Niemand hat sie in Nazareth erwartet. Keiner braucht ihre Zeugenschaft. Jerusalemer Geschichten, man kennt sie. [...] Und auch aus gypten kommen hnliche Mrchen. Jeden Montag und Donnerstag wird die Welt frisch erlst. Ach, wie langweilig! Der Weg zurck, unsglich mhselig. Die Frau auf halbem Wege zwischen Nazareth und Jerusalem lassen. Keinen Abschluss, nicht einmal einen Ausblick auf ein Ende! [...] Dem Manuskripttext folgt sofort Dojnos Kommentar: Das Ende durchaus unbefriedigend, dachte Dojno. [...] Und er htte den Mann nicht Jesus nennen sollen. Der Fremde und die Verlassene, die Agunah, das gengt. Zweimal muss der Fremde sterben, zweimal die Agunah verlassen werden. [...] Dahinter ist die Verzweiflung Djuras. Er selber ist der Fremde. Wrgende Todesangst, bevor er sich auf den Weg gemacht hat. Und die Verlassene ist Ljuba. Vorher war Andrejs Tod. Und wenn nun auch Djura nicht zurckkommen sollte... Alle in der Trilogie zur Anwendung gebrachten Grundstze der Sperberschen Poetik lassen sich an Djuras Text ablesen: auf uere Destails verzichtender Romanstil und Episodenstil; bewusste Unnachgiebigkeit des Erzhlers gegenber dem Leser (um damit eine Trivialisierung zu vermeiden); allmhlicher Ersatz von anfnglichen Hauptfiguren durch eine neue Hauptfigur; Ironie, d. h. eine auf Missverstndnissen basierende Komik; erzhlerische Rckverweise; keine Psychologisierung der Romanfiguren, bevor sie dem Gleichnishaften reprsentiert durch eine andere, komplexere Gestalt begegnen (indem sie das aufgenommene Gleichnis zu fhlen und zu leben, und nicht zu reflektieren beginnen, werden diese Figuren zu Symbolen, weshalb sie nur scheinbar als realistisch gelten knnen); vom Leser und von den Romanfiguren intuitiv herzustellende Zusammenhnge zwischen den Ereignissen; narrative Bildung personaler Identitten mit Hilfe eines subjektbezogenen, kontextgebundenen Sinnkonzepts (Sinnbegriff als Einordnung von Ereignissen in einen neuen, bergeordneten, durch die menschliche Erfahrungsfhigkeit bedingten Zusammenhang); objektive Beschreibung uerer Geschehnisse; Zeugen(-bericht) als narratives Verfahren, dank welchem einerseits die erzhlte Geschichte glaubhaft wird, andererseits als Instanz, durch die der bis dahin geltende Status des Legendenhaften von erzhlten Ereignissen aufgehoben und der Status ihrer Wahrhaftigkeit gesichert wird; offenes Romanende, das mit dem unvollendeten Entwicklungsprozess der Hauptfigur korreliert. Das Leitmotiv des Episodenhaften hat in der Trilogie eine besondere Bedeutung. Es bezieht sich auf Sperbers, Stettens und Dojnos These, der Mensch lebe nicht in Ereignissen, sondern in Zustnden/Episoden, was sich dann auf der zweiten, metatextuellen Ebene wieder auf die Fragen der Romanpoetik bezieht, denn auch die Figuren selbst werden in der Trilogie episodenhaft dargestellt. In seinem Tagebuch bemerkt Stetten: Immer im Auge behalten: Die Menschen leben in Episoden, deren Anfnge sie meistens zu spt merken. Das Leben ist ein Abstraktum, ebenso wie der Krieg, man lebt nicht Abstrakta, die Geschichtsschreibung ist somit auch hier notwendig eine perspektivische Flschung. Nach einem lngeren Handlungsverlauf paraphrasiert Dojno die Gedanken des inzwischen verstorbenen Stetten: Er bedachte, wie sehr Stetten recht hatte [...]. So schmal das Leben des biedersten Menschen sein mochte, dessen innerer Raum war unwahrscheinlich dehnbar, bot fr alles Platz. und noch expliziter: An der Epoche war nicht die Verruchtheit neu, sondern nur die technischen Mittel, deren sie sich bediente. Der Missbrauch der Ideen, ihre Verkehrung in der Praxis, [...] nichts war neu an alledem, die Epoche hatte es nur wieder entdeckt und nicht erfunden. Das konnte man mit Tatsachen beweisen, das alles war ein altes Stck. [...] Diese Epoche ist ein Resmee der Weltgeschichte. [...] Keine Zivilisation ist je wirklich zugrunde gegangen [...]. Denn dies ist die essentielle Wahrheit der Geschichte: Die Menschen schaffen mehr, als sie zerstren; die Zustnde sind strker als die Ereignisse; die Zeugung ist schneller als der Tod. Und hier gerate ich scheinbar in Widerspruch zu meinem ganzen Leben, denn gerade darauf haben wir Revolutionre abgezielt: Taten zu setzen, Ereignisse herbeizufhren, die strker sein sollten als die Zustnde. [...] 4.6. Zum Werkstil Die in der Trilogie literarisch gestaltete Wirklichkeit basiert grtenteils auf einem Nebeneinander von Gegenstzen, die aufgrund der angewendeten sprachlichen Mittel sich als wichtigste stilistische Merkmale des Kunstwerks ergeben. Dass sich Sperbers Stil und Denken stets zwischen Antithesen bewegt, kann durch das folgende Beispiel belegt werden. Um seinem deutschen Kampfgenossen Josmar den widerspruchsvollen Begriff des Kommunisten zu erklren, erzhlt der jugoslawische Kommunist Vasso von einem Streitgesprch, das er mit seinem orthodoxen Vater gefhrt hatte. Das Gesprch kennzeichnet sich stilistisch durch Kontraste (gut-bse, lieben-ermorden, Erlsung-Fluch usw.): [...] 'Ihr Kommunisten wollt vielleicht das Gute', sagte mir einmal mein Vater, 'aber ihr habt kein Erbarmen mit den Armen. Ihr habt kein Erbarmen mit euch und darum glaubt ihr, dass es euch alles erlaubt ist. Unser Heiland hat mit sich kein Erbarmen gehabt, aber er hat die Menschen geliebt. Ihr liebt niemanden und niemand liebt euch.' [...] Ich habe ihm geantwortet: Mag sein, ihr habt recht, Vater. Aber vielleicht kann man die Menschen nicht erlsen, wenn man sie zu sehr liebt. Der Heiland hat die Welt erlsen wollen, aber es ist ihm nicht gelungen. Es gengt nicht, fr die Menschen zu sterben, man muss fr sie morden, Vater. Es ist ein Fluch, Erlser zu sein, die Welt ist zu bse, ihre Erlser knnen nicht gut sein. Es ist gleichzeitig sichtbar, dass Sperber hier wie auch sonst in der Trilogie ein intertextuelles Verfahren benutzt, um dadurch die Bestndigkeit von Gegenstzen in ihrer historischen Kontinuitt hervorzutun. So rekurriert er auch in dem zitierten Beispiel auf die revolutionren Gedanken aus Bchners Dantons Tod (den er in der Autobiographie als wichtige Lektre anfhrt), um seine revolutionren Romangestalten in die mentale und praxisbezogene Nhe zu den erbarmungslosen Jakobinern zu bringen: Nur ein Feigling stirbt fr seine Republik, ein Jakobiner ttet fr sie, stellt ein Lyoner in Bchners Drama fest. Ein gutes Beispiel fr das Nebeneinander oder den Simultanismus von unvereinbaren Gegenstzen, der zudem aus der personalen Perspektive Stettens kommentiert wird, ist die Textstelle, an welcher der alte Professor, unmittelbar vor dem 'Anschluss', die durch das Radio vermittelte Chaotik jener Zeit und die Absurditt des Menschen zur Sprache bringt: Er [Stetten] drehte ganz langsam, der Apparat war uerst trennscharf, die winzigste Bewegung brachte zu dieser Stunde eine andere Sendung. Schlechte Musik herrschte vor. So viele Menschen hatten durch Jahre viel Liebe und Mhe darauf verwendet, Instrumente nach sichern Regeln zum Tnen zu bringen. Und nun ging es in die Welt hinaus: nie zuvor in der Geschichte der Menschen hatte sich die Armut des Gedankens mit der des Gefhls zu solch herausfordernder, alles verdrngender Exhibition vereinigt. Die Texte der Liebeslieder waren so elendig [...]. Auch dies gehrte zur Qual dieser Zeit: gleichsam im Vorbeigehen all das anhren mssen. In weniger als fnft Minuten vermittelte dieser Kasten auf langer, mittlerer und kurzer Welle das Erlebnis einer Simultanitt [...]. Aber du, Lilu ewig auf meine Liebe kannst du bauen denn du, Lilu bist die allerschnste aller Frauen ja, du, Lilu o Lilu, nur du u u. Die falsche Tenorstimme klang so widerlich, dass die Vermutung nahelag, es htte ein Bauchredner gesungen. Strmischer Applaus belohnte ihn. Diese Enthusiasten werden in Schutzgrbern oder Konzlagern verkommen und bis zum letzten Augenblick sehnschtig an die Zeit zurckdenken, da sie solches Glck genossen: ... ja, du, Lilu o Lilu, nur du u u! Er drehte schneller. Gott schtze sterreich! Und gleich danach, die Stimme eines franzsischen Speakers: Das waren die letzten Worte des Kanzlers. sterreich ist nicht mehr! Die Armee Hitlers berschreitet wahrscheinlich eben in diesem Augenblick die Grenze [...] Ein ungeheures Gebrll erfllte das Zimmer, aus Tausenden von Kehlen musste es dringen: Ein Volk, ein Reich, ein Fhrer! Sieg Heil, Sieg Heil, Sieg Heil! Auf Kontrasten bauen auch zahlreiche sprachliche Bilder selbst (Vergleiche, Gleichnisse und ganze Parabeln). Eine solche Parabel wird von Dojno im Kontext seiner Errterungen ber die niedergegangene Djura-Brigade und den Banditismus vieler anderer Partisanenformationen auf dem Balkan mit Ironie erzhlt: Tony, da Sie in Gleichnissen sprechen, sind Sie in ausgezeichneter Stimmung. Um sie Ihnen zu erhalten, werde ich Ihnen noch eine Parabel vorschlagen: Ein armer Mann zndet die vom Vater ererbte Htte an, um endlich die Nacht zu erkennen, sie im hellsten Licht zu sehen. Infolgedessen erfriert er in finsterster Nacht. Starke Kontraste, die auf eine Atmosphre der Machtlosigkeit des handelnden Subjekts gegenber der sich ihm entziehenden Welt und der allumfassenden Absurditt hinweisen, sind bereits im Titel der Trilogie (Trne Ozean) nebeneinander gestellt. Sehr hufig stehen die dargestellten ueren Ereignisse, wie etwa politische Intrigen und Kmpfe an der Kriegsfront, im Kontrast zu Milieu- und Naturschilderungen: Inmitten grausamster menschlicher Erfahrungen in der historischen Welt stehen sie fr einen friedlichen, fast zeitlosen, unvernderlichen Zustand, womit das selbstzerstrerische, unvernnftige Potenzial der menschlichen Zivilisation zustzlich unterstrichen wird. Andererseits werden durch Vergleiche und Gleichnisse Analogien zwischen Sprachbildern und Handlung (Erlebnissen, Ereignissen, menschlichen Schicksalen) hervorgehoben, was der Trilogie einen gleichnishaften Charakter verleiht. Die beiden stilistischen Hauptmerkmale, Kontraste und Vergleiche, kommen auf eine prgnante, verdichtete Art insbesondere in der Legende vom verbrannten Dornbusch zum Ausdruck: Die Gegensatzpaare (Licht-Finsternis, Wahrheit-Lge, Sklaven-Herren) durchziehen die ganze Allegorie, die aufgrund semantischer Parallelisierungen zwischen den Mutigsten, in welchen die Zukunft lebte wie das Ungeborene im Leibe des Trchtigen und den Freiheitskmpfern sowie Stalins Opfern einerseits, zwischen der Figur des Fremden und einem wahren kommunistischen Revolutionr andererseits das Prinzip Hoffnung und die Idee einer freien knftigen Gesellschaft der Gerechtigkeit in ihrer negativ-dialektischen historischen Entwicklung reprsentiert. Die Legende hat eine moralisch-didaktische Funktion, und an den Leser wird ebenfalls durch das stets variierte Motiv der Verkehrung von Sinn und Bedeutung, von Idee und Tat appelliert. Dieses Motiv kommt grtenteils in Dialogen vor, an denen Dojno, Stetten und gewissermaen auch Josmar teilnehmen. Die szenische Darstellung verwischt die Rolle des transzendentalen Erzhlers, der zwischen dem Leser und den erzhlten Ereignissen und Figuren vermittelt. Durch das Verschwinden der Distanz und die personale Erzhlperspektive wird der Rezipient in die eigentmliche Denk- und Argumentationsweise von Romanfiguren versetzt, besonders in philosophischen Gesprchen, in denen verschiedene Meinungen konfrontiert bzw. 'Ideen dramatisiert' werden. Die Sprache in den Dialogen ist expressiv und verrt immer eine besondere soziale und politische Identitt sowie den Charakter des Kommunikationstrgers: Sie ist intellektuell, sentenzenhaft und ironisch bei Intellektuellen, zynisch bei politischen Profis bzw. Vulgrpragmatikern, pathetisch und marxistisch gefrbt bei revolutionren Tatenidealisten, religis gefrbt bei Figuren aus einem vom Judentum oder Christentum stark geprgtem Milieu usw. Die rhetororisch aufgebauten Streitgesprche werden jedoch, wie Sternberg richtig bemerkt, nie zwischen ernsthaften Antagonisten, sondern zwischen potenziell Verbndeten gefhrt nach dem Prinzip der sokratischen Majutik, d. i. in einem dynamischen, dialektischen Verhltnis zwischen Lehrer und Schler und strukturieren zum groen Teil die eigentliche, innere Handlung der Trilogie. 4.7. Zur inneren Struktur der Trilogie Stellt man sich die Frage nach der Struktur eines literarischen Werks, dann sollte nach Indizien fr die Art und Weise gesucht werden, in der die Sinnbezge in dem Werk organisiert werden. Damit verbunden ist auch das Problem der Typologie, denn als eines der Kriterien zur Bestimmung des Romantypus knnen thematische Aspekte in Betracht gezogen werden. Das sthetische Potenzial des Sperberschen Romans offenbart sich auf seiner diskursiven, gedanklichen Ebene, die zugleich seine innere Struktur gestaltet. In diesem Sinne lsst sich jedoch die Trilogie als durchaus in der Tradition des modernen Romans stehend auffassen, sollte man darunter einerseits Abweichungen von bis dahin etablierten, epochenspezifischen poetischen Normen und Konventionen und andererseits die Thematisierung eines defizitren Subjekts in seiner problematischen Beziehung zu einer ebenso defizitren Welt und zu sich selbst verstehen. Die Literatur in der ersten Hlfte des 20. Jahrhunderts kennzeichnen, wie bekannt, ein Stilpluralismus sowie ein stofflicher Egalitarismus, der bereits von Balsac, Dostojewski und Zola eingefhrt wurde. Von einem durch die treue Nachahmung darzustellenden oder knstlerisch wieder herzustellenden Einklang des Romansubjekts mit der Natur/Welt im Sinne einer naiven Dichtung, kann bei den paradigmatischen modernen Romanen nicht mehr die Rede sein. Vor dem Hintergrund der beiden groen Tendenzen in der Erzhlprosa des 20. Jahrhunderts, der psychologisch-mimetischen sowie der metanarrativ-ironischen, erweist sich die Frage von Inhalt und Form des Romans in ihrer Wechselbeziehung als besonders wichtig. Die These von Werner Mller, Sperbers Trilogie sei vor allem aufgrund ihrer Poetik, der Erzhlstrategie und ihrem rezeptionssthetischen Potenzial ein uerst moderner Roman, wirkt in dem Sinne nicht berzeugend. Die These baut nmlich auf einem Argument, das den Kontext einer ganzen Romantradition und ihrer Kontinuitt unbeachtet lsst und ebenso fr traditionelle Romane gelten kann. Es sei daran erinnert, dass auch der Gedanke der Simultaneitt, das in Sperbers immanenter Poetik des epischen Nebeneinander, des Episodenhaften, enthalten ist, als ein Gestaltungsprinzip in der Literatur lter [ist] als die Poetik der radikalen Modernismen: Die Parallelitt verschiedener Handlungsstrnge, deren Zeitplan zum Teil auf temporaler Deckung beruht, ist in Romanen des 19. Jahrhunderts, vor allem im Bereich des Intrigenmusters, gar nicht so selten. Karl Gutzkow sprach um die Mitte des Jahrhunderts als Programmatiker eines solchen Verfahrens von einem 'Roman des Nebeneinander' und pldierte damit fr einen Romantypus, der die verschiedensten Bereiche des Lebens zu einer erzhlenden Zusammenschau fhren wrde. Weiterhin, im Hinblick auf seine experimentelle Form und Montagetechnik, bzw. die Poetik des Simultanismus als Gleichzeitigkeit des Disparaten, des logisch und kausal Unverbundenen, ist beispielsweise Dblins Roman Berlin Alexanderplatz (1929) betrchtlich radikaler als Sperbers Trilogie. Folgt man aber jenem thematischen, philosophischen Schwerpunkt, der in der Diskursivierung des Romans eine angemessene Form findet, dann erweist sich etwa Thomas Manns Zauberberg (1924), der damit die von Rilke in Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910) begonnene Tradition fortsetzt, jedenfalls als ein modernerer und dem individuellen Stil nach raffinierterer Roman. Das Prinzip der Ironie und die Anwendung meta- und intertextueller Verfahren (praktiziert schon bei den Romantikern) kann ebenso wenig als Beleg fr Sperbers Innovativitt herhalten. In Sperbers Trilogie werden Elemente einer berwiegend traditionellen, realistischen Erzhlweise mit einer philosophischen, allgemeingltigen, transhistorischen Problematik verflochten. Dies schliet ein relativistisches, aber gleichzeitig auch ein moralistisches Weltbild ein, denn Sperber tritt hier als ein moralisch-politischer Rhetor auf. Im Gegensatz zu Romanen der lteren Tradition, in denen dem Leser ein festes, stabiles und abgerundetes moralistisches Weltbild angeboten wurde, verzichtet die Trilogie auf den Anspruch, eine einzige wenn auch an die Person des Autors gebundene Wahrheit zu vermitteln. Zieht man nun die Hegelsche Gegenberstellung von Epos und Roman im Lichte geschichtlicher Prozesse heran, die in der Romantheorie des jungen Lukcs enthalten ist, dann kann ein Groteil der von den beiden Theoretikern gezogenen Schlussfolgerungen auch fr die Trilogie geltend gemacht werden. Im Einklang damit, was der junge Lukcs eine transzendentale Obdachlosigkeit der modernen, unendlich groen und an Geschehnissen und Gefahren unberschaubar reichen Welt nannte, kann mit Sicherheit festgestellt werden, dass die Lebensimmanenz des Sinnes auch zu einem Hauptproblem der Trilogie geworden ist. Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass die Offenheit einer Welt, die ihren heimatlichen Status verloren hat und die von dem 'Romanhelden' trotz einer dem Zeitalter auch weiterhin inhrenten Gesinnung zur Totalitt nur fragmentarisch erfasst werden kann, mit der von Sperber reflektierten Komposition der Trilogie korreliert. Der von Lukcs entfalteten Typologie der Romanformen nach ist Sperbers Trilogie ein Desillusionsroman, in dem der Verlust der politischen Ideale im Konflikt mit einer 'prosaischen' Welt zur Resignation des Helden fhrt, auch wenn dieser bei Sperber an der idealistischen Haltung festhlt, die Sache selbst sei trotz allem menschlichen Versagen nicht verloren. Wenn Sperber im Vorwort zur Trilogie behauptet, dem Roman fehle eine trstliche Moral, dann impliziert diese Einstellung das Bewusstsein des Romanciers davon, dass eine Konfliktlsung im komplexen Verhltnis zwischen Romansubjekt und Romanwelt im modernen Zeitalter weder tragisch noch komisch, aber auch nicht vershnlich im Geiste des traditionellen Erziehungsromans sein kann. Das menschliche Leben (und analog dazu ein Erzhlwerk) ist so strukturiert, dass sich in ihm die ganze Zeit hindurch Tragik und Komik miteinander vermischen. Als Gegenpole auf der Skala der literarischen Darstellung von Konflikten zwischen der Figur als Ideentrger und dem Weltzustand, dessen Bestandteil das Individuum ist, stellen die beiden Prinzipien unangemessene Lsungsversuche dar, weil das Subjekt dieses neuen, prosaischen Zeitalters, dieser unliterarischen/unpoetischen Wirklichkeit, durch die Erfahrung des Zusammenbruchs aller Bindungen geprgt wird. Zieht man an dieser Stelle Sperbers Vortrag Die Wirklichkeit in der Literatur des 20. Jahrhunderts (1982) an, die wieder eine Art Selbstkommentar ist, dann wird deutlich erkennbar, worin Sperber selbst einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Roman des 18. und 19. Jahrhunderts einerseits und dem modernen Roman des 20. Jahrhunderts andererseits (in jeder Variante im Rahmen des Stilpluralismus) sieht: Zwischen 1914 und 1934 [...] haben diese Bindungen ihren fast mythischen Schicksalscharakter eingebt. Damit hat das persnliche Geschick eine Wandlung erfahren: Es kann zwar unsagbar traurig, aber nicht mehr tragisch sein, eine endlose Verzweiflung ohne vershnenden fnften Akt. Nicht nur durch seine literartheoretischen Auffassungen, sondern auch durch das offen gelassene, hinsichtlich einer Konfliktlsungsmglichkeit melancholisch-'vershnlich' gestimmte Romanende vertritt Sperber stillschweigend kunstphilosophische Betrachtungen aus Hegels thetik, insbesondere aus ihrem zweiten Teil, in dem der Philosoph im Gegensatz zur Linie des Entwicklungsromans sowie des romantischen Romans im metaphorischen Sinne prosaisch das typische Finale im Lebensweg der Romanhelden modelliert. Der 'Held' der Trilogie ist ebenfalls eine Gestalt, der letztlich nur Resignation brigbleibt, Verzicht auf die einstigen Ideale, Kompromissbereitschaft. Nicht zufllig spielen die wichtigsten Gestalten der Trilogie mehrmals und dabei selbstironisierend auf Don Quijote an, der bei Hegel als paradigmatische Gestalt des modernen Romans gilt. Damit besttigen sie selbst, dass sie sich in ihrem idealistisch motivierten Kampf fr die Verbesserung der bestehenden Ordnung ihrer prosaischen Wirklichkeit fast aussichtslos entgegensetzen. Bereits am Anfang der Trilogie, in einem Gesprch mit Josmar, verkndet der kroatische Dichter Djura prophetisch, wie auch im Falle seiner kommunistischen Kampfgenossen die Dichtung zur Wahrheit und zu einer desillusionierenden Wirklichkeit (fr die berlebenden) wird: Siehst du, Schwabe, diese Staubwolke, die da wandert und doch auf dem Platz zu bleiben scheint das sind wir, das ist unser Land. Kommen dann die Regen, verwandelt sich der Staub in einen tiefen, klebrigen Kot. Zwischen Staub und Kot wechseln die Jahreszeiten unseres Lebens. Wir sind tief im 14. Jahrhundert und die Andrejs bei uns mssen sterben, weil sie das 21. Jahrhundert herbeifhren wollen. Die zivilisierten Vlker haben eine Vergangenheit, ihre Don Quichottes wollen zurck, in die vergangenen Jahrhunderte. Wir haben wenig Vergangenheit, unsere Don Quichottes springen nach vorne, in zuknftige Epochen, und landen im Abgrund in Slavkos tdlicher Umarmung. Der Konflikt zwischen Romanfigur als Ideentrger und Romanwirklichkeit wird bei Sperber nicht nur auf der Handlungsebene gestaltet, sondern sie wird stets reflektiert. Eben das ist unter der Forderung Sperbers nach der Dramatisierung der Ideen in einem revolutionren Roman zu verstehen. In kontroversen, dialektischen Gesprchen wird so der abendlndische Bildungsdiskurs inszeniert, der sich dann als jene Mehrstimmigkeit erweist, die Bachtin der Romangattung schlechthin zugeschrieben hat. Die Antinomie zwischen Moral (idealistischem Individuum) und Politik (institutionalisierter Ordnung der entzauberten Wirklichkeit) wird zur Grunderfahrung der Sperberschen Romangestalten. Im Endergebnis sind sie betrogene und selbstbetrogene Revolutionre, die als moderne Don Quijotes mit ihrem Sozialismuskonzept der Landauerschen Art in Wirklichkeit einen moralisch-geistigen Elitismus vertreten wollen. Sie evozieren eine 'Metaphysik der Sitten', die gerade jenem epischen Weltbild immanent ist, das von Hegel fr vergangene Heldenzeiten diagnostiziert wurde. Man knnte sagen, dass der Epos als Darstellung der Wirklichkeitstotalitt mit dem Ethos einhergeht: Der der menschlichen Gemeinschaft einst immanente Ethos wurde in und von dem epischen Helden selbst reprsentiert, weshalb die episch dargestellte Wirklichkeit von den epischen Helden als ein heimatlicher Ort im Kosmos empfunden wurde. Die dem modernen Roman inhrente Gestaltung von Gesinnungen setzt aber ein neues Phnomen voraus, das den Roman selbst zu einer literarischen Form gemacht hat, welche der prosaisch, entzaubert und unbeseelt gewordenen Wirklichkeit im Zeitalter der technischen Wissenschaft enspricht. Das seit dem Beginn der europischen Moderne, d. h. seit der Aufklrungszeit, immer mehr entwickelte menschliche Bewusstsein davon, dass so etwas wie Geschichte und Weltgeschichte existiert, in der der Mensch nicht (nur) ein Objekt, sondern ein schpferisches Subjekt ist, brachte zugleich neue, geschichtsphilosophische Grundlagen, auf denen die Gesinnungen in der Erzhlprosa aufgebaut werden. Der Begriff des Ethos, typisch fr die vergangene Welt der antiken, klassischen Kunst und Philosophie, setzte nmlich immer noch als selbstverstndlich voraus, dass die Moralitt eines einzelnen Menschen sich mit den Sitten seiner Gemeinschaft deckt, weil den beiden der Begriff einer kosmischen moralischen Substanz bergeordnet war. Der Begriff des Ethos erlebte sptestens in der Moderne (einschlielich der Errungenschaften des Christentums, vor allem seiner Verbreitung der Idee des moralischen Individuums), und zwar am deutlichsten in Hegels rechtsphilosophischem System, eine vllige Bifurkation in Moralitt und Sittlichkeit. Whrend sich die Sittlichkeit nach Hegels System in Beziehungen des Individuums zur Familie, zur Gesellschaft und zum Staat (als dem hchsten Ausdruck der Synthese von Recht und moralisch Gutem, bzw. des objektiven Geistes), also ber die institutionalisierte, gesellschaftlich-politische Wirklichkeitsordnung konstituiert, wird die Moralitt in die Sphre des subjektiven Willens (ins Bewusstsein und Gewissen des Individuums) verbannt, die der objektiv gltigen Sittlichkeit (als Regulativ menschlicher Praxis) untergeordnet bleibt. Die Moderne hat sowohl das Individuum als auch die Geschichte 'erfunden', indem sie begann, das Wissen von ihnen (auf enttheologisierten Voraussetzungen) zu diskursivieren. Das Wissen selbst hat sich dabei in demselben Mae kreativ gezeigt wie die Macht selbst. Die Franzsische Revolution als zentrales Ereignis in der neuzeitlichen europischen Geschichte setzte die Idee der menschlichen und politischen Freiheit durch und lieferte in den Zeiten danach einen konkreten, historischen Beweis dafr, dass Geschichte und Politik auf skularen (und nicht theologischen) Grundlagen beruhen, dass der ttige Mensch sein eigenes Schicksal gestalten kann. Jene der neuzeitlichen Politik immanente Komponente der Gewaltttigkeit, die in der Metapher vom 'homo faber' (als 'Schmied seines Glckes') enthalten ist, stellt im Prinzip nur eine logische Fortsetzung der von Francis Bacon formulierten Devise dar, Wissen sei Macht, womit die durch technisches Wissen ermglichte Herrschaft des Menschen ber die Natur gemeint ist. Als infolge der fortschreitenden Freisetzung menschlicher Krfte und dem Wachsen technischer Mglichkeiten schlielich alles, auch die menschliche Seele, zu der von auen beherrschbaren Natur wurde, sah sich das Individuum mit einer prosaischen Wirklichkeit konfrontiert, fr die die propagierte Idee des geschichtlichen Fortschritts oft durch keinerlei moralische Zweifel zu hemmen war. Man stellte sich mit machtausbenden Institutionen zufrieden, die im Dienste des positiven Rechts die dem Brger und Citoyen auferzwungene Sittlichkeit reprsentierten. Nietzsches Protest gegen eine heuchlerische Gesellschaftsmoral sowie seine Forderung nach einem authentischen menschlichen Dasein, das paradoxerweise erst durch den schnsten, aber notwendigen Schein, nmlich durch die Kunst, seine existenzielle Rechtfertigung erhlt, ist nur ein Bewusstseinsausdruck des sich selbst unertrglich gewordenen Weltzustands und zugleich ein Versuch, den Nihilismus der bestehenden Ordnung durch den sthetizismus zu berholen. Durch die beiden Weltkriege, die eine historische Grunderfahrung Sperbers und seiner Jahrgnger darstellen, wurde die allmhlich entfesselte Zerstrung familirer, gesellschaftlicher und politischer Strukturen vollendet, und die Sitten, die einst das vom Subjekt als heimatlich erlebte Gemeinschaftsdasein bestimmten, haben ihre ursprngliche mythische Kohsionskraft eingebt. Gott war tot, weil ihn der moderne Held der prosaischen Wirklichkeit gettet hat. Sperbers Generation stellte sich der Nichtigkeit und dem 'Untergang des Abendlandes' entgegen, indem sie Nietzsches Forderung nach der Umwertung aller Werte auf das Gebiet der Geschichte, bzw. der Politik als Kunst, Geschichte zu machen, bertragen hat. Sperbers Trilogie ist, wie schon gesagt, die 'Geschichte einer Leidenschaft', die als Besessenheit durch Politik und Geschichte fr eine ganze Generation ausschlaggebend war. Der dauerhafte Widerspruch zwischen Idealen und Gesinnungen einerseits und historischer Wirklichkeit andererseits wird darin nicht nur auf der Handlungsebene dargestellt, sondern er wird stets aufgrund der vorgefundenen geschichtsphilosophischen Auffassungen reflektiert und im Kontext der erlebten Zeitgeschichte reinterpretiert. Durch philosophische Fragestellungen, die von unterschiedlichen Seiten beleuchtet werden, werden im Roman gleichzeitig unterschiedliche Diskurse produziert, und zwar sowohl im Sinne ihrer vermittlenden Rolle zwischen der allgemeinen Sprache und einer spezifisch philosophischen, theoretisierenden Redeweise als auch als eine Rahmenbedingung fr die Entstehung von Vorstellungen und Erkenntnissen. Dies resultiert mit einer intellektuellen, hufig pathetischen und stilisierten Sprache in jenen Textpassagen, in denen philosophische Probleme errtert werden (stilistische Aspekte der Trilogie), sowie mit einem Universalismus, der auch durch die Heranziehung der europischen geistigen Tradition danach strebt, die Welt in ihrer endlosen Vielfalt widerzuspiegeln (thematische Komponente). Die innere Romanstruktur wird wesentlich von philosophischen Passagen geprgt, deren Problematik diskursiv, d. h. nach einer bestimmten Methode und mit einem spezifischen terminologischen Apparat ausfhrlich diskutiert wird. Die Methode der Sokratischen Dialektik ist aber auch dort am Werk, wo es der Leser nicht mit den Dialogen zu tun hat. Auch in Monologen, Briefen, Tagebuchauszgen usw. setzt nmlich die erzhlende Instanz, d. h. die jeweilige Romanfigur, in ihrem Bewusstsein die geistige Anwesenheit eines konkreten Hrers oder, besser gesagt, eines Gesprchspartners voraus, dessen Wertesystem gegenber sich ihre eigene personale bzw. narrative Identitt bildet. Ein stndiger Wechsel der Lehrer-Schler-Beziehung ermglicht es, die bis dahin erlangte, durch eine konsequente Lebenshaltung scheinbar gefestigte Identitt in Frage zu stellen und prozessual weiterzukonstruieren. Jede ideentragende Romanfigur verndert im Verlaufe des Romangeschehens, mit dem ein selbstreflektierender Prozess und ein Krisenzustand einhergehen, ihre anfngliche Identitt, und analog dazu nimmt auch der Leser whrend der Lektre an der narrativ vermittelten Identittskonstruktion der Romangestalten teil, indem er selbst implizite, versteckte, nicht verbalisierte und oftmals nur angedeutete Beziehungen zwischen identitts- und sinnstiftenden Faktoren der literarisierten Wirklichkeit erkennt und weiter kritisch reflektiert. Ein weiteres strukturbildendes Prinzip stellenen stndige Gegenstze dar: Mnner (Politik; Berufsleben; Leidenschaft, Abenteuerlust; Entfremdung, Selbstentfremdung; emotionale Klte; Gewissenskonflikte, moralische Zwiespltigkeit) vs. Frauen (Alltag; Privatleben; Realittsprinzip; Innerlichkeit; Mitleid, Liebesbedrftigkeit; moralische Integritt), Faschismus vs. Antifaschismus, 'guter' Kommunismus (Geistsozialismus, bzw. revolutionrer Idealismus) vs. 'bser' Kommunismus (Stalinismus), Aktionsmenschen (Revolutionre und pragmatische Apparatschiks) vs. Gleichgltigkeit (Volk), Aktivismus vs. Passivitt und Fatalismus; Theorie (Idee) vs. Praxis (Institution); Macht (Gemeinschaft) vs. Moral (Individuum); Dogma und Lge vs. Wahrheitssuche usw. Sperbers Romanfiguren vertreten das Wesentliche, bzw. das Paradigmatische und lehrhaft Gleichnishafte der menschlichen Erfahrung. Es wurde von Claudia Sternberg darauf hingewiesen, dass Sperbers Anspruch auf das 'Essenzielle' im Grunde dem Begriff des Typus bei Lukcs in Es geht um den Realismus (1938) entspricht. Dadurch, dass in den Romangestalten Individualitt und Universalitt, das Einzelne und das Allgemeine miteinander verbunden wrden, seien in der realistischen Literatur, so Lukcs, zugleich die allgemeinen Gesetzmigkeiten in einer konkreten Form darzustellen. Das Allgemeine wird nicht nur durch parabolisch aufzufassende Erlebnisse und politisch-historische Ereignisse zum Ausdruck gebracht, sondern es drngt sich den Romafiguren selbst in Form selbstgestellter geschichtsphilosophischer und moraltheoretischer Fragen auf, die einen wesentlichen und konstitutiven Bestandteil ihrer Identitt darstellen. Daraus gehen in der Trilogie unterschiedliche Bewusstseinstypen als Phnomene des historischen Bewusstseins hervor. Das im Roman diskursivierte Ideenamalgam ist ebenfalls als Auseinandersetzung des Romanautors selbst mit der eigenen Vergangenheit zu verstehen, und zwar im Zeichen eines konfliktbeladenen, identittsstiftenden Dialogs mit der gesamten humanistischen Tradition Europas, zu der er sich bekennt. Die miteinander verglichenen, weltanschaulich geprgten Lebenserfahrungen Tollers, Roths, Koestlers und Sperbers haben bereits auf die Tatsache hingewiesen, dass die Herausbildung des historischen und revolutionren Bewusstseins, auf vorgefundenen ideellen Prmissen beruhend, geradezu zeittypisch fr die Generation der um 1900 geborenen europischen Intellektuellen ist. Sperber selbst besttigte in seiner Autobiographie, er habe seine eigenen Worte, somit auch die erhaltenen identittsrelevanten, ideellen Impulse, in den Mund seiner zentralen Romanfiguren (am meisten Dojnos und Stettens) gelegt. Die literarisch zu bewltigende Vergangenheit ist der Lebensweg eines europischen brgerlichen Intellektuellen, der in der Zwischenkriegszeit wie bei vielen anderen Jahrgngern vom Sozialismus und Marxismus zum Kommunismus fhrte und mit einer vlligen Abkehr von dem falschen Messianismus endete, der sich als Pervertierung der kommunistischen Revolutionsidee und moralisches Debakel der Zeitgeschichtler enthllte. Die in der Trilogie erzhlte 'Geschichte einer Leidenschaft', eines von Politik besessenen jungen Menschen, knpft in Wirklichkeit an die Ideenbewegung der Weimarer Zeit an, fr die betont Sternberg mit Rekurs auf Kurt Sontheimer ihre 'Radikalitt' und ihr 'hartes Pochen auf Entscheidung und Tat' und ein 'Denken des Entweder-Oder' typisch gewesen sei. Eine solche, auf Exklusionen grndende Denk- und Handlungsweise bewies spter in der Stalinschen Politik, deren innere Logik eben die substanzialistische politische Dichotomie 'Feind-Freund', bzw. entweder 'fr uns' oder 'gegen uns' war, ihre schreckliche empirische Wirksamkeit. In welchem Mae sich diese Haltung im Bewusstsein der Romangestalten sowie des Romanautors als irrefhrend und nichtig erwies, zeigen die abschlieenden Passagen der Trilogie. Es geht dabei darum, weder ein Heliger noch ein Held zu sein, sondern einzig und allein, ein Weiser zu werden, wie es in Stettens Testament resmierend heit. Damit stimmt sowohl Dojnos als auch Rubins Haltung am Ende des Romangeschehens berein. Die allerletzte Entscheidung, nicht mehr und nie wieder ein selbsterwhlter, erbarmungsloser, emotional kalter Volkserlser, ein Don Quijote im Dienste politischer Instrumentalisierung zu sein, stimmt mit dem Stettenschen Weisenbild wie auch einer Philosophie des Erbarmens und des Mitleids im Geiste Dostojewskis berein. Die Empfindsamkeit gegenber den leidenen Menschen ist ein Leitmotiv der Trilogie, das in der Wolyna-Episode, ...wie eine Trne im Ozean, gleichnishaft kulminiert und gegen Romanende immer verdichteter vorkommt. Das historisch Konkrete, das Jetzt und Hier unserer Wirklichkeit und die Gte des Menschen, wobei auschlielich die Gte und das Mitleid eines konkreten Mitmenschen gemeint sind (und nicht Gottes Gte oder abstrakte politische Werte), sind das letzte Wort der ernchterten Revolutionre. Auch in diesem Sinne lsst sich die Trilogie also als Versuch verstehen, die eigenen und zeittypischen Wege und Irrwege literarisch zu verarbeiten (und die Vergangenheit durch deren sthetisierung vielleicht fr sich selbst ertrglicher zu machen). 4.7.1. Ideengeschichte und Phnomenologie des historischen Bewustseins Fr Sperbers Intention hinsichtlich seiner Trilogie kann mit Recht Hegels Feststellung geltend gemacht werden, das Wahre sei das Ganze. Die Wahrheit, auf deren Vermittlung es ihm, einem Mahner und Erinnerer, sowie seinen fiktionalen Ideentrgern ankommt, lsst sich nmlich nicht als ein Ergebnis formulieren, das in seinem Ziel ausgeschpft wird: Nicht nur ihr Werdegang, d. h. das Denken selbst, sondern auch ihr Inhalt, bestimmt von der literarisch dargestellten Vielschichtigkeit der historischen Wirklichkeit, unterliegen dem dialektischen Gesetz des Entwicklungsprozesses, in dem das durch die Negativitt Aufgehobene synthetisch erhalten bleibt. Indem in der Trilogie das Allgemeingltige und Gleichnishafte an konkreten Individuen und ihren Schiksalen gezeigt wird, ist die sog. Botschaft des Werkes erst in seiner gesamten Prozessualitt begreiflich. In die Mhle des Geschichtsprozesses geraten, suchen die Romanfiguren und der Autor selbst permanent nach einem postulierten Sinn, der dann deren historische Existenz und damit die eigene Identitt rechtfertigen soll. Die Sperberschen Romangestalten sind nicht Trger von Wahrheit, sondern sie sind Medien fr deren allmhliche Erlangung oder blo Parzellen der Wahrheit. Sie vertreten diverse geschichtsphilosophische Konzeptionen, indem sie sich stndig mit den Fragen konfrontiert sehen, was eigentlich 'Geschichte' ist, ob sie einen Sinn hat, worin dieser Sinn besteht und welche Position der Mensch selbst in dem geschichtlichen Prozess hat. So hinterfragen sie ihre eigenen Lebensgeschichten, die wie jede andere 'Geschichte' im Sinne von 'res gestae' erzhlt werden (knnen), im Zusammenhang mit dem universalen Singular 'Geschichte', der in unser Bewusstsein getreten [ist], seit 'die Natur' in der Strenge ihrer menschenfernen Gesetzmigkeit dem menschlichen Geschehen und Geschick sich nicht mehr als ein Vorbild an Ordnung, Einklang und Gleichgewicht darstellen mag. Die Moderne machte die 'Geschichte' zu einem Topos philosophischer Reflexionen. Eine erste Antithese zu dem seit dem Mittelalter verbindlichen scholastisch-feudalen Geschichtsbild stellte Machiavellis politische Theorie dar, in der Phnomene wie Geschichte und politische Herrschaft als Probleme skularer (und nicht mehr theologischer) Natur behandelt werden. Die im 17. und 18. Jahrhundert weiter entwickelten philosophischen Theorien des Naturrechts und des Gesellschaftsvertrags, in denen etwa von Hobbes, Spinoza, Locke und Rousseau die Sphre der Politik von der der Theologie radikal getrennt und die Regierung auf rein weltliche Grundlagen gestellt wurde, gingen mit einem immer greren wirtschaftlichen und politischen Aufstieg des Brgertums in den damaligen (vorwiegend zentralistischen) Monarchien einher. Infolge der historischen Entwicklung wurde die Geschichte selbst im Bewusstsein des Menschen schrittweise zu einem Gebiet, das als selbstndiges Phnomen der Instanz Gottes und der Natur entgegengestellt und zu einer Sache menschlichen Handelns und Geschicks wurde, aber nicht mehr wie bei den Griechen als Geschichte von Taten der heldenhaften Menschen und ihrer Gtter. Sie wurde durch die Vermittlung des europischen Monotheismus (einerseits des jdischen Messianismus, andererseits der christlichen Erlsungslehre) zu einer Reflexion ber sich selbst. Voltaires 'Philosophie der Geschichte', wie er als erster seine Betrachtungen in dem Essai sur les murs et l'esprit des nations (1756) genannt hat, kennzeichnete die Befreiung von der Geschichtstheologie und ein antireligises Motiv fr die Deutung der geschichtlichen Ereignisse: An die Stelle der gttlichen Vorsehung trat nun die Idee des gesellschaftlichen Fortschritts durch die menschlichen Krfte selbst. Die Epoche der Aufklrung verlief im Zeichen einer allumfassenden philosophischen Kritik an der gesamten Tradition und stellte den Menschen als vernunftgeleitestes und daher freies Wesen ins Zentrum ihrer Betrachtungen und Selbstreflexionen. Die kritischen Schriften Immanuel Kants, der als paradigmatischer Vertreter des aufklrerischen Kritizismus gilt, stellten eine systematische Selbstberprfung menschlicher Mglichkeiten und Fhigkeiten dar und prgten in hohem Mae alles sptere philosophische Denken, auch Hegels System, das den Hhepunkt der deutschen idealistischen Philosophie darstellte. Die drei Grundfragen der Kantschen Philosophie: Was kann ich wissen?, Was soll ich tun? und Was darf ich hoffen? sind der Ausgangspunkt fr seine drei, bzw. vier Kritiken gewesen fr die in der Kritik der reinen Vernunft (1781) ausgelegte Erkenntnistheorie, fr die Ethik in der Kritik der praktischen Vernunft (1788) sowie die sthetik und Religion in der Kritik der Urteilskraft und Die Religion innerhalb der Grenzen der bloen Vernunft (beide 1793). In der Geschichtsphilosophie wurde das Problem der 'Geschichte' als Problem der 'Geschichtlichkeit' selbst, bzw. der Einheit und Einheitlichkeit geschichtlicher Prozesse einerseits und des 'Wesens' des Menschen andererseits zur Sprache gebracht. Starke Impulse erhielt die deutsche geschichtsphilosophische Tradition auch von Jean Jacques Rousseau, der in seinem Diskurs ber den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (1755) etwa dreiig Jahre vor Kants Skepsis gegenber einer knftigen Geschichtsentwicklung eine parallel zum gesellschaftlichen Fortschritt immer mehr wachsende Kluft zwischen zivilisatorischen und moralischen Grundlagen des menschlichen Verhaltens diagnostizierte. Kants kleinere, gesellschafts-, rechts- und geschichtsphilosophische Schriften wie Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbrgerlicher Absicht (1784), Beantwortung der Frage: Was ist Aufklrung (1784), Mutmalicher Anfang der Menschengeschichte (1786), Zum ewigen Frieden (1795), Der Streit der Fakultten (1798) wie auch seine Rezensionen von J. G. Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1785) beweisen, in welchem Mae sich der Knigsberger Philosoph, ebenso wie seine zeitgenssischen Kollegen, mit historiosophischen Themen beschftigte. Es soll hier an drei Mglichkeiten hinsichtlich einer zuknftigen Geschichtsentwicklung der Menschheit erinnert werden, welche Kant in der erwhnten Abhandlung Der Streit der Fakultten typologisch formuliert hat. Die drei Geschichtsauffassungen bringen nmlich die grundlegenden und differenzierten Reflexionen der Moderne (die auch heute noch dauert) ber sich selbst und die Geschichte, deren Bestandteil sie darstellt, auf den Punkt. Einem typisch aufklrerischen historiosophischen Optimismus wird im Prinzip ein kritisches Geschichtsverstndnis entgegengesetzt. Die optimistische, eudmonistische Vision basiert auf einem linear-progressiven Geschichtsmodell, dem zufolge die Geschichte als stndiger, positiver Fortschritt der Menschheit und als Weg zur Erreichung ihres Glcks verstanden wird. Diese optimistische Historiosophie ist dabei nicht einmal ohne die Feststellung denkbar, dass die Menschheitsgeschichte vor allem die Entwicklungsgeschichte zweier grundlegenden Achsen ist: der Vervollkommnung von Erkenntnis und Wissen mit der Verstandeskraft und der Beherrschung von Natur mit Hilfe der Technik. Eine starke Skepsis gegenber der menschlichen Zukunft ist den anderen zwei Geschichtsauffassungen immanent: Die terroristische betrachtet den geschichtlichen Prozess ebenfalls als eine, aber nun absteigende Entwicklungslinie, die wahrscheinlich mit dem Untergang der Menschheit enden wird, whrend die abderitische auf einem zyklischen, relativistischen Geschichtsmodell beruht und in der Geschichte eine ununterbrochene, absurde Kreisbewegung mehr oder weniger chaotischer Geschehnisse sieht. Es darf nicht auer Acht gelassen werden, dass die geschichtsphilosophische Problematik, auch die bei Kant formulierte, den groen deutschen Dichter Heinrich Heine beschftigte: In dem kurzen Artikel Verschiedenartige Geschichtsauffassung rekurriert er auch auf Kant und setzt sowohl der fatalistischen, auf die Vergangenheit ausgerichteten sowie der optimistischen, zukunftsorientierten Geschichtsauffassung seine eigene entgegen. Das Leben sei weder Zweck noch Mittel. Unter Berufung auf Saint-Just stellt Heine daher fest, das Leben sei ein Recht: Das Leben will dieses Recht geltend machen gegen den erstarrenden Tod, gegen die Vergangenheit, und dieses Geltendmachen ist die Revolution. Im Hinblick auf die grundlegenden geschichtsphilosophischen Fragen, die Kant typologisch beantwortet und Heine durch die Revolutionsidee radikalisiert hat, wird Leser der Trilogie mit wenigstens vier Gruppen von Antworten konfrontiert. Folgende vier Romanfiguren stehen paradigmatisch fr die verschiedenen Typen des Bewusstseins, aus denen sich auch Unterschiede in ihrem Geschichtsverstndnis ergeben: das kritische (Professor Stetten), das religise (der Rabbi von Wolyna), das unglckliche (Edi Rubin) und das revolutionre Bewusstsein (Denis Dojno Faber). Die genannte Typologie der Romangestalten wird aufgrund zweier Kriterien zusammengestellt: erstens, aufgrund des Verhltnisses dieser Romangestalten zur Kategorie von Theorie und Praxis (Aktivismus vs. Kontemplation bzw. Passivitt) und zweitens, aufgrund ihrer geistigen Position zum Absoluten (Aufklrung vs. Religion). Trotz allen ideellen Unterschieden ist diesen vier Romangestalten ein grundlegendes teleologisches bzw. ein eschatologisches Geschichtsverstndnis gemeinsam. Sie alle glauben, dass historische Ereignisse sowie der Mensch selbst einen Zweck und zwar einen Endzweck haben. Die Auffassung davon, wie man zu diesem postulierten Ziel als einem Ideal- oder Soll-Zustand gelangt und was unter dem Begriff der Geschichte berhaupt zu verstehen ist, korrespondiert jedoch mit den Vernderungen im Bewusstsein dieser Gestalten. Dieses Bewusstsein ist freilich bei keiner der Romangestalten etwas Fertiges und Starres, sondern es wird die ganze Zeit hindurch in der Konfrontation mit dem Anderen des ihr fremden Bewusstseins weiter entwickelt, indem es zuerst seine Negativitt erfhrt und somit sich selbst entfremdet wird, um danach ber die Aufhebung von Widersprchen wenn und nachdem diese durch Reflexion verinnerlicht worden sind zu sich selbst zurckzukommen. Die Rckkehr zu sich selbst bedeutet aber kein Happyend, denn die Synthese des Alten und Neuen, die diese Gestalten erfahren, bringt keine Beruhigung, und eine Art Regression in einen frheren, vielleicht als glcklich empfundenen Zustand ist infolge ihrer Identittszersplitterung berhaupt nicht mehr mglich. Dasselbe dialektische Denkmodell lsst sich genauso auf der rezeptiven Ebene des Erzhlwerks geltend machen, da sich jener im Vorwort zur Trilogie vorausgesetzte engagierte Romanleser, der wahrhaft mitwirken soll, als eine aktive kognitive und kritische Metainstanz durch die Romanschichten durchschlagen muss. Demnach soll der Leser selbst seinen eigenen Sinn des Erzhlten produzieren und dadurch den fragmentarischen Charakter des Erzhlwerks berwinden. Er hat im hermeneutischen Sinne alle Stufen der an den Romangestalten dialektisch entwickelten Phnomenologie des Bewusstseins noch einmal durchzumachen. Erst dann wird ersichtlich, dass die innere Logik dieses identittsbildenden Prozesses folgendermaen verluft: Jede Romanfigur vertritt ein bestimmtes Wertesystem und ein historiosophisches Konzept. Ihre anfngliche Identitt wird ber die Negation der Position einer anderen, ebenso ideentragenden Figur definiert. In allen Fllen ist die Erfahrung eines Verlusts im Privatleben der Figuren ein unmittelbarer Ansto zum bergang in den Widerspruch, in jenes Andere, welches die Identitt der anderen Figur konstituiert. In der Synthese wird das ursprngliche Ich berwunden, bzw. aufgehoben und damit auch bewahrt. Die solcherweise vernderte Romanfigur selbst wird zu einer wesentlichen Voraussetzung fr die dialektische Synthese bei eben jener Figur, die anfangs ihr Gegenteil verkrperte und die ihrerseits ebenfalls durch eine traumatische Erfahrung zu ihrer eigenen Synthese vorbereitet wurde. Auf diese Weise umfasst die Identitt des Romanhelden im Schlussergebniss die Brchstcke aller vier genannten Bewusstseinstypen. Zur Illustration dieses Spiels von Widersprchen knnen zwei Beispiele genommen werden. Im ersten Falle ist Edi Rubin anfangs ein solidarisch handelnder Sozialdemokrat, der die Werte seines kommunistischen Freundes Dojno Faber nicht teilt. Er wirft Dojno seine prinzipelle Bindungs- und Erbarmungslosigkeit vor, mit der er durch die revolutionre Doktrin der Welt entfremdet immer als kalter Besserwisser gegenber den Menschen, die ein Privatleben fr wichtig halten, auftritt. Edi selbst wird jedoch zu einem solchen erbarmungslosen, rachschtigen Revolutionr, nachdem er seine in ein KZ deportierte Familie verloren hat. Er versucht, unter den Mitgliedern einer polnischen jdischen Gemeinschaft den aktiven Widerstand gegen die Nazis zu organisieren. Indem er die Gewaltanwendung befrwortet, stellt er sich dem messianisch fundierten Pazifismus des Wunderrabbis entgegen. Durch Bynie, den jungen Sohn des Rabbiners, der eine Synthese der religisen und der aufgeklrten Welt, der Theorie und Praxis darstellt (indem er sich am Widerstand aktiv beteiligt, nachdem sein Vater ermordet worden ist), erlebt Rubins Identitt eine neue Transformation: Der tdlich verletzte Bynie fhrt ihn durch seine Mitleidslehre und eine kantianisch-jdisch religise Geschichtsphilosophie zu den jdischen Wurzeln und zur Idee der Humanitt zurck. Im zweiten Beispiel, das mit dem ersten in enger Verbindung steht, da der vernderte Rubin ber seinen Brief an Dojno diesen mittelbar beeinflusst, vertritt der Alt-Europer und Humanist Stetten die Domne einer kritischen Theorie und ein durchaus antiautoritres Denkprinzip. Im Widerspruch zu ihm konstituiert sich die Identitt seines Schlers Dojno, der den Weg eines marxistisch indoktrinierten, kommunistischen Aktivisten gewhlt hat. Stetten hlt konsequent an seiner kritizistischen Haltung fest, die es einem Intellektuellen verbietet, in die Welt der Praxis einzusteigen, bis zu dem Moment, als er (der bereits seinen jngeren Sohn im Krieg verloren hatte und nun von seiner Frau kritisiert und verlassen wird) einen schwer verletzten Arbeiter vor der Hinrichtung erfolglos zu retten versucht. Wenn bald auch sein zweiter Sohn ermordet wird und seine Frau stirbt, bindet er sich an seine kleine Enkelin Agnes, aber er muss auch sie verlieren: Das Kind wird von seiner nationalsozialistisch orientierten Mutter nach Deutschland weggefhrt. Die Verluste fhren immer mehr dazu, dass die eigene, in die Geschichte nicht eingreifende Position in Frage gestellt wird. Der alte Stetten versucht, die bisherige Identitt zu revidieren, indem er so wie er es in Wirklichkeit kann sich seinem Schler anschliet und dem von der GPU verfolgten Kommunisten Albert Grfte, dem ein symboltrchtiges Unrecht widerfahren ist, bei der Flucht hilft. Der auf diese Weise synthetisierte Stetten selbst wird zu einem dialektisch wirksamen Faktor in der Identittsbildung seines Schlers Dojno, den er bereits jahrelang ideologisch zu bekehren versuchte. Der Schler bernimmt nmlich nach den seinerseits erlittenen Verlusten (zuerst nach dem Verlust seines Genossen Vasso, des Inbegriffs eines authentischen Revolutionrs und Kommunisten, der durch Stalins Schergen liquidiert wurde; dann nach Stettens Tod und nach dem Tod seiner Kampfgenossen in der Djura-Brigade, den dogmatische Stalinisten herbeigefhrt haben) die ursprngliche und ihm entgegengesetzte Position Stettens, die auf einem rigorosen Kritizismus beruht und eine scharfe Grenze zwischen dem geistigen Menschen, bzw. dem Intellektuellen, und dem Aktivisten setzt. Die abschlieenden Romanpassagen lassen jedoch den Leser ahnen, dass die Dualitt von Geist und Tat mit dem offenen Romanende und einer weiterhin ungewissen Existenz des Protagonisten, der in der Zwischenzeit in seinen Krisenlagen immer mehr auf die religise Tradition seiner jdischen Vorfahren zurckgreift, nur scheinbar berbrckt wird, zumal die in der Trilogie dargestellte geschichtliche Welt, die Welt des revolutionren Handelns und damit auch das ihr entsprechende linear-progressive Geschichtsbild durch eine lange lyrische Textpassage, mit der die Trilogie abschliet, relativiert wird. Die Natur, reprsentiert durch eine idyllische, fast mythenhafte franzsische Landschaft, scheint in ihrer zyklischen, immer wieder kreisenden, organischen Daseinsweise die Geschichte als menschliches Artefakt zu dementieren, womit sie auch die Grenzen des menschlichen Erfahrungs- und Erwartungshorizonts andeutet. 4.7.2. Kritisches Bewusstsein Das kritische Bewusstsein grndet auf dem Glauben an die menschliche Freiheit und an die Autoritt der menschlichen Vernunft. Es ist ein Ausdruck permanenten Kampfes gegen Ideologien, die die gesellschaftlichen und politischen Verhltnisse bestimmen. Da es seine eigene Aufgabe darin sieht, im Namen einer philantropischen Utopie der aufgeklrten Vernunft alle berlieferten und in der gegenwrtigen Gesellschaft herrschenden Autorittsformen in ihrer scheinbaren Selbstverstndlichkeit kritisch zu berprfen, wirkt das kritische Bewusstsein subversiv gegenber dem sogenannten Zeitgeist. Es kmpft gegen eine ideologisch manipulierte, vorurteilshafte Erkenntnisbildung, die sich dann auf der gesellschaftlichen Ebene als ein falsches Wissen oder 'doxa' manifestiert. Die kritizistische Position steht immer im Konflikt mit der Gesellschaft, welche sie zum Gegenstand ihrer Kritik macht, sowie mit der eigenen Gegenwart, deren falsche Werte sie zu entlarven sucht. Sie stellt ein Ergebnis harter Arbeit an sich selbst dar, da sie ein Ausdruck von Nonkonformismus und Erkenntnis der menschlichen Mglichkeiten und Grenzen zugleich ist. Dem Kritiker geht es um die Aufklrung seiner nicht aufgeklrten Zeitgenossen im Kantschen Sinne des Aufklrungsbegriffes: Sein Leitprinzip und Ziel ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmndigkeit, d. h. der Mut, sich seines eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Der Gesellschaftskritiker ist ein Mahner, ein Warner, einer, der von seinen Zeitgenossen als provokativer Spielverderber empfunden wird, gerade weil es ihm immer auf die Wahrheit ankommt. Obwohl die konsequente Wahrheitssuche aus der Sicht des Kritikers gerade im Dienste des Humanismus steht, wird sie von den Zeitgeschichtlern als ein befremdendes, ja fast weltfremdes und verdrieendes Verhalten abgelehnt. Wrden die Fragen nur auf dem metaphysischen Gebiet errtert, wren die Erkenntnise die Wahrheit und die Irrtmer ohne praktische Konsequenzen geblieben. Da es sich jedoch um eine konkrete Gesellschaft in ihrer geschichtlichen Bestimmtheit handelt, kann das Wissen des Kritikers moralisch nicht neutral bleiben. Das kritische Bewusstsein versteht sich selbst somit als Gewissen einer moralisch zusammenbrechenden Epoche und als Verteidiger der menschlichen Wrde, die aus seiner Perspektive durch die moderne, vulgr-pragmatische Verflechtung von Ideologie und staatlicher Machtapparatur immer mehr vernichtet wird. Der Vertreter dieses Bewusstseinstypus und damit der Position der aufgeklrten Moderne ist der Wiener Philosoph und Historiker Baron Erich von Stetten. Sein Kritizismus ist der ausgeprgteste Kontrapunkt zum revolutionren Bewusstsein des eigentlichen Romanhelden, seines ehemaligen Studenten und jetzt kommunistischen Aktivisten Dojno Faber. Ein lebenslanges Schler-Lehrer-Verhltnis zeigt sich in und dank all seiner axiologischen und gnoseologischen Widersprchlichkeit als beiderseits konstruktive Wechselbeziehung im Prozess der personalen Identittsbildung. Den Ausgangspunkt ihrer diskursiven Differenz stellt das Problem des Absoluten dar, mit dem jedes menschliche Individuum in seinem zeitlich begrenzten, irdischen Dasein konfrontiert wird. Stetten ist ein Skeptiker und vertritt ein Geschichtsbild, das man nur bedingt aufklrerisch-optimistisch nennen kann. Das jahrelange Studium der Geschichte, dem er sich verpflichtet hat, lehrte ihn, dass die menschliche Natur sich durch die Geschichte nicht ndert. Die Menschen waren in ihrem Willen, die eigene Zeitlichkeit zu transzendieren und ihrem Leben einen festen Sinn zu verleihen, vor drei tausend Jahren genauso wie heute bereit, sich selbst freiwillig den Ideologen des Absoluten zu unterwerfen und ihr Leben den Idealen zu opfern. Abgesehen davon, was den Inhalt dieses Absoluten bildet Gott, Staat oder Revolution, wird das menschliche Individuum zu einem bloen Mittel objektiviert, sobald es sein eigenes Leben an das Absolute delegiert. Ein grundlegendes Problem besteht dabei nicht darin, dass man den Tod eines absoluten Wertes, z. B. den Tod Gottes, zur Sprache bringt und die entleerten Himmel nun mit einem neuen Inhalt (und sei es auch mit deren Leere) erfllt, sondern in der Tatsache, dass das menschliche Bedrfnis, das dieses Absolute berhaupt erst erzeugt, nicht abgeschafft werden kann, weil es sozusagen in die menschliche Natur selbst eingeschrieben ist: Was machen wir mit dem Bedrfnis, z. B. sich zu erniedrigen, um zu shnen und in der Shne Trost zu finden?. Obschon Stetten im Prinzip an die schpferische Freiheit des vernunftgeleiteten Menschen und seine Willensentscheidungen glaubt, rcken ihn die zitierte Frage sowie hufig verwendete Metaphern fr den Menschen und die Geschichte, die dem Bereich des Theaters entspringen, in die Nhe Dantons, welchen Bchner in seiner Bearbeitung des historischen Stoffes sagen lsst: Was ist da, was in uns lgt, hurt, stiehlt und mordet? Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!. Stettens historischer Relativismus geht somit mit einem pessimistischen anthropologischen Bild einher: Die Menschen sind zivilisierte Barbaren, die sich nur wegen der Krze ihres individuellen Lebens der Relativitt, bzw. der Nichtigkeit, ihrer grenwahnsinnig gepriesenen historischen Siege nicht bewusst sind. Das Studium der Geschichte lehrt uns dagegen, dass der Mensch, so wie er war, ist und hchstwahrscheinlich in Zukunft sein wird, dem Aufklrungsideal seiner geistigen und moralischen Mndigkeit (immer noch) nicht gewachsen ist, weil er stndig in einen primitiven, tierischen Zustand zurckfllt: Mein Amt war es, die Zusammenhnge der menschlichen Geschichte zu lehren, die Nichtigkeit oder die Gre der Menschen in ihr aufzudecken. Ich musste lernen, ehe ich lehren konnte. [...] Ich war ausgegangen, die Gre der Menschen, ihrer Gtter, Vaterlnder, Ideale zu begrnden, ich fand [...] Esel. Ich bin immer auf der Seite der Verfolgten gewesen. In den verstecktesten Falten der Geschichte habe ich sie herausgefunden und von ihrem Standpunkt aus versucht, die Vergangenheit zu interpretieren. Und ich habe nie von ihnen verlangt, dass sie besonders edel, gromtig und wenigstens in ihren Herzen ber ihre Misre erhaben sein sollten. Die Sieger sind mir immer suspekt gewesen, die Verfolger verchtlich. Aber das Verchtlichste, das ich in der Geschichte gefunden habe, waren ja doch die Verfolgten, die im Handumdrehen Verfolger wurden. Stettens Skeptizismus ist jedoch paradoxerweise von einem unbetrbten Humanismus, ja fast einer Anthropophanie durchdrungen, die seinem geduldigen Glauben an einen zwar langsamen, nach Jahrzehnten und Jahrhunderten bemessenen, aber historisch gezeitigten Fortschritt der Menschheit durch den Sieg der Vernunft entstammt. Fr den Wiener Philosophen wie auch fr Kant ist der Mensch imstande, sich ber die Natur, der er durch seine Triebe und sein gesamtes organisches Leben gehrt, dank seiner Vernuft zu erheben, und nur dies macht ihn zu einem Wesen der Freiheit. Der Freiheitsbegriff grndet auf der Erkenntnis, dass wir allein im unendlichen Chaos Natur vermgen, mehr zu sein als Gefangene von Ursachen, denn wir geben allem einen Sinn. Eben in dieser sinngebenden Komponente der menschlichen Potenzialitt, ber die der Mensch als geistiges und verantwortungsfhiges Lebewesen trotz allem Rationalittsdefizit verfgt, offenbart sich seine gttliche, poietische Kraft: Er ist das einzige Phnomen im Universum, das nicht absurd ist. Wer in dem Menschen nur sieht, was er ist, und verkennt, was er sein knnte, der kennt ihn nicht. In der Prospektivitt, die dem menschlichen Dasein in Form der bestndigen Hoffnung auf eine bessere zuknftige Welt inhrent ist, sieht der Kommunist Dojno eine Rechtfertigung fr das bewusste revolutionre Eingreifen in den geschichtlichen Prozess, durch das ein diesseitiges Paradies in der konkreten historischen Zeit zu verwirklichen ist. Im Gegensatz dazu sind Stettens Erwartungen bescheidener und natrlich realistischer, gerade deshalb weil der kritische Historiker eine planetarische Optik entwickelt hat, die vor dem Hintergrund entideologisierter Geschichtskenntnisse auf jegliches Absolute verzichtet und sich mit winzigen Schritten der Menschheit in ihrem langsamen geschichtlichen Werdegang zufrieden gibt, sollten diese tatschlich einen langfristig relevanten Fortschritt bedeuten. Fr Stettens Lebensentwurf ist dessen grundlegende Unterscheidung von Theorie und Praxis, bzw. des geistigen von dem handelnden Menschen, entscheidend. Der Intellektuelle oder der geistige Mensch, zu dem er sich konsequent bekennt, hat die Aktion anderen zu berlassen und nur dort einzugreifen, wo es gilt, bestimmte Taten zu verhindern oder anzuklagen, und wenn die moralische oder geistige Not zu einer allgemeinen Gefahr zu werden droht. Sonst absolut nicht. Ohne expliziten Bezug zu Kant, aber im Einklang damit, was unter Kants Forderung nach dem ffentlichen Gebrauch der Vernunft zu verstehen ist, hat der Intellektuelle nach Stettens Meinung durch seinen beharrlichen Wahrheitssinn und durch seine Parteilosigkeit die moralische Autoritt der Gesellschaft zu verkrpern. In seiner ffentlichen Rolle erinnert Stetten selbst an Emile Zola (und dessen berhmtes Ich klage an!) sowie an Karl Kraus. Der Wiener Schriftsteller, der von vielen Zeitgenossen als das Gewissen empfunden wurde, erscheint nmlich ebenso wie Stetten darin konsequent, dass er seine Meinung der ffentlichen Meinung entgegensetzt. Sein Kampf gegen die wachsende Sprachlosigkeit der eigenen Epoche, die Verlogenheit der Presse, bzw. die Machenschaften der Wiener Journalisten und Polizei, seine Kritik an den zeitgenssischen politischen Entwicklungstendenzen (sowohl im rechten als auch im linken Lager) sowie seine Warnungen vor einer dadurch immer mehr drohenden Entmenschlichung und dem selbstzerstrerischen Potenzial des modernen, zivilisierten Menschen entsprechen in ihrem Beweggrund der gesellschaftskritischen Position Stettens. Durch hufige Rckverweisungen und meistens durch eine personale Erzhlhaltung (am deutlichsten durch die Perspektive Stettens selbst, seiner Frau, seines ehemaligen Studenten Dojno, des Prlaten Graber und des Historikers Werl) wird der zum Zeitpunkt der erzhlten Fabel 62jhrige Professor als permanenter konservativer Revolutionr dargestellt, der immer gegen das war, woran gerade die Zeit sich besoff, um sich sodann als die groe gerieren zu knnen, wie er sagte. Nach dem Tod seines jngeren Sohnes an der Kriegsfront hat sich der schonungslose Gesellschaftskritiker allmhlich ins Privarleben zurckgezogen, doch hatte es eine Zeit gegeben, da fast jedes seiner Worte, ffentlich gesprochen, auch dann skandalisierte, wenn es harmlos und nur als Vorspann oder als nachtrgliche Rechtfertigung einer Herausforderung geuert worden war. Der Skandal war tatschlich ffentlich geworden, als Stetten mit seiner kriegs- und preuenfeindlichen Stellung das sterreichische Kaiserhaus angegriffen hatte. Nun wirft ihm Dojno, dann auch Frau Stetten vor, er sei ein Versager, denn er habe immer alles kritisiert, aber nichts getan, die kritisierten Lebensumstnde zu verndern. Das Etikett einer kompromisslerischen Lebenshaltung lehnt Stetten aber kategorisch ab. Ihm liege es nicht daran, die Welt zu verndern (denn dies sei ja auch nicht mglich), sondern sie in ihrer Verrcktheit zurechtzuweisen und ein echtes historisches Bewusstsein zu bewahren, das mit dem Prinzip der Wahrhaftigkeit korreliert: Htte er sich bei dem Kaiserhaus ffentlich entschuldigt und die habsburgische Politik seitdem patriotisch untersttzt, htte er den Sohn, um den er seitdem trauert, vor dem Tod retten knnen. Trotzdem habe er es aus Angst vor Selbstverachtung resmiert der Alt-Europer nicht ber sich gebracht, jene drei Stze zurckzunehmen, in denen ich die Habsburger vor dem Krieg und vor der Freundschaft mit den eroberungsschtigen brandenburgischen Parvens gewarnt hatte. Ich hatte Angst vor Selbstverachtung, ich blieb meinem einzigen Gesetz, der Wahrhaftigkeit, treu. Ich hab die Stze stehen lassen. Und ich starb mit meinem Ehrhard einen Tod so voller Pein, dass der eigene doch nur wie eine sanfte Ahnung von Leid wird sein knnen. Der kritizistischen Position Stettens liegt das Prinzip der moralischen Integritt zugrunde, mit dem sich der Intellektuelle in den Dienst einer allgemeinen Verteidigung der menschlichen Wrde zu stellen hat. Deswegen liegt es dem Professor, der sich nach dem Tod des Sohnes an Dojno, damals einen begabten, scharfsinnigen 16jhrigen Machtkritiker, band, die ganze Zeit hindurch an dessen Bekehrung. Der liebe Dion (wie der Professor seinen Jnger nennt, immer wenn dieser zu einem echten, produktiven Dialog als Wahrheitssuche willig ist) bewege sich jahrelang trotz seiner Wahrhaftigkeit auf einem Irrweg, indem er die Dualitt von Tat und Geist durch die kommunistische Praxis zu berwinden suche und an der Vision einer schnellen und tiefgrndigen Weltvernderung festhielte. Stetten hat begriffen, dass die Macht notwendigerweise jenen korrumpiert und zur Erniedrigung zwingt, der sie gebraucht, und das wirft er immer wieder dem parteitreuen Kommunisten Dojno vor: Sie haben sich mit der Macht verschwgert, mit dem schlimmsten aller Pbel, dem herrschenden. Obwohl Sperber in seiner Autobiographie nur einmal, im Kontext seiner Schweizer Exiljahre, explizit Jacob Burckhardt erwhnt, ohne dabei dessen Geschichtsauffassungen in eine konkrete Beziehung zu seiner Trilogie zu setzen, weist Stettens wissenschaftliche Laufbahn, wie Claudia Sternberg zu Recht bemerkt, gewisse hnlichkeiten mit dem Leben des Basler Geschichts- und Kunstgeschichtsprofessors auf. Die scharfsinnige Macht- und Revolutionskritik des Wiener Geschichtsprofessors Stetten sowie seine Forderung nach einem echten historischen Bewusstsein korrelieren ebenfalls mit Burckhardts Weltgeschichtlichen Betrachtungen (1905), die er in seinem von 1868 bis 1872 dreimal abgehaltenen Kolleg ber Studium der Geschichte vorgetragen hat. Stettens Habilitationsschrift sowie einige kleinere Arbeiten waren allesamt der Untersuchung der mittelalterlichen Wirtschaft und ihrer Entwicklung, vor allem in Flandern, in der Provence und in Norditalien, gewidmet, was an Burckhardts wissenschaftliche Interessen fr das Mittelalter und die Renaissance in Italien erinnert. Stetten war auerdem gleich wie Buckhardt bereist und europisch-humanistisch gebildet. Sogar seine kritische Stellungnahme zur rezenten sterreichischen Politik lsst sich gewissermaen mit Burchkardts umstrittenen Artikeln zur angespannten innenpolitischen Lage der Schweiz in den revolutionren 40er Jahren des 19. Jahrhunderts vergleichen, die er als politischer Redakteur bei der konservativen Basler Zeitung verffentlicht hatte. Natrlich ist die Sperbersche Romanfigur eine Synthese mehrerer historischer Vorlagen. Davon zeugen insbesondere jene Textpassagen, die implizit aber eindeutig auf Kants Freiheits- und Aufklrungsbegriff sowie an dessen utopisches Konzept des ewigen Friedens in einer weltbrgerlichen Gesellschaft als eschatologisches Ziel der Menschheitsgeschichte hinweisen. Der Glaube an einen gemigten, durch Perioden des Rckschritts unterbrochenen Fortschritt durch die allmhlich wachsende Herrschaft der menschlichen Vernunft sowie die Vehemenz, mit der Stetten unter anderem dogmatische Religionen und politische Kriege als wichtige Hindernisse des historischen Fortschritts angreift, bringen ihn auch in die Nhe Voltaires, der fr die humane Zivilisation gegen die Barbarei eintrat, obgleich er den aufklrerischen Enthusiasmus eines Condorcets nicht teilte. Eine Art Distanz des Romanautors von der These, Burckhardt habe fr die Figur Stettens Modell gestanden, lsst sich aus den Romanpassagen erkennen, die sich auf die Streitgesprche zwischen Stetten und seinem franzsischen Fachkollegen Werl beziehen. Werl wird zu jenem Sprachrohr, mit dem Parallelen und Unterschiede zu Burckhardt zugleich zur Sprache gebracht werden. Werl versucht, sie Dojno zu erklren: Frher war alles klar bei Stetten, manchmal fast zu klar, nun trbt sich alles bei ihm. Zum Beispiel wollen Sie mir sagen, was ihn Paul von Samostata angeht? Erstens hat er sich nie mit dem dritten Jahrhundert befasst, zweitens berhren sich seine leider zu zahlreichen Spezialgebiete berhaupt nicht mit der Geschichte des Christentums, drittens [...] [...] Er hat ein ganzes System zur Verteidigung dieses mit Spott und Schande vertriebenen Patriarchen von Antiochia aufgestellt, einen Helden hat er aus ihm gemacht, eine berlebensgroe Figur. Er spricht von Trotzkismus und Stalinismus im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen der Kirchen und Sekten im dritten und vierten Jahrhundert, behauptet, dass sich eine Sintflut von Verleumdungen ber alle wahren Christen ergossen hat [...]. Was hat irgendein Trotzki mit jenem Priester von Antiochia zu tun und, andererseits, was ein Spezialist des 15. und 16. Jahrhunderts mit der Kirchengeschichte des dritten Jahrhunderts? [...] Aus dem zitierten Textteil lsst sich schlieen, dass die beiden Historiker Spezialisten fr die Renaissance waren und die Geschichte der vergangenen Epochen berhaupt studierten, um dadurch einen Mastab fr die Beurteilung des gegenwrtigen Geschehens zu gewinnen. Im Gegensatz zu Stetten hat sich der Basler Historiker, wie bekannt ist, in Wirklichkeit auch mit der Geschichte des Christentums beschftigt, hat in den ersten Christen sogar ein Vorbild moralischer Kraft gesehen, welche in Form der Askese, als Selbstverzicht und Selbstdisziplin, als einzige sich dem verfallenden Zeitgeist seines erwrbsorientierten Zeitalters entgegensetzen knnte. Genauso wie Burchhardt jeden Versuch verworfen hat, aufgrund seiner weltgeschichtlichen Betrachtungen einerseits ein geschichtsphilosophisches System auszubauen, andererseits geschichtstheologisch zu argumentieren, ging Stetten vor, der lter werdend, sich von der Geschichte als einer systematischen Darstellung von Ereignissen abwandte und immer mehr den Sinn, vielleicht gar das Gesetz der Geschichte in der Entwicklung der gesellschaftlichen Zustnde zu suchen begann. Stetten weist nicht nur auf die logische Unhaltbarkeit geschichtsphilosophischer Systeme (wie etwa jenes von Hegel) auf, sondern kritisiert auch indirekt die Junghegelianer und Marxisten, indem er Dojno ironisch den Unterschied zwischen Wolf, seinem Hund, und dem Menschen erlutert: Er hat es auch leicht, klger als wir zu sein. Er ist von Natur aus unfhig, jene Dummheiten zu machen, die nur kluge Menschen begehen, z. B. sich fr das Subjekt der Geschichte zu nehmen, weil sie sich instand gesetzt haben, ber sich als Objekt des Geschehens nachzudenken. Habe ich Ihnen nicht schon einmal gesagt, dass Hegel der klgste Dummkopf der Weltgeschichte gewesen ist und dass die ihm gefolgt sind, ihn nur in seiner Dummheit bertroffen, doch nicht in seiner Klugheit erreicht haben. Die ihm kritisch folgten, sagten: Hegel hatte Illusionen, wir haben keine mehr. Nun, um diese Illusion sind Sie reicher als Hegel, mein guter Freund! Burckhardt und Stetten predigen entschieden die Religion des guten Gedchtnisses, das echte historische Bewusstsein, dem sich die Vergangenheit, zwar dunkel in Einzelheiten, doch bersichtlich in ihrem Strom darbietet, da es ihnen an der Bewahrung der geschichtlichen Kontinuitt lag, die die Tradition schafft und zugleich von ihr befreit. Der rapide Traditionsverfall im Zeitalter der Revolutionen, bzw. der historischen Krisen, die seit der Franzsischen Revolution den europischen Geist zerstren, ist der Hintergrund, vor dem die beiden Historiker die Geschichte studieren. Fr den Mahner und Erinnerer Stetten ist der Fortbestand des Unglcks wie der Bestand von Moloch-Nationen, -Vaterlndern und -Idealen in der Vergesslichkeit des Menschen begrndet. In seiner historischen Perspektive kommen auch die zeitgenssischen Revolutionre zu frh, denn die Welt sei furchtbar jung. Htten sie ihre eigene Geschichte studiert, dann htten sie erkannt, dass die Misre der menschlichen Lebensverhltnisse noch nie durch eine Revolution abgeschafft wurde, dass auch ihr eigenes gewaltttiges Eingreifen in die Geschichte nur einen Zwischenakt darstellt und dass man an der Realitt gar nichts ndert. Um die negative Dialektik als Gesetz der Geschichte hervorzuheben, deren relative Bedeutung der Mensch, insbesondere ein Revolutionr, verkennt, benutzt Stetten oft die Metapher des Spiels, des Roulettspiels sowie der Operette. Welche Rolle hat fr den alten Ironiker ein konkreter Mensch in dem historischen Prozess, den er sogar durch sein Handeln zu lenken glaubt? Der Mensch sei da einer machtlosen Marionette hnlich, und die menschliche Geschichte gleiche einem Puppentheater oder einem Vaudeville: Der sogenannte Sieg schafft neue Umstnde, die ihn konsumieren. Der Hhepunkt jeder Revolution ist erreicht, ehe sie gesiegt hat ihr Sieg aber ist bereits der Beginn der Konterrevolution [...]. Nur die Krze des individuellen Lebens macht aus, dass gewisse Leute als Sieger in die Geschichte eingegangen sind: Sie haben die Umwandlung ihres Sieges in eine Niederlage nicht mehr erlebt. Ja, wre die Geschichte ein Roulettspiel und Sie durften aufstehen, sobald Sie gewonnen haban aber, mein lieber Junge, Sie mssen weiterspielen, bis Sie verlieren. Hat Alexander, hat Csar, hat Napoleon gesiegt? Hat Moses, Jesus oder Mohammed gesiegt? Hat Cromwell, Danton oder Robespierre gesiegt? Allons, mon entfant, geben Sie es doch zu: Es gibt keine Siege. Ihr glaubt wohl, mit euch fange etwas Neues an, und ihr seid stolz, sagen zu drfen, ihr seid dabei. Aber nichts Neues fngt mit euch an, nichts endet mich euch, ihr seid mittendrin in einem alten Spiel und ihr kennt es nicht. [...] Wie gesagt, ein altes Spiel, die machtgierigen Dummkpfe werden nicht mde, es zu spielen. Wir sind mitten in einer Operette, Operetten kndigen immer vernichtende Niederlagen an. Glauben Sie es einem alten Wiener. Fr ihn wie fr Burckhardt ist es daher notwendig, dass sich jede Generation durch erneutes Bemhen um Aneignung und Auslegung immer wieder ihre eigene Vergangenheit ins Gedchtnis zurckruft, um sie nicht zu vergessen und die Substanz ihres geschichtlichen Lebens zu verlieren. Die eigene Tradition muss nmlich bewahrt werden gegen revolutionre Tendenzen, die sich selbst fast immer als radikaler Gegensatz zum Ancien Rgime verstehen und in der barbarischen Zerstrung aller bisherigen kulturellen Errungenschaften mnden. Sowohl Stetten als auch Burckhardt interessiert ausschlielich der Mensch, so wie er sich mit seiner eigentlich unvernderlichen Natur in der Geschichte konkretisiert: der duldende, strebende und handelnde Mensch, wie er ist und immer war und sein wird. Die drei menschlichen Grundeigenschaften (Kreativitt, Machtstreben und metaphysisches Bedrfnis) stellen bei Burckhardt auf der gesellschaftlichen Ebene ein historisches Potenzial dar, dessen Erscheinungsmodi in der menschlichen Geschichte Kultur, Staat und Religion sind. Die beiden Historiker haben eingesehen, dass die staatliche Macht mit ihrem ideologischen und militrischen Apparat die kulturelle Entwicklung genauso hemmt und bedroht, wie radikale politische Lehren dem modernen Menschen als Ersatzreligionen dienen. Stetten vertritt die Burckhardsche Macht- und Revolutionskritik und enthllt gleichzeitig die ganze bisherige Historiographie als einen Flschungsbetrieb, der irrefhrende und das falsche Bewusstsein noch mehr krftigende Legenden und Mythen produziert, denn die Religion sei nicht das einzige Betubungsmittel: Es gibt auch anderes, zum Beispiel den Heroismus, diese grandioseste Dummheit, diesen pathetischen Betrug, fr den man mordet, diesen ekelhaften Selbstbetrug, fr den man blde stirbt. Die Geschichte der Macht enthllt er daher als die Geschichte der missbrauchten und verratenen Idee. Vor dem Hintergrund des Revolutionsdramas Dantons Tod von Georg Bchner (1835) (bzw. der historischen Zitate, die Bchner selbst der Literatur zur Franzsischen Revolution entnommen hat) macht Sperber seinen Stetten zum Sprachrohr der Erkenntnis des Geschichtspessimisten Danton, die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder. Durch das Studium der Geschichte belehrt, die damit fr Stetten ihren praktischen, ja historischen Nutzen fr das Leben bewies, vertritt Stetten ein Weisenideal und erscheint sogar als einer, der in seiner Weisheit sich als trefflicher Diagnostiker und Prognostiker der gegenwrtigen Geschichtsentwicklung besttigt. Seine Gedanken ber die Rolle der Intellektuellen in der Politik, bzw. in der Revolution, und ber die genuin negativ dialektische Macht der Geschichte als Abfolge von Morden und Gewalttaten, die der Leser in Stettens Testament gegen den Romanschluss findet, stellen eine ideele und inhaltliche Rckverweisung auf das ganze in der Trilogie vorher erzhlte politische Geschehen dar und bringen Stettens eigene, evolutionre Geschichtsauffassung zur Sprache: D. und seinesgleichen bilden eine neue, tugendhafte und intelligente Aristokratie. Sie wird nie zur Macht kommen, Got sei Dank, aber helfen, eine tyrannische Oligarchie in den Settel zu heben. [...] Das erste Opfer der Revolution ist die Theorie, auf die sich ihre Fhrer berufen. Die nchsten Opfer sind die Fhrer selbst, soweit sie Theoretiker sind. Fortschreitend wird die Praxis sie verraten und deshalb als Verrter brandmarken. Dialektik des Verrats Verrat der Dialektik. In ihrem preuischen Himmel mgen Hegel und Marx einander mit diesen Wortspielen amsieren, die auf der Erde mit Blut bezahlt werden. D. sieht nicht, dass die einzig wahre Revolution bisher die industrielle Revolution gewesen ist, die, obschon hundert Jahre alt, noch in ihren Anfngen steckt. Mit ihr verglichen sind alle Revolutionen Strme im Wasserglas gewesen. [...] Die arrogante Ungeduld des Revolutionrs: in seiner Lebenszeit soll sich alles entscheiden. Warum? Wer die Menschheit nicht mit der liebevollsten Geduld betrachtet, hat nichts von ihr verstanden und wird wahrscheinlich ihr Feind werden, gerade weil er darauf aus ist, sie mit einem Ruck zu erlsen. Die Geschichte ist also ein Theater, auf dessen welthistorischer Bhne nur Kostme periodisch wechseln, whrend sich das absurde Spiel immer wieder kreisfrmig widerholt. Stettens berzeugung davon, dass man durch revolutionres Handeln nichts ndert, deckt sich im Prinzip mit Kants Historiosophie in Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbrgerlicher Absicht. Kant geht nmlich davon aus, dass jene Naturbegabungen im Menschen, die auf den Gebrauch der Vernunft ausgerichtet sind, nur in der Spezies Mensch und nicht auf der philogenetischen Ebene vollstndig entwickelt werden knnen. Zu diesen Begabungen gehrt das menschliche Potenzial an Kultur und Sittlichkeit, aber es sind unzhlige Generationen, ja auch zahlreiche fehlerhafte Entwicklungsversuche notwendig, damit ein wahrer historischer Fortschritt erreicht wird. Diesen Fortschritt misst auch Stetten nach dem Grad einer generationenbergreifenden Agglomeration des menschlichen Wissens und des moralischen Bewusstseins. Die berzeugung davon, dass das Leben nicht dramatisch, sondern episch ist, dass die Menschen nicht in Ereignissen, sondern in Zustnden leben, dass die Zeugung schneller als der Tod ist, lsst erkennen, was Stetten unter seiner planetarischen Optik versteht: Mrderische Kriege, Epidemien, Revolutionen ndern nichts daran, sind im Grunde unwichtig. Wichtig sind Erfindungen, die die Technik des alltglichen Lebens verndern, es dauerhaft erleichtern. In diesem Sinne entspricht Stettens Begriff der permanenten technischen Revolution inhaltlich dem Kulturbegriff bei Burckhardt. Genauso wie Kant erblickt er trotz all dem geschichtlichen Absurdum, das sich seinem weisen historiographischen Auge durch immer neue, immer schon gesehene Kriege und Revolutionen offenbart, eine gewisse Zweckmigkeit in der Geschichte der Menschheit. Man drfte mit Rekurs auf Kant in der Schrift Der Streit der Fakultten behaupten, der Mensch sei der Zweck der vernunftgeleiteten Natur, deren Vernnftigkeit sich paradoxerweise in einer ungeselligen Geselligkeit der Menschen, in einem naturhaften Antagonismus, ausdrckt. Dunkle Episoden wie Kriege und Naturkatastrophen knnen nach Kant und Stetten das stndige, obgleich immer wieder unterbrochene Fortschreiten der Menschheit in ihrer zivilisatorischen, geistigen und moralischen Bestimmung nicht aufhalten, denn obwohl der Krieg einerseits etwas Absurdes ist, so hat er doch den historischen Sinn, die Menschen immer mehr aus der Lokalgeschichte hinaus in die Provinzial-, Regional-, National- und schlielich in die Weltgeschichte zu treiben. In den Schlussbemerkungen seiner Schrift Mutmalicher Anfang der Menschengeschichte erklrt Kant den Krieg zu einem Motor der geschichtlichen Entwicklung, zu einem leider auch weiterhin erforderlichen Mittel zur Frderung der Kultur, solange diese nicht optimal verwirklicht wird und so die Grundlage fr einen ewigen Frieden schafft: Auf der Stufe der Kultur also, worauf das menschliche Geschlecht noch steht, ist der Krieg ein unentbehrliches Mittel, diese noch weiter zu bringen; und nur nach einer (Gott weiss wann) vollendeten Kultur wrde ein immerwhrender Friede fr uns heilsam und auch durch jene allein mglich sein. Vor dem Hintergrund dieser geschichtsphilosophischen Betrachtungen lsst sich schlieen, dass Stettens historiosophisches Konzept doch teleologisch, bzw. eschatologisch, orientiert ist. Im Mittelpunkt sowohl seiner als auch Kants Geschichtsauffassung steht ein wahrer Weltfriede als Zweck und Ziel der Geschichte der Menschheit. Ein Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit im Sinne des Hegelschen Begriffs der Weltgeschichte, gesichert durch das praktische Handeln der Menschen nach dem Kantschen kategorischen Imperativ, ist eine Voraussetzung dafr. Darum geht es dem kritischen Bewusstsein um die Frderung der Autonomie der menschlichen Vernunft, des Denkens und des Handelns im Einklang mit der Vernunft, durch die der Mensch berhaupt ein freies Wesen ist. Alles, was der Mensch fr seine Mndigkeit braucht, befindet sich schon in ihm selbst. Stettens Meinung nach verbrgt die technische und kulturelle Entwicklung ein Wachstum der menschlichen Freiheit, da sie die Krfte der menschlichen Vernunft weiter entfaltet. Jeden anderen Revolutionsbegriff lehnt er als nichtig ab. Wie Kant vor ihm, hat auch Stetten begriffen, dass man durch Revolutionen zwar despotische Regimes zur Strecke bringen, aber nie eine wahre Reform der menschlichen Denkweise durchfhren kann. Die wahre Revolution entstammt nmlich dem menschlichen Denken selbst, und dieses ist immer noch nicht von Vorurteilen und Legenden frei. Daher betrachtet er die Evolution menschlicher Krfte als einzige sinnvolle Orientierung fr die Menschen in ihrem geschichtlichen Reifungsprozess. Nur dadurch knnte sich das menschliche Geschlecht dem Endziel der Geschichte nhern, und dieses sei die Einigung des Planeten in Form einer liberalen weltbrgerlichen Ordnung im Zustand eines wahren Friedens. Die wahre revolutionre Idee, die er meint, solle zur menschlichen Institution, das ist zur Macht aller, das ist zur Machtlosigkeit aller Institutionen fhren. Von seinen Zeitgenossen immer wieder als Epigone des 19. Jahrhunderts verlacht, ist sich Stetten, als Sinnbild des Liberalismus, des hohen Preises fr seinen einzelgngerischen Kampf um die menschliche Wrde durch die Religion des guten Gedchtnisses durchaus bewusst, denn niemand ist so einsam wie der Mensch, der es ablehnt, zu vergessen. Wer vielen Zeiten angehrt, ist niemandem Zeitgenosse. Die historische Nutzlosigkeit seines eigenen Tuns sowie des antifaschistischen Aktivismus seines Schlers entspricht zwar dem historisch-relativistischen Blick des kritischen Skeptikers, dem nach alle Bemhungen so gestaltlos wie eine Trne im Ozean der geschichtlichen Ereignisse verschwinden werden, aber sie knnen einen Sinn bekommen, wenn man dadurch der Niederlage die Verchtlichkeit nhme. Indem der Professor an den moralischen Werten festhlt, die seine Epoche ironisch verwirft, tritt auch er wie die revolutionren Romangestalten, die er kritisiert bewusst als ein moderner Don Quijote in einer prosaischen Zeit auf: Erich von Stetten ist ein edler Ritter gewesen. Deshalb hat er nie einen Panzer getragen. Er wollte verwundbar sein, jedes Leid wollte er leiden, damit ihm nichts von dem entginge, was Menschen zusten knnte. Das kritische Bewusstsein, reprsentiert durch die Gestalt des Wiener Philosophen und Historikers, versteht sich selbst also als Warner und Erinnerer, der durch seine Wahrheitsliebe die zeitgenssische Gesellschaft aufklren will und ihr damit zum Mndigwerden verhelfen. In der Macht sieht dieses Bewusstsein das Bse, das trotz menschlichen Bemhungen, motiviert von edlen Ideen wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, bse bleibt. Es entwickelt eine Utopie der aufgeklrten Vernunft als Idealzustand und eschatologisches Ziel der Geschichte, nach dem die Menschheit immer mehr streben soll. Das Ideal des Weisen, das der Gesellschaftskritiker Stetten verkrpert und proklamiert, grndet auf der Erkenntnis, die dem weisen Menschen eine ironische Distanz zum Geschehen und zu sich selbst ermglicht: Wenn man schon nichts Wesentliches in der Welt der Geschichte verndern kann, wenn alle Versuche, die Misre abzuschaffen und die menschliche Lage zu verbessern, in der absurden, ewigen Wiederkehr des geschichtlich Gleichen nichtig enden, und alle Idealisten Don Quijotes in einer immer prosaischeren Wirklichkeit sind, dann kann man wenigstens mit Stil und lachend untergehen: Wenn man den pathetischen Dummkpfen den Geschmack fr die Tragdie nehmen knnte, wrden sie vielleicht endlich begreifen, dass es die Gre der mittellndischen Kultur ist, die Menschen auf die Hhe der Komdie erhoben zu haben. Das einzige Mittel, die ngstigenden Gtter zu vertreiben, ist, sie auszulachen. Dies ist die Antwort eines Weisen (die auch Harry Haller in Hesses Der Steppenwolf angeboten wird) auf die geschichtliche Absurditt. Sie ist zugleich die Bekenntnis dieses Weisen zur europischen Kultur, zur schpferischen Dimension des menschlichen Daseins schlechthin, die Stettens anthropologische und historiosophische Auffassungen trotz seiner Verachtung fr die Philosophie des Machtwillens Nietzsches (der gerade Burckhardt als unseren groen, sogar grten Lehrer gelobt hat) so doch in die Nhe zu dessen sthetizistisch fundierten Vitalismus bringt. 4.7.3. Religises Bewusstsein Die Darstellung des religisen Bewusstseins in der Trilogie hat mindestens zwei wichtige Aufgaben: In Milieuschilderungen, die von einer Religion stark geprgt sind, dient sie als Mittel zur Schilderung der jeweligen Volksmentalitt (katholische Kroaten und Polen, orthodoxe Serben, polnische Juden). Das religise Bewusstsein steht dabei immer im Zusammenhang mit Sperbers Theorie der Tyrannei. Die Eigenschaften des Volkes, des sogenannten kleinen Menschen, sind unabhngig von der Nationalitt geistige und politische Unmndigkeit, politisch-ideologische Gleichgltigkeit und Unterwrfigkeit, mentale Unselbstndigkeit, Aberglaube, Vorurteilshaftigkeit und ein fatalistisches Geschichtsverstndnis all dies unter dem opiatischen Einfluss der Religion auf das Volk, was auf der politischen Ebene mit einer autoritren Herrschaftsordnung einhergeht. Andererseits fungiert dieser Bewusstseintypus als ein Faktor, ber den sich negativ dialektisch sowohl das kritische als auch das revolutionre Bewusstsein definieren, ohne dass sie dabei den religisen Jargon ihrer eigenen Argumentationsweise vermeiden knnen. Whrend die Partei und die Kirche fr den Kritiker gleichermaen politisch-ideologische Institutionen sind, die ihre ursprnglichen Ideen pervertieren und damit das Volk verfhren, proklamiert das revolutionre Bewusstsein sein ideologisches Freisein von theologischen Mythen von einem knftigen, jenseitigen Paradies und setzt diesem sein Konzept der politischen Eschatologie (bzw. des skularisierten Messianismus), das Konzept eines diesseits und in der Gegenwart zu verwirklichenden Heilsgeschehens fr die Menschen entgegen. Im dritten Buch der Romantrilogie befindet sich die Geschichte wie eine Trne im Ozean, nach der das gesamte Erzhlwerk betitelt ist. Die jdische Erzhlung, wie sie Sperbers Freund Andr Malraux in seinem Vorwort zum Buch genannt hat, wurde unter der gleichnamigen berschrift bereits 1952 als Einzelwerk verffentlicht. Beschrieben wird das Leben der Ostjuden im jdischen Stdtchen Wolyna, das zum Zeitpunkt der erzhlten Ereignisse, nach zahlreichen Kriegen und Fremdherrschern, unter der politisch-militrischen Herrschaft Polens steht. Die lange und ungeschriebene Geschichte des Stettl hat im Leben der hiesigen Bevlkerung Spuren von Kriegen, Aufstnden, Pogromen, Epidemien, vernichtenden Brnden hinterlassen, so dass die omniprsente Macht des Todes auf Schritt und Tritt zu spren ist. Und trotz all dem scheint der durch die grenzenlose Not gekennzeichnete Alltag dieses Stdtchens von einer mystischen, lebensbejahenden Kraft vorangetrieben zu werden. Die armen Chassiden von Wolyna, die als Teppichweber und Geigenspieler um ihre Existenz kmpfen, glauben nmlich, dass es in allen Dingen, Geschehnissen und Verhltnissen auer der offenbaren eine geheime Bedeutung, die wahrhafte [gibt]. Sie wird dem fassbar, der die Zeichen zu entdecken und zu deuten versteht. Die sonderbare chassidische Welt dieser Juden, in welcher der geheime Sinn eines jeden Ereignisses, wie auch der Geschichte selbst, kabbalistisch gedeutet und hinterfragt wird, reprsentiert am deutlichsten die Figur des Wolynaer Wunderrabbis. Der Rabbiner, von den eigenen Glaubensgenossen auch Zaddik oder ein Gerechter genannt, gilt nicht nur als guter Kenner der jdischen Religionstradition, sondern auch als moralische Instanz, die die Richtlinien fr das praktische Verhalten der Gemeinschaft in Konfliktsituationen festlegt. Die Handlung der Erzhlung setzt mit der pltzlichen Ankunft eines Fremden im Stdtchen an. Der Fremde, namens Edi Rubin, ist ein unglubiger, assimilierter Wiener Jude, ein Freund des kommunistischen Revolutionrs Dojno Faber, der auf der Suche nach seiner in ein Konzentrationslager deportierten und inzwischen ermordeten Familie zufllig zu den Wolynaer Juden gelangt. Der rachschtige Rubin versucht, den Rabbiner und die dortigen Juden zum aktiven Widerstand gegen die Nationalsozialisten und ihre einheimischen Helfer zu bewegen, von denen nun auch das ostjdische Stdtchen ernstlich bedroht ist. In Form eines Disputs zwischen dem Zaddik, seinem 16jhrigen Sohn Bynie und dem Fremden wird die Suche nach dem Sinn des Lebens und der Geschichte problematisiert, wobei zu beachten ist, dass einerseits gerade dieser Sinn (und nicht das Gute) wie es bereits Malraux in seinem Vorwort zu Sperbers Erzhlung Wolyna hervorgehoben hat den Gegensatz zum Bsen bildet und dass andererseits der Wert der hier von den Romanfiguren gestellten Fragen nicht in ihrer Formel, sondern in ihrer poetischen Kraft liegt. Die kleine chassidische Gemeinschaft inmitten einer judenfeindlichen Umgebung, die mit Ausrottungsaktionen droht, weist eine vllig anachronistische und gewissermaen utopische Dimension ihrer kollektiven Daseinsweise auf. Ihre spirituelle Kraft reprsentiert der Rabbiner, der hnlich wie Professor Stetten auf das Handeln verzichtet. Da sich jedoch seine geistige Position zum Absoluten aus seinem spezifisch jdischen Religionsverstndnis ableitet (und nicht auf einer anthropo- und logozentrischen Philosophie im Geiste des Aufklrers Stetten basiert), verkrpert er einen ganz besonderen Bewusstseinstypus innerhalb der Phnomenologie des historischen Bewusstseins, wie Pierre Bouretz die Romantrilogie Sperbers nannte: Es handle sich dabei um das genuin jdische Geschichtsdenken, das die Gegenwart im Lichte der Vergangenheit verstehe und doch zugleich in der stndigen Hoffnung auf die endzeitliche Erlsung durch den Messias begrndet sei. Die Verfolgungsgeschichte des jdischen Volkes ist nmlich der Mastab, der von dem Rabbiner und seiner Religionsgemeinschaft bei der Beurteilung der Geschichtsverlufe verwendet wird. Das Leben in der Diaspora tritt in der kollektiven Erinnerung der Juden als fortgesetzte Wiederholung der Josephsgeschichte zutage und stellt damit eine historische Konstante dar. Die zerstreute Daseinsweise in der geschichtlichen Welt korreliert dabei mit einem starken Gefhl der inneren Verbundenheit, die aus dem kollektiven Bewusstsein von der Zugehrigkeit zu einer Religions- und Schicksalsgemeinschaft hervorgeht und als kollektive Erinnerung generationenbergreifend berliefert wird. Eine fast mythische Kohsion dieser Gemeinschaft wird von dem tiefsten Gefhl der Gebundenheit an die Kontinuitt der jdischen Tradition, der vor allem das Festhalten am Messianismus immanent ist, immer wieder bekrftigt. Die wahre Geschichte hat sich frs jdische Geschichtsdenken bereits abgespielt. Deren niedergeschriebene Form, die Historie also, findet man in den Texten der Heiligen Schrift, der Thora, whrend alle spteren geschichtlichen Ereignisse als bloe uerungsformen oder variierte Erscheinungsmodi der geschichtlichen Substanz aus dem Alten Testament angesehen werden. Das theologisch-hermeneutische Verfahren des Rabbiners ist ebenso motiviert wie Stettens Studium der Geschichte: Es geht darum, unter vielfltigen Kopien des originellen historischen Substrats, die sich ebenfalls unter der Maske der Zeitgeschichte verbergen, die wahren Zeichen des Ursprnglichen zu erraten, abzulesen und zu interpretieren, um dadurch den richtigen Schlssel fr die Beurteilung der rezenten geschichtlichen Situation zu finden. So wird auch Hitler, von dessen tdlicher Maschinerie die Wolynaer chassidische Gemeinschaft bereits gehrt hat, als der Haman aus der Esther-Geschichte wiedererkannt und damit, weil gem derselben Legende besiegt, im Bewusstsein der Juden bereits in den Bereich der historischen Gewissheiten gerckt. Alles Geschehen manifestiert sich dementsprechend als eines von vielen sichtbaren Zeichen eines einzigen, gttlichen Willens. Die Auffassung, nach der die Geschichte ein Medium ist, durch das Gott der Menschheit seine Gerechtigkeit offenbart, impliziert ein zweifaches Verhltnis des sich selbst als Teil des auserwhlten Volkes verstandenen Individuums zu seiner Teilnahme an der Geschichte als Theodizee, als gttliche Vorsehung. Einerseits fhrt die Erkenntnis der gttlichen Gerechtigkeit unter den Wolynaer Juden zur Anerkennung des bels als einer eigentmlichen Entitt (was auch Kant getan hat), ohne dass dies dabei als Gottes Ignoranz gegenber dem Bsen auf der Ebene der menschlichen, geschichtlichen Praxis gedeutet wird. Die Gerechtigkeit Gottes erweist sich fr das religise Denken gerade darin, dass Gott zwar dem bel nicht die Erscheinung versage, aber ihm jedoch nie die Dauer gewhre, wobei es, so der Rabbi, in allem nur auf die Dauer ankomme. Andererseits soll dieser Status des Auserwhltseins durch die Akzeptanz des gttlichen Willens von den Glubigen immer wieder besttigt werden, denn das Leiden und Bleiben gehren im Bewusstsein der Juden nicht nur empirisch, sondern auch metaphysisch als Voraussetzungen fr die Erlangung der gttlichen Gnade zusammen. Die Antwort auf die Frage sowohl nach dem Warum, als auch nach dem Wozu dieses Auserwhltseins ist im Bewusstsein des Rabbiners enthalten: Erstens, die Juden sind auserwhlt, weil sie dem gttlichen Willen zustimmen, indem sie sich an die Religionsgesetze halten und diese in einer gelebten Frmmigkeit durchfhren; zweitens, sie sind auserwhlt zu der in der Heiligen Schrift verheienen Erlsung durch Messias, so dass das Leben in der geschichtlichen Welt von einer stndigen Erwartung der Endzeit abhngt. Den Bund Gottes mit dem judischen Volk versteht der Zaddik als ein dialogisch bedingtes Verhltnis, das die Dauerhaftigkeit der kollektiven jdischen Existenz zur Folge hat und zugleich einen unbestreitbaren Beweis fr die Gerechtigkeit des gttlichen Willens darbietet. Das wichtigste Gebot der jdischen Ethik, die nur im Kontext mit dem religisen jdischen Bewusstsein zu verstehen ist, besteht darin, dass der Mensch sein Dasein auf Erden tglich rechtfertigen muss. Und dass unrettbar schuldig wird, wer nicht mit guten Werken sein Recht zu leben verdient. Eine Analogisierung vergangener und gegenwrtiger Bedrohungen fhrt zu einem im Prinzip fatalistischen, weil durch das unabnderliche Wort Gottes in der Heiligen Schrift bestimmten Geschichtsverstndnis, das sich selbst aber zu berwinden sucht, indem es der Gegenwart in einer optimistischen Projizierung der Vergangenheit in welcher ein positiver, erlsender Ausgang der Geschichte zugunsten der Frommen bereits beschlossen wurde auf die Kategorie der Zukunft den Charakter der historischen Einmaligkeit entzieht. Da Gottes Vorsehung dem Zaddik zufolge die Geschichte lenke, sei jegliches menschliches Eingreifen, durch das der geschichtliche Fortgang willkrlich verndert wrde, anmaend und dementsprechend moralisch unakzeptabel. Das Eschaton, an dem das jdische Geschichtsverstndnis festhlt, wird an die erlsende Person des Messias delegiert, der die historische Zeit selbst unterbricht. Was dem Menschen brigbleibt, ist ein wehrloses Verharren, das doch einen historischen und moralischen Sinn fr den Leidenden offenbart: Die gttliche Gnade ffnet fr ihn die Tr zur messianischen Erlsung. hnlich wie sich Burckhardt der moralischen und geistigen Kraft der ersten Christen bewusst war, mit der sie sich durch Askese der metaphysischen Absurditt des menschlichen Daseins auf Erden entgegensetzten, bedeutet das Leiden ein sinnstifendes Prinzip im Erwarungshorizont des religisen Bewusstseins des Wolyner Rabbis: Man berwindet die Welt und seine eigene Sterblichkeit dadurch, dass man sich durch den Verzicht auf das Einmischen in das Skulare (reprsentiert durch Kriege, Revolutionen und zur Dekadenz fhrenden Triebe) dieser Welt entzieht. Fr ein solches nicht-skularisiertes Verstndnis von Eschatologie gilt die messianische Idee als Aufforderung zur transzendentalen Begegnung mit Gott im kontemplativen Akt der Einung (Jichud). Das Leiden als eine der mglichen Lebenshaltungen in der Welt der Geschichte stellt fr den Rabbiner deshalb die moralisch einzig richtige Gegenoption zu einem Handeln dar, das nicht kommunikativ, sondern gewaltttig gegrndet ist und dessen Konsequenzen sich als moralisch fragwrdig erweisen: Wir sind keine Macht, wir fhren keinen Krieg. [] Wir sind das einzige Volk der Welt, das nie besiegt worden ist. [] Weil wir allein der Versuchung widerstanden haben, zu werden wie der Feind. Die Botschaft des Zaddik, die er als Gegenargument gegen den gewaltttigen Befreiungsversuch des selbsterwhlten Messias Edi Rubin vorbringt, besttigt den elementaren moralischen Grundsatz des religisen Bewusstseins und der jdischen Ethik: Man darf nie zu einem Mrder herabsinken, sondern man muss als ein Mrtyrer fr die heilige Lehre die gttliche Natur in sich selbst, als Abbild Gottes, besttigen. Genauso wie der Sinn des individuellen Daseins mit dem Erlangen einer hheren Einsicht in den Sinn des Seienden schlechthin gleichgesetzt wird, setzt die vom Rabbiner zugleich theosophisch und esoterisch gemeinte Suche nach dem Sinn der geschichtlichen Prozesse die Notwendigkeit der durch eifriges kabbalistisches Studium der Heiligen Schrift vorbereiteten, mystischen Schau Gottes voraus: [...] unsere Sorge ist es, zu erfassen, womit wir die Strafe verdient haben, damit wir in der Erkenntnis und in der Bue sterben und nicht wie unsere Feinde in Verblendung und in der Finsternis der Seele. Das religise Bewusstsein verzichtet auf das gewaltttige Handeln, und mag es auch in Selbstverteidigung sein, und praktiziert vielmehr das religis gedeutete Prinzip des amor fati Nietzsches, indem es sein von Gott gelenktes Schicksal stoisch-ruhig aufnimmt. Es wartet, mit vollstem Vertrauen und einem tief verinnerlichten Wunderglauben verhaftet, auf ein Zeichen des Allmchtigen, das ihm, dem Leidenden, seine Wege in der Welt der Geschichte offenbaren soll. Und die Geschichte ist ein sinnerflltes, teleologisch ausgerichtetes, nur durch die gttliche Vorsehung beinflussbares Heilsgeschehen, an dem der Fromme durch Kontemplation teilnimmt. 4.7.4. Unglckliches Bewusstsein Das unglckliche Bewusstsein ist eine metaphyschische Erfahrung des Menschen schlechtin. Es manifestiert sich als seine innere Zerrissenheit und ein latenter, aber dauerhafter Schmerz, der dem Bewusstsein von einem Widerspruch des Sterblichen und Unsterblichen im Menschen entspringt. Als solches lsst es sich als eine besondere Stufe des in der Trilogie dargestellten revolutionren Bewusstseins begreifen. Als Lebewesen, das einerseits durch seine organische Bestimmung der begrenzenden Notwendigkeit der Natur, andererseits durch seine Vernunft und Kreativitt zum Bereich der Freiheit und Unsterblichkeit gehrt, wird der Mensch lebenslang mit dem Phnomen des Todes und der Frage von dem Sinn seiner vergnglichen Existenz konfrontiert. Er versucht, die Dualitt zwischen der Endlichkeit seines irdischen Daseins und der Unendlichkeit seines Geistes auf unterschiedliche Weisen zu lsen. In der Trilogie wird dieser Versuch, dem individuellen Leben einen festen Sinn zu geben, am Beispiel revolutionrer Praxis geschildert, die in dem Menschen ein geschichtsmitmachendes, schpferisches Subjekt sieht. Die grundlegende Trennung von Geist und Tat, bzw. von Idee und deren institutionalisierter, geschichtlich realisierter Form, die sich fr Stettens Kritizismus als konstitutiv gezeigt hat, bildet den Ausgangspunkt fr das Verstndnis des unglcklichen Bewusstseins. Moralische Kollisionen, denen unser Gewissen so hufig begegnet, tragen auch dazu bei, dass sich das menschliche Bewusstsein als eine in sich gespaltene Einheit, als Zwiespltigkeit empfindet, was parallel zur Zersplitterung der eigenen Identitt verluft. Bestimmte Ereignisse im menschlichen Leben, insbesondere traumatische Erfahrungen, stellen Zsuren und Risse in der Kontinuitt des Bewusstseins dar, weil sie den identittsbildenden Prozess der Autoreflexion lhmen oder unterbrechen. Bei den revolutionren Gestalten in der Trilogie ist dies nicht selten der Fall, und es wird als Zustand ihrer seelischen Krise beschrieben. Besonders ausgeprgt ist es bei Dojno. Noch lange Zeit, nachdem er auf ein Suizid verzichtet hatte, blieb er sich selbst ein Selbstmrder, von der gleichmtigen Zeit verschlungen und nur noch nicht verdaut. Das unglckliche Bewusstsein wird hier am Beispiel des Revolutionrs Edi Rubin aus der Wolyna-Erzhlung dargestellt. Fr das Verstndnis dieser zwiespltigen Position ist jedoch ein breiterer Kontext ntig, in welchem die Gestalt des jungen Rabbiners Bynie eine entschiedende Rolle spielt. Sein Verhltnis zum Revolutionr Rubin hat eine kontrastive Funktion (genauso wie der kritische Skeptiker Stetten im Verhltnis zum revolutionren Intellektuellen Dojno). Aber auch er spielt einen modernen Sancho Pansa, ohne den die spezifische Don Quijoterie der Hauptgestalt der Wolyna-Episode nicht verstanden werden kann, weshalb diese Gestalten in ihrer komplementren Funktion zu begreifen sind. Der Fremde, Edi Rubin, lste, wie schon erwhnt, eine heftige Diskussion ber die praktische Einstellung der Wolynaer Ostjuden zum antfaschistischen Widerstand aus. Whrend der Rabbiner an der religisen, rigoros moralistischen Tradition seiner Vter festhlt und auf jegliches Handeln verzichtet, gibt sein 16jhriger Sohn Bynie der Versuchung zum aktiven Kampf unter Rubins Fhrung nach. Damit signalisiert er einen Riss in der Tradition, der er entstammt. Als knfiger Rabbiner erzogen, teilt Bynie die religisen und moralischen Werte seines Vaters, sein Wissensdurst ist jedoch nicht durch die Thora- und Talmud-Lektre zu stillen. Der Leser erfhrt, dass er insgeheim Hegels Phnomenologie des Geistes liest, die er als Herausforderung und Versuchung zugleich erlebt. Die Tragik der Position dieses jungen, sensiblen Mannes kommt whrend des Streits zwischen seinem religionsgebundenen Vater und dem unglubigen Juden Rubin dadurch zum Ausdruck, dass er zwischen die Fronten gert und pltzlich vor die Wahl gestellt wird: Er muss entweder der religisen, kontemplativen Tradition seines Vaters treu bleiben oder sich auf die Seite des atheistischen, praxisorientierten Fremden stellen. Obwohl jung, ist sich Bynie der Selbstndigkeit des eigenen Denkens sowie der Verantwortung fr seine Entscheidung durchaus bewusst. Er whlt seinen eigenen Weg, auf dem er versucht, die jdische Denktradition mit den Anforderungen seiner Zeit in Einklang zu bringen, um sein eigenes und das Leben seiner Glaubensgenossen zu retten. Im Gegensatz zu seinem Vater, der in dem Fremden einen Abgesandten des Abgrunds sieht, welcher sich durch seinen eigenen Hass gegen Feinde eben negativ dialektisch mit dem Feind gleichmacht, glaubt Bynie der nach der Ermordung des Vaters durch die Nazis der neue Rabbiner wird in dem Fremden einen Gesandten erkannt zu haben. Der Fremde bringe wenn auch unwissend eine Botschaft fr die chassidische Gemeinschaft, und den Sinn dieser Ankunft erklrt der junge Rabbi folgenderweise: Ich weiss nicht, was der Sinn dessen ist, dass der fremde Jude gerade zu uns gekommen ist und von uns verlangt hat, dass wir uns wehren sollen. Er ist in seinem Herzen ein guter Mensch und dennoch so hart, wie ich keinen gesehen habe. Was beweist das? Das beweist, dass er nicht aus eigenem, sondern aus einem hheren Willen handelt. Von allen jdischen Gemeinden ist Wolyna am lngsten aufgespart worden. Und zu uns allein ist Dr. Rubin gekommen. Um uns zu retten? Ich glaube es nicht. Womit htten wir es auch verdient, dem Tod zu entgehen, gerade wir? So ist der Sinn der, dass wir anders sterben sollen als die Unsrigen. Ich bitte und verpflichte euch, in allem dem Juden aus der Fremde zu gehorchen, wie auch ich es tue, der letzte Rabbi von Wolyna. Juden, ich wnsche euch einen guten, heiligen, einen frhlichen Sabbat. Bynies Denken unterscheidet sich grundstzlich von der jdisch-orthodoxen Position seines Vaters. Im Gegensatz zum Wunderrabbi glaubt er nicht an ein Jenseits und nicht an die Unsterblichkeit der Seele, sondern er hlt es nur fr mglich, dass sich Gott am Ende der Tage entschlieen knnte, eine zweite, endgltige Schpfung zu wirken die Wiederauferstehung. Das Absolute, das fr ihn mit einem religisen Vorzeichen versehen ist, bestimmt jedoch nach Bynies Meinung den geschichtlichen Prozess nicht alleine, sondern es bedarf fr die Realisierung des Heilsgeschehens des Menschen wie der Mensch selbst Gottes. Bynies religise Auffassung erinnert gewissermaen an die kabbalistische Lehre vom 'tikkun olam', dem Wiederzusammenfgen der Welt. Sie beruht auf der Legende, dass Gott bei seinem ersten Versuch, die Welt zu erschaffen, gescheitert ist und dass dabei Splitter des Heiligen in der Welt verstreut wurden, so dass sie jetzt durch menschliches Bemhen vor allem durch moralisches Handeln und menschliche Solidaritt in der jeweiligen Gemeinschaft wieder zusammengefgt werden mssen. Da das Heilsgeschehen in Bynies Geschichtsauffassung sowohl mit der Gerechtigkeit Gottes als auch mit dem vernunftgeleiteten, moralischen Handeln des Menschen zusammenhngt, erweist sich das Leiden fr das geschichtsmitbildende Individuum als sinnvoll, ja sogar sinnstiftend. Es charakterisiert nmlich nicht nur das menschliche Dasein in einer dunklen Zeit der Versuchung, sondern auch das Dasein Gottes selbst, der unter der Ungerechtigkeit des Menschen genauso leidet wie unter seiner eigenen Gerechtigkeit. Gottes Bund mit dem Menschen versteht Bynie als dialogisches, kommunikatives Verhltnis, in dem die beiden Seiten voneinander abhngen. Im religisen Sinne manifestiert sich dieses dialogische Verhltnis als Heiligung des Sabbats, dessen Sinn gerade darin besteht, dass er den Menschen vom Alltag befreit und die menschliche Seele, die sich so von der Natur befreit, ber das Wort Gottes mit Gott verbindet. Wenn ein einziges Mal alle Menschen auf der Erde den Sabbat wirklich feiern wrden, so wrde, denkt Bynie, der Alltag nie mehr wiederkehren und damit wre die Erlsung fr alle da, auch fr Gott, der schon lange auf sie warte. Im moralischen Sinne ist dieses gegenseitige Verhltnis durch die Prmisse bedingt, dass die Erlsung nicht kommen wrde, solange es Bse unter den Juden gebe. Dementsprechend hngt die geschichtsphilosophische Position des jungen Rabbiners mit der jdischen Morallehre zusammen, das heisst Bynies Metaphysik lsst sich nur im Sinne ihres anthropologisch-ethischen Korrelats verstehen, das zum Kern des biblischen Judentums gehrt und das der jdische Philosoph Emmanuel Levinas folgenderweise erklrt hat: Nach dem Bilde Gottes heisst nicht, Ikone Gottes sein, sondern sich in seiner Spur befinden. [...] Zu ihm hingehen heisst nicht, dieser Spur, die kein Zeichen ist, folgen, sondern auf die Anderen zugehen, die sich in der Spur halten. Es handelt sich um einen Versuch, den Messianismus mit der Idee des historischen, durch gesteigerte Moralitt gesicherten Fortschritts zu verbinden: Das Eschaton, verstanden als das eigentliche Ziel und zugleich als Ende der Geschichte, als Heilsgeschehen selbst, wird erst dann erreicht werden, nachdem alle Menschen moralisch mndig geworden sind, denn nicht durch seinen Leib und nicht durch seine Seele, sondern nur durch den Sinn seines Tuns geht der Mensch in die Ewigkeit ein. Dieser Sinn ist, wenn er der rechte ist, gttlich, also ewig. Im Mittelpunkt des geschichtlichen Prozesses steht bei Bynie nicht mehr das jdische Kollektiv, sondern das menschliche Individuum selbst als moralisch handelndes Subjekt, das die Grundlage fr die Erreichung des Eschaton darstellt und den Sinn seines eigenen Lebens schpferisch gestaltet. Vor dem Hintergrund dieser geschichtsphilosophischen Orientierung, die in der moralisch-handelnden Dimension des menschlichen Daseins das Potenzial zur Transzendenz seiner eigenen Zeitlichkeit sieht, reagiert Bynie auf Rubins Drang nach gewaltttigem Handeln, durch das er die Freiheit zu erkmpfen glaubt, mit einer Mischung aus religiser berzeugung und Kantianischem Etos. Nach dem von der jdischen Religion herrhrenden Gottesbild sei Gott der Schpfer der Welt, eines jeden Geschpfs, auch des Frevlers, so dass man keiner Kreatur ein Leid zufgen [knne], ohne dass der Schpfer litte. Als er sich fr ein aktives Engagement als Partisan entscheidet, ist sich Bynie der dem menschlichen Handeln immanenten moralischen Zwiespltigkeit durchaus bewusst. Eine der zentralen Romanstellen ist daher jene, auf der er sein moralisches Gesetz formuliert. Dieses besteht in der Erkenntnis, dass die Gewalttat nie Freiheit sein kann. Dadurch stellt sich Bynie der Position Rubins entgegen, der in dem gewaltttigen, revolutionren Handeln ein Mittel zur Weltverbesserung und Welterlsung sieht. Im Gegensatz dazu vertritt der junge Chassid einen Freiheitsbegriff, der dem kategorischen Imperativ Immanuel Kants entspricht und sich in dessen verallgemeinernder Form fr die Konstituierung einer Ethik der Pflichten eignet. Frei sein bedeutet, einzig und allein im Einverstndnis mit seinem Gewissen zu handeln, bzw. so [zu] handeln, wie es gut wre, dass jeder handeln sollte. Eine solche ethische Auffassung setzt ein verantwortungsbewusstes Subjekt voraus, dessen Handeln von den Prinzipien der Vernunft geleitet wird. Das Tten sei, sagt Bynie auf dem Sterbebett, eine Handlung ohne Sinn, denn alle Gewalttaten, auch wenn sie militrischen Auseinandersetzungen entsprngen, seien so bedeutungslos, so gestaltlos, wie eine Trne im Ozean. Es sei vielmehr wichtig, den tieferen Sinn des Geschehens, das Ereignis als Gleichnis zu verstehen und damit seine eignene Lebensposition kontextgebunden zu deuten. Indem er dem Aktivismus zustimmt, bricht Bynie mit der strengen religisen Tradition seiner Vorfahren, die auf die drohenden bel der Weltgeschichte mit Resignation, Kontemplation und Verzicht auf das handelnde Eingreifen in die Geschichte reagiert und die heilbringende Funktion an den Weltschpfer delegiert. Bynie sieht dagegen die Notwendigkeit eines aktiven Engagements des Individuums in der Geschichte ein, aufgrund dessen sich der Mensch aus der Sphre der Unfreiheit und der Unvollkommenheit erhebt und sich somit Gott nhert. Genauso wie Kant begrndet er die Sinnfrage im Praktischen: Taten haben nur dann einen Sinn, wenn sie sich von einem Individuum positiv in einen universalen, allumfassenden Handlungszusammenhang bringen lassen. Die Erkenntnis davon, dass eine einzelne Handlung in ein greres Ganzes, z. B. in das Leben oder in die kosmische Ordnung, eingefgt werden soll, um dem Leben einen Sinn zu verleihen, ist von Bynie zwar als ein individualistisches, aber auch ein berindividuelles Projekt gemeint, denn der Sinn eines jeden Lebens ist an seine moralische Substanz, an das Gttliche in uns, gebunden. Handeln, Wissen und Wollen werden unter dem Gesichtspunkt des Guten und des Richtigen betrachtet, so dass im Endergebnis Bynies moralische und historiosophische Auffassungen mit Kants Begriff der Moralitt oder Sittlichkeit bereinstimmen, die als innere Stimme des Gewissens und Gebot menschlichen Willens den hchsten Zweck und die Bestimmung dieses Willens darstellt, der zufolge subjektive Maximen zu einem allgemein gltigen Gesetz werden sollen. Anders gesagt, der Sinn resultiert aus der persnlichen bereinstimmung mit dem heiligen oder absolut guten Willen, mit dem Unbedingt-Absoluten im Menschen, das jenes Du sollst intrinsisch gebietet: Die menschliche Freiheit wird sowohl bei Kant als auch bei Bynie als absolut gltige Sittlichkeit verstanden, welche im moralischen Willen, d. h. im Pflichtbewusstsein, begrndet ist. Da jedoch eine Entscheidung immer nur in der Freiheit mglich ist, sprt Bynie wie jeder andere Mensch in diesem unbedingten Gebot seines Gewissens eine Spannung zwischen seiner eigenen Endlichkeit und einer bernatrlichen Ordnung, deren Teil er ebenfalls ist. Bynies moralische Rechtfertigung fr den eigenen Entschluss, am Widerstand gegen den Feind teilzuhaben, basiert auf dem verinnerlichten Pflichtgefhl, dass das menschliche Leben erhalten werden darf und soll, weil das Leben ein Wert an sich ist. Doch trotz dieser Einsicht leidet er stark unter Gewissensbissen, weil er in Selbstverteidigung gettet hat. Der junge Rabbiner erlebt sowohl sich selbst als auch den Revolutionr Rubin als unglckliches Bewusstsein, whrend er sich, schwer verletzt, wochenlang auf dem Sterbebett mit dem gleichnamigen Kapitel aus Hegels Phnomenologie des Geistes (1807) qult. Als Bynies selbstgewhltes Resmee aller Bemhungen, durch die der Mensch seine vergngliche, sterbliche Natur zu transzendieren sucht, ist das folgende Hegel-Zitat zu lesen: Das Bewusstsein des Lebens, seines Daseins und Tuns ist nur der Schmerz ber dieses Dasein und Tun. Durch das intertextuelle Verfahren wird vor allem auf die inhaltlich korrelative Position des Revolutionrs Rubins hingewiesen, welche die Verzweiflung einer Welt ohne Erlsung verkrpert. Als Antwort auf Rubins Verzweiflung und Rachsucht wird Rubin von Bynie, der auf seine Weise einen Weisen darstellt, die Lehre vom menschlichen Mitleid geboten. Der Revolutionr, der nach dem Verlust seiner Familie erbarmungslos und fast gefhllos, innerlich zerissen geworden ist, erlebt die Geschichte als einen durch keinen Trost zu lindernden Schmerz. Es ist zugleich das Bewusstsein von der Endlichkeit des menschlichen Ich, unter der das Individuum leidet, whrend es seine angestrebte Unendlichkeit in der Welt der Praxis zu verwirklichen versucht. Als solches gehrt das unglckliche Bewusstsein zum Wesen des Menschen schlechthin: In seiner Absicht, jene durch den kategorischen Imperativ formulierbare abstrakte Freiheit in der Welt des Zuflligen, Endlichen, Wandelbaren und Individuellen zu verwirklichen und damit zum Handeln vorzustoen, empfindet der Mensch das eigene Bewusstsein als zerrissen und in seiner Zerrissenheit als unglcklich. Rubin, der sich als der eigentliche Reprsentant dieses Bewusstseinstypus in der Wolyna-Episode entlarvt, taumelt am Ende zwischen dem Religisen und dem Skularen, zwischen Kontemplation und Aktivismus, zwischen moralphilosophischen Grundstzen und einer moralisch resistenten Praxis, ohne zu wissen, wie man in seinem Selbstbewusstsein die Kluft zwischen den ethischen Normen (dem postulierten Soll-Sein) einerseits und realisierten Handlungen (dem faktischen So-Sein) andererseits berbrcken kann. Doch gerade das Schicksal des jungen Bynie soll Edi Rubin beweisen, dass sich Sinn und Inhalt eines Lebens unterscheiden, dass auch ein gescheitertes Leben sinnvoll sein kann und dass es als Gleichnis fr die Sinnfrage selbst verstanden werden soll. Bynie wird auf diese Weise zur moralischen Autoritt Edi Rubins, der seit dem Tod des jungen Rabbiners auf seinen aus Hass geborenen Drang nach Handeln verzichtet und in sich selbst wieder eine Bindung zur Welt (ebenso zu seinem Judentum) sowie den Willen zum Leben findet. Bynies Mitleid bringt das unglckliche Bewusstsein des Revolutionrs Rubin zur Position des Humanismus zurck. 4.7.5. Revolutionres Bewusstsein Klaus Werner, der sich mit dem Phnomen des Widerstands in Sperbers Trilogie befasste, betonte, dass in dem groen Werk parallel zwei Themen behandelt werden: zum einen der Antifaschismus der Komintern, zum anderen das Epochenproblem des gescheiterten Zu-sich-selbst-Kommens der zeitgenssischen Menschen. Diese zwei konfliktgeladene Widerstandsformen kommen besonders gut bei dem eigentlichen Romanhelden, dem Wiener atheistischen Juden Denis Dojno Faber, zum Ausdruck. Neben vielen anderen kommunistisch profilierten Romangestalten, die das erzhlte politische Geschehen in Europa der Zwischen- und Kriegszeit durch ihre Handlungs- und Denkweise von unterschiedlichen Seiten beleuchten, erscheint Dojno als Reprsentant des revolutionren Bewusstseins im engeren und im erweiterten Sinne. Alle kommunistischen Gestalten werden nmlich in unterschiedlichem Grade durch eine marxistisch-kommunistische Weltanschauung und Praxis charakterisiert, aber die einen werden zu dogmatischen, parteilinientreuen Verfolgern und somit zu Verrtern der revolutionren Idee und Bewegung, whrend die anderen als ihre Opfer untergehen. Innerhalb des linken politischen Lagers gibt es also einen guten und einen falschen Kommunismus, womit der Romanautor unter Berufung auf Bchners Dantons Tod die historische Weisheit demonstriert, die Revolution fresse ihre eigenen Kinder. Vor dem Hintergrund einer negativ dialektischen Wechselbeziehung politischer Optionen in der Zeitgeschichte spielt sich die erzhlte Welt der Trilogie ab, deren Subjekte menschliche Individuen sind. Die personalen Identitten dieser Individuen basieren auf unterschiedlichen politisch-nationalen, sozialen, moralischen, weltanschaulichen und psychologischen Voraussetzungen, weshalb ihr revolutionres Bewusstsein spezifisch individuell schattiert und ihre Taten unterschiedlich motiviert sind. All die Merkmale gehren zum revolutionren Bewusstseinstypus im engeren Sinne und sind mehr oder weniger bei den meisten Romangestalten zu finden. Die erweiterte Bedeutung des Begriffes ist jedoch mit der Tatsache verbunden, dass im Mittelpunkt der dargestellten Thematik ein bitterer Desillusionierungsprozess steht, den die zentralen revolutionren Romangestalten durchmachen. Die Ernchterung, zu der sie whrend ihrer antifaschistischen Aktionen in der Djura-Brigade kommen, geht mit einer schonungslosen Machtkritik und einer neu gewonnenen, moralistischen Handlungsperpektive einher, deren Ergebnis die Aufgabe der bis dahin gltigen revolutionren, d. h. kommunistischen Position ist. Da eine solche dem Humanismus verpflichtete Lebenshaltung, die auf der Idee des Machtverzichts und auf einem Tatenidealismus der Kantschen und Landauerschen Provenienz grndet, direkt zum militrischen Untergang einer ganzen Partisanenbrigade fhrt, bleibt Dojno Faber der eigentliche Romanheld, der den desillusionierenden Entwicklungsweg der revolutionren Romangestalten paradigmatisch und in seiner Gesamtheit darstellt. Dojnos anfngliches revolutionres Bewusstsein erfhrt wesentliche Transformationen und wird schrittweise zu einer seltsamen Synthese aller drei ausnuancierten Bewusstseinstypen, und zwar in umgekehrter Reihe: Der junge Mann startet als kommunistischer Revolutionr (das revolutionre Bewusstsein im engeren Sinne), mobilisiert jedoch mit der Zeit besonders nach der Liquidation seines Kampfgenossen Vasso Militsch in einem der Mosakauer Prozesse immer mehr seine eigenen kritischen Denkkrfte gegenber der stalinistischen politischen Praxis, an der er sich beteiligt. Dabei ist sein geistiger Mentor Stetten von groer identittsbildender Bedeutung. Die gewonnenen Erkenntnisse zwingen den Revolutionr zu einem schwierigen Individuationsprozess. Dieser verluft ber verschiedene Phasen der inneren Krise: Lange Zeit manifestiert er sich als ein unglckliches Bewusstsein, das einerseits mit Dojnos Erkenntnis von der Leere des eigenen bisherigen, von Illusionen frei geglaubten Wissens und andererseits mit seinem immer noch praktizierten dialektischen Gewissen, einem Doppelznglertum, korreliert unter dem Vorwand, Stalin bleibe auf der politischen Weltszene der einzige serise und gengend mchtige Verbndete im Kampf gegen Hitler. In dieser Phase der Selbstverachtung, die eine Zersplitterung der eigenen Identitt zur Folge hat, versucht der (selbst-)betrogene Revolutionr zu sich selbst zurckzukommen. Immer mehr greift er nach der religisen und ethischen Tradition seiner ostjdischen Wurzeln. Trotzdem sind die alte, glckliche Welt und die durch Erinnerungen unternommene Heimkehr unwiederbringlich. Es gibt keine Heimat mehr: weder sterreich-Ungarn, noch die glcklichen, pltzlich durch den Krieg zerstrten Kindheitsjahre, noch den Messias seiner jdischen Vorfahren, an den der kommunistisch-atheistisch Entwurzelte und der Schler der aufgeklrten Moderne wieder glauben knnte. Das Leben wird zu einem dauerhaften, durch nichts zu lindernden Schmerz, der als eine endlose Verzweiflung ohne vershnenden fnften Akt ertragen werden muss. Der Held nhert sich so gegen Romanende vllig der kritischen Position des Professors Stetten. Er versucht nmlich, die eingesehene Kluft zwischen Idealen und Realitt dadurch zu berbrcken, dass er die revolutionren Ideen mit der gesellschaftskritischen Theorie und der historiosophischen Konzeption Stettens verbindet. Das revolutionre Bewusstsein endet damit als kritisches Bewusstsein und als Gewissen einer Gesellschaft, dank welchem diese sich selbst auf die Dauer unertrglich wird. Der Trger eines solchen dialektisch synthetisierten Bewusstseins ist ein Erinnerer und Mahner, ein Intellektueller, der auf die revolutionre Praxis verzichtet und jener geistige Mensch wird, den der weise Alt-Europer Stetten gemeint hat. Fr das Verstndnis der gesamten erzhlten Welt, in der die Romangestalten handeln und aus ihrem idealgeleiteten Kampf mit der Wirklichkeit resigniert zu sich selbst kommen, muss jedoch zuerst Die Legende vom verbrannten Dornbusch herangezogen werden. Es wurde bereits erwhnt, dass sie dem ersten Roman, doch aufgrund ihrer allegorischen Natur eigentlich der gesamten Trilogie vorangestallt wurde. Durch die Kursivschrift besonders hervorgehoben, signalisiert sie dem Leser ihre groe Bedeutung fr das Verstndnis der Ereignisse und Menschenschicksale, die in der Trilogie als politische Zeitgeschichte dargestellt werden. Die Legende wird von einem intradiegetischen auktorialen Erzhler vorgetragen, der die Erzhlung selbst von einem Fremden gehrt hat, der wiederum eigentlich nur darber berichtet, was er selbst seinerseits gehrt hatte. Es geht um Menschen, die als entindividualisierte Figuren in eine fast mythische Vergangenheit gesetzt sind und dadurch allegorisch fr eine universale, allgemeinmenschliche und transhistorische Wahrheit oder Quintessenz ihrer historischen Erfahrung stehen. Die in der Finsternis lebenden Menschen wurden der Legende nach ber die allzu lange Zeit des Wartens auf das verkndete Licht und die Verwirklichung ihres Glcks emprt. Die Mutigsten unter ihnen, jene, in welchen die Zukunft lebte wie das Ungeborene im Leibe der Trchtigen, vershnten sich nicht mit ihrem Schicksal, sondern fragten: Was werden wir tun?. Unter ihrer Fhrung bauten die Menschen ihre neuen Wohnungen rund um den seit Ewigkeit brennenden Dornbusch. Doch begannen die Zweige des Dornbusches zu verkohlen und fielen ab, so dass wieder Finsternis und Klte hereinbrachen. Jene, die prfen wollten, wer schuld an der Enttuschung ihrer Hoffnungen war, wurden von den neuen Herren gettet, welche vom Lichte der Fakeln in den Hnden der neuen Sklaven umgeben waren. Die Mutigsten wollten die Wahrheit verbreiten: Der Dornbusch ist deshalb verbrannt, weil es bei ihnen aufs neue Herren gibt und Sklaven, ob wir ihnen schon andere Namen geben. Machtgier, Lge, Erniedrigung und Schrecken bildeten die Grundlagen der neuen Herrscher. Die Mutigsten standen wieder auf, um anderswo, rund um einen neuen Dornbusch, von Neuem zu beginnen. Die menschliche Hoffnung auf eine bessere Welt konnte nicht vernichtet werden, auch wenn die Schreckensherrschaft sich der Ausrottung ihrer Feinde sowie einer lgnerischen Proaganda bediente, um den Schein des brennenden und wrmenden Dornbuschs aufrechtzuerhalten. Als der Fremde, von dem dies erzhlt wurde, seine Zuhrer, zu denen auch der transzendentale Erzhler der Trilogie zhlt, verlsst, versuchen sie des ewigen Anfangs mde ihn und den bittern Geschmack seiner Hoffnung zu vergessen. Es ist deutlich, dass sich Sperber hier eines intertextuellen Verfahrens bedient. Die Intertextualitt, als eine Art Dialog zwischen Sperbers Text und dem biblischen Prtext zwecks einer dynamisierenden Sinnkonstruktion, an der der Romanleser aktiv teilnimmt, bewirkt gewisse Bezge, welche strukturelle und semantisch-ideologische Homologien, aber auch Divergenzen aufweisen. In seiner Legende spielt Sperber auf das ganze Exodus-Buch der Bibel an, und zwar nicht nur auf die Legende vom brennenden Dornbusch, sondern auch auf die Legende vom goldenen Kalb. Das zweite Buch Moses, auch Exodus (der Weg hinaus, Ausgang) genannt, schildert den Auszug des Volkes Israel aus der gyptischen Sklaverei. Im dritten Kapitel der Exodus-Geschichte offenbart sich Gott dem frommen Moses in Form einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Es ist ein Feuer, das immer weiter brennt, ohne den Busch zu verzehren. Moses versteht, dass die Wirklichkeit, die er bis dahin kannte, nicht die einzige ist, dass auch andere Wirklichkeiten mglich sind. Wenn die Zeit still steht, wenn die Gegenwart ewig und in ein Jenseits der Gesetze der historischen Zeit gesetzt wird, dann wird auch die Nahrung fr die Flamme ewig fortbestehen. Moses erlebt also eine transformative Erfahrung und wird von Gott zu groen Taten aufgefordert. Er bernimmt die Verantwortung fr die Verwirklichung des gttlichen Auftrags, das jdische Volk aus der Sklaverei in gypten auszufhren. Moses, der selbst als Hebrer und gypter zugleich zu zwei Wirklichkeiten gehrt, fhrt die Kinder Israels aus dem Land, doch sie haben ziemlich zwiespltige Gefhle, was das Verlassen gyptens betrifft. Sie wollen eigentlich nicht gehen, und wenn sie dem Plan doch nachgeben, dann beschweren sie sich stndig ber die schlechten Bedingungen ihrer Wanderung durch die Wste. Moses, den sie als einen Fremden erleben, werfen sie vor, dass er ihnen die Befreiung aufgezwungen hatte. Fr sie, welche durch eine Sklavenmentalitt charakterisiert werden, bedeuten die Fleischtpfe gyptens das Ideal der Sicherheit, und dieses hat fr sie einen hheren Stellenwert als das Freiheitsideal. Die biblische Legende berichtet weiterhin, wie die Israeliten ihren Glauben verlieren und sich einen Gott aus Gold schaffen, whrend Moses 40 Tage lang auf dem Berg Sinai in Gottes Prsenz verbringt. Gold war zu jener Zeit ein Symbol der Sonne, des Lichtes und des menschlichen Bewusstseins. Indem sie nun die Figur des sogenannten goldenen Kalbes (nach Eli Laschs Deutung eigentlich eine runde, aus Gold angefertigte Scheibe mit der Darstellung des gyptischen Sonnengottes Ra) vergtzen, verehren sie die Gtter ihrer frheren Ausbeuter. Wie schon erwhnt, bestehen zwischen Sperbers Text und dem biblischen Prtext viele strukturelle und semantische Berhrungspunkte. In beiden Fllen (wie auch sonst in der Trilogie) bernimmt ein selbstbewusster Einzelgnger, symbolisiert durch die Figur des Fremden, die Rolle des Revolutionrs. Es ist der Revolutionr, der den bestehenden Zustand der Sklaverei in Frage stellt, das problematische Verhltnis zwischen Freiheits- und Sicherheitsideal in seiner politisch unaufgeklrten Gesellschaft zuspitzt und das passive Volk sogar gegen seinen Willen zur Freiheit fhrt. Der Dornbusch steht fr die messianische Hoffnung auf eine gerechte, freie und glckliche Welt. In Sperbers Legende allegorisiert er die Utopie der sozialistischen Gesellschaft und die Hoffnung als metaphysisches Prinzip der menschlichen Daseinsweise. Die Freiheits- und Wahrheitsidee fungieren als Regulative eines Lebens, das in der Welt der geschichtlichen Praxis brennt, ohne in seinem Wahrhaftigkeitsprinzip jemals zu verlschen. Doch verluft in den beiden Legenden die Realisierung des historischen Ziels unter dem Umstand seiner stndigen Bedrohung durch die menschliche Natur selbst. Die Ungeduld der Menschen gegenber dem ersehnten Heilsgeschehen resultiert darin, dass sie die Sache in eigene Hnde nehmen, ohne sich dabei nach den Folgen ihrer Tat zu fragen. Der eschatologische Erlsungspunkt kann durch eine zwanghafte Tat, durch ein gewaltttiges Handeln, nicht erreicht werden. Ein solches Verhalten fhrt zu einem Rckfall auf eine frhere, primitive Entwicklungsstufe der menschlichen Gesellschaft: in die alten Fehler des heidnischen, gtzendienerischen Zustands im Exodus, bzw. einer auf Lge und Ausbeutung grndenden Klassengesellschaft in Sperbers Legende. Der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, wie Hegel die Weltgeschichte definiert hat, wird also immer wieder unterbrochen. Ein falsches Bewusstsein, das mit der Anfertigung eines goldenen Gtzen im Prtext und mit der Anfertigung der Fakeln in Sperbers Text korrespondiert, ist ein Zeichen der geistigen und moralischen Dekadenz der Gesellschaft. Der mit der Etablierung der neuen Herrscher durch die neuen Sklaven einhergehende Ausbruch der Finsternis lsst erkennen, dass die menschliche Machtgier eine historische Konstante ist, der zufolge sowohl das Licht (bzw. edle Ideen) als auch die Menschen zu einem Mittel degradiert werden. Dabei entpuppt sich als Problem nicht nur die Frage danach, wie man einer solchen als absurde, zyklische Wiederkehr des Gleichen und zudem als darwinistisch aufgefassten Geschichte zum Trotz dem individuellen Leben einen Sinn geben kann. Wenn die einzige Alternative zum historischen Absurdum ein revolutionres Handeln ist, das den kreisfrmigen Verlauf des Geschichtsprozesses durch Zsuren unterbrechen und linear-progressiv ausrichten wrde, dann stellt sich die Frage, ob die gegenwrtige Menschheit fr die Verwirklichung dieses Ziels tatschlich reif ist. In den beiden Legenden fhrt die Beschleunigung eines skular fundierten Heilsgeschehens zur Schaffung eines Als ob-Zustands, das auf einem falschen Bewusstsein, auf einer negativ dialektischen Zusammenwirkung von Tuschung und Selbsttuschung grndet. Die Mehrheit der Menschen kennzeichnet die moralische Unmndigkeit und eine Sklavenmentalitt: Sie unterwerfen sich fatalistisch aus Angst oder um sich dadurch in Sicherheit zu wiegen den Terrorherrschern, die immer wieder auf die historische Bhne treten. Die Befreiungsmission, die dieses ziellose Kreisen unterbrechen kann, bleibt in beiden Fllen den Revolutionren, den Zukunftstrchtigen, vorbehalten. Sperbers intertextuelles Verfahren fungiert jedoch gleichzeitig kontrastiv in bezug auf den biblischen Prtext. Whrend das versprochene Heilsgeschehen in der Bibel dank eines Dialogs zwischen Gottes Vorsehung und den revolutionren Taten Moses in Erfllung geht, wird in Sperbers Legende wie auch in der ganzen Trilogie durch die Umkehrung der biblischen Legende und ihrer (Be-)Deutung die messianische Idee skularisiert, in den Kontext des zeitgenssischen revolutionren Geschehens situiert und schlielich symbolisch-allegorisch dementiert. Die revolutionren Gestalten seiner Trilogie, deren Erfahrungen eigentlich eine literarische Transponierung seiner eigenen Lebensgeschichte darstellt, unterliegen dem unerbittlichen, negativ dialektischen Gesetz des Geschichtsprozesses, dem zufolge auch die edelsten menschlichen Ideen deformiert werden. Der Spezies Mensch ist demnach immer noch nicht der historischen Aufgabe gewachsen, durch seine geistige und moralische Mndigkeit die eigene Zivilisation in eine freie, klassenlose Gesellschaft im Zustand des ewigen Friedens zu verwandeln. Der historische Materialismus und die marxistische Weltanschauung, die zum revolutionren Bewusstsein der Sperberschen Romangestalten gehren, korrelieren mit dem geschichsphilosophischen Konzept eines skularisierten Messianismus, d. h. einer politischen Prophetie. Der Messias heisst nun Weltrevolution oder klassenlose Gesellschaft. An die Stelle der fr den biblischen Judaismus charakteristische Zeit der Hoffnung und Erwartung tritt ein revolutionrer Aktivismus, der die historische Erlsung, d. h. die Freiheit und Abschaffung der menschlichen Misre in einer nahen, absehbaren Zukunft noch zu Lebzeiten der Revolutionre herbeifhren sollte. Der Weg zum postulierten echatologischen Ziel, fr dessen Erreichung der Mensch selbst ausgestattet zu sein scheint, fhrt ber die von den Revolutionren zu organisierende Dikatatur des Prolateriats. Die zu politischen Propheten selbst ernannten Revolutionre predigen, dass die Armen berall in Europa ihr Schicksal, bzw. den Klassenkampf, in die Hand nehmen sollen. Im Einklang mit der Marxschen Lehre kommt es dem revolutionren Bewusstseinstypus darauf an, dass man die bestehenden politisch-gesellschaftlichen Verhltnisse nicht mehr kritisiert, sondern radikal verndert, umwlzt. Die politische Macht wird dabei blo zu einem notwendigen Mittel zur Abschaffung ihrer selbst, d. h. zur Abschaffung des Staatsapparats, d. h. zur Abschaffung des Elends ernannt. Fr Dojno Faber stellt der jugoslawische Kommunist Vasso Militsch ein Sinnbild des authentischen Revolutionrs dar. Vasso, von der KP selbst liquidiert, wird im Verlaufe des Romangeschehens zum wichtigsten Faktor einer tief greifenden Identittstransformation bei Dojno. Schon am Anfang der Trilogie, wo die illegalen Aktivitten der Kommunisten in einer geheimen Sitzung der ins Berliner Exil verbannten jugoslawischen KP-Fhrung heftig diskutiert werden, wird der Leser mit den ideentragenden revolutionren Gestalten konfrontiert. Der Revolutionr wird dabei mit Hilfe eines spezifisch verstandenen Delegierungsbegriffes definiert, dem nach er wenn auch von niemandem dazu auserwhlt die geschichtliche Aufgabe der Welterlsung auf sich nimmt. Vasso Milisch, ein harter, erbarmungsloser Kommunist serbisch-orthodoxer Herkunft, erklrt diese selbstberufene Funktion folgenderweise: Der Heiland hat die Welt erlsen wollen, aber es ist ihm nicht gelungen. Es gengt nicht fr die Menschen zu sterben, man muss fr sie morden [...]. Es ist ein Fluch, Erlser zu sein, die Welt ist zu bse, ihre Erlser knnen nicht gut sein. Am Anfang des Romans verfgt das revolutionre Bewusstsein ber eine exklusivierende Denklogik des Entweder Oder und ber eine ebenso radikale Weltanschauung in jakobinischer Manier. In den Mund des jugoslawischen Revolutionrs legt der Romanautor die Worte eines historisch-authentischen Brgers im nachrevolutionren Frankreich, die als solche auch in Bchners Dantons Tod gelesen werden knnen: Nur ein Feigling stirbt fr seine Republik, ein Jakobiner ttet fr sie. Eine jakobinisch tugendhafte (Selbst-)Opferung fr das groe politisch-geschichtliche Ziel, das revolutionre Absolutum, verlangt von dem Revolutionr eine konsequent praktizierte Erbarmungslosigkeit, die der absoluten Bindungslosigkeit in seinem Privatleben entspricht. Nur dadurch, dass er sich der Welt entfremdet, kann der Revolutionr gewissenslos die bse Ordnung der alten Welt zerstren. Des Preises dafr, der in einer totalen Selbstentfremdung, ja seiner Entmenschlichung besteht, wird er sich jedoch erst spter, nachdem die Revolution wirklich ihre eigenen Kinder zu fressen begonnen hat, bewusst. Vassos marxistische Religionskritik, die aus der zitierten Stelle ersichtlich wird und dem revolutionren Bewusstsein schlechthin immanent ist, soll auch im Kontext einer anderen Textstelle gesehen werden, wo Vassos Parteigenosse Dojno in einem hnlich radikalen, pathetisch gefrbten Ton die berwindung des falschen, hier religisen Bewusstseins (Religion als Opium fr das Volk) junghegelianisch-marxistisch zu legitimieren sucht und zugleich das historische Ziel aus seiner Perspektive zur Sprache bringt: Weil wir die Geschichte kennen, weil wir vllig frei sind vom Bedrfnis zu glauben, von der Sehnsucht nach dem Absoluten. Wir wissen, dass es noch dem Unglubigsten viel leichter ist, einen neuen Gott zu fabrizieren als einen neuen Menschen zu erziehen. Die zitierten Romanstellen lassen den Ursprung der revolutionren Idee von Vasso und Dojno erraten. Nietzsches Forderung nach der Umwertung aller Werte und nach der Formung eines neuen Menschen der Zukunft, der stark genug wre, ohne Gtter und jenseits des moralisch Guten und Bsen seine eigene Wirklichkeit schpferisch zu gestalten, durchdringt ihre Visionen einer neuen Menschheit. Gleichzeitig wird damit auf marxistisch-leninistische Prmissen des revolutionren Bewusstseins hingewiesen, die ebenfalls mit dem marxistischen historiosophischen Konzept zusammmenhngen: Erstens gehen die Weltanschauungen der beiden Revolutionre auf das bei den Junghegelianern (David Friedrich Strauss, Ludwig Feuerbach, Bruno Bauer, Max Stirner) entwickelte Prinzip der (Religions-)Kritik zurck, das eine Basis fr die Revolutionsidee selbst schafft und vom frhen Marx im weitesten Sinne des Wortes als Kritik der herrschenden Gesamtordnung verstanden wird. Fr die histori(zi)stisch fundierte Religionskritik gilt der Mensch als ein schpferisches Lebewesen, das zugleich ein Produzent und ein Produkt der eigenen Geschichte ist. Das revolutionre Bewusstsein befreit das historische Subjekt von der Domne des Religisen als einer Ideologie, die unter vielen anderen zu den primitiven, aber notwendigen Vorstufen der historischen Entwicklung der Menschheit zhlt. Indem es sich auf ein anthropozentrisches, historisch-materialistisches Geschichstbild beruft, nach dem die Geschichte selbst sich in dem menschlichen Bewusstsein widerspiegelt, glaubt das revolutionre Bewusstsein von allen bisherigen Illusionen und Ideologemen frei zu sein. Andererseits erhebt es, nolens volens, seine eigene Ideologie (die der Definition nach immer schon einen Anspruch auf Weltvernderung erhebt und nie blo auf der Ebene der politischen Theorie bleibt) zu einem neuen, durch die Partei institutionalisierten Absoluten. Das menschliche Individuum wird auf diese Weise zum Gtzendiener eines neuen Gtzen und damit von dem weltrevolutionren Metasubjekt aufs Neue zu einem anonymen, individuell bedeutungslosen Objekt reduziert. Das Individuum gert in die Falle des schon genannten unglcklichen Bewusstseins, da es sich infolge einer solchen parteilichen Abstrahierung, die alles Eigentmliche dem Abstraktum Weltrevolution subordiniert, sich selbst entfremdet und aufgrund interiorisierter negativer Erfahrungen zu Kollisionen mit dem eigenen Gewissen gelangt. Zweitens fhrt die von den revolutionren Gestalten formulierte Religionskritik zur Kritik am brgerlichen Staat, der nach Dojnos Meinung mit einer den Religionen hnlichen, narkotisierend wirkenden Indoktrination eine allgegenwrtige Gleichgltigkeit der Regierten herbeifhrt und aus dieser Gleichgltigkeit ein Fundament seines Bestandes bildet. Da Marx in dem menschlichen Bewusstsein ein Produkt des gesellschaftlichen Daseins des Menschen, d. h. der Geschichte, erkannt hat, und die Geschichte der ganzen bisherigen Gesellschaft als die Geschichte der Klassenkmpfe betrachtete, ist der Mensch als eine Marionette des brgerlichen, kapitalistischen Staates ein erniedrigtes, sich selbst und seinen Arbeitsprodukten entfremdetes Wesen. Die kapitalistische Ausbeutung des Proletariats resultiert in seinem falschen, selbstentfremdeten Bewusstsein und stellt ein Unrecht an sich dar. Eben deshalb muss der Revolutionr nach Dojno und Vasso der resignativen Haltung des Proletariats seine profane Religion der Emprung und der politischen Aktion entgegensetzen: Die methodologische Kompromisslosigkeit des Revolutionrs erweist sich aber als praktischer Zwang zu einem von auen organisierten Massenaufstand. Drittens weist Vassos revolutionre Auffassung auf das obligatorisch zu geltende marxistische Gesetz der geschichtlichen Dialektik hin. Der dialektisch-materialistische geschichtliche Prozess beinhaltet demnach notwendigerweise das Prinzip des Bsen. Mord, Denunziation, Betrug werden zu unvermeidlichen Methoden des Verrats aus Treue unter den Parteimitgleidern, damit nichts den progressiven Schritt des weltgeschichtlichen Heilsgeschehens hindert. Indem jedoch die durch ein gewaltttiges Handeln zu ergreifende Macht von der Kommunistischen Partei als voausgesetztes Mittel zur Abschaffung der Macht selbst interpretiert wird, wird die Brutalitt der zu strzenden Herrschaftsordnung in Wirklichkeit nur fortgesetzt und nicht aufgehoben. Viertens weisen die zitierten Textstellen auf den eigentlich aufklrerischen (und bei Sperber individualpsychologisch motivierten) Anspruch auf die Schaffung einer neuen Welt durch die Umerziehung des Menschen hin. Das Proletariat, dieses auserwhlte Volk des historischen Materialismus, ist eben deshalb ein Instrument zur Erreichung des eschatologischen Ziels der Geschichte durch die Weltrevolution, weil es von Privilegien der herrschenden Klasse ausgeschlossen ist. Der revolutionre Prozess enthlt nmlich nicht nur konomische, sondern auch zivilisatorische und politische Komponenten: Aus dem immer besser geschulten, immer mehr aufgeklrten Bewusstsein der arbeitenden Klasse entwickelt sich zuerst ein wahres Klassenbewusstsein. Erst danach kann der marxistischen Theorie nach die politische Umwlzung erfolgen. Dojno ist sich ber die praktischen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung dieses komplexen Umerziehungsprojektes im Klaren, weil der Prozess der Bewusstmachung selbst die Aufhebung jeglicher bisheriger Illusionen im Bewusstsein des Menschen voraussetzt. Die Folge dieser Bemhung besteht jedoch darin, dass der transformative Prozess auf der gesellschaftlichen Ebene nicht autonom, aus freiem Willen des Proletariats, sondern im Zeichen einer aufgezwungenen politischen und ideologischen Indoktrinierung verluft. Mit der Zeit erkennt Dojno, dass der aufgeworfene revolutionre Erwartungshorizont nicht nur von der radikalen Rechten, sondern vielmehr von einer sorgfltig gepflegten Verblendung in dem eigenen Lager bedroht wird. Parteiliche Dogmen setzten sich im Bewusstsein der Revolutionre als unantastbare Wahrheiten durch, und die Liquidierung der kritisch orientierten Parteigenossen wurde als ein notwendiges bel auf dem Weg zum weltgeschichtlichen Ziel gerechtfertigt. Gerade die revolutionre Gestalt Vassos wird zum Symbol der Ernchterung aller revolutionren Selbstverblendeten in der Trilogie und knpft damit an Bynies Syntagma vom Ereignis als Gleichnis an. Genauso wie er im zweiten Teil des ersten Buches mit erstaunlicher Genauigkeit den tragischen Ausgang aller revolutionren Bemhungen seiner Kampfgenossen und seinen eigenen Tod prophezeit, versucht Vasso nun von der Komintern inhaftiert den Sinn seines Todes in einem imaginren Brief an Dojno metaphorisch zu erklren. Indem er den eigenen Tod in ein hheres Ganzes, nmlich in das Leben und Gewissen Dojnos, integriert, wird er selbst als Gleichnis in der Erinnerung und im Bewusstsein der anderen Menschen weiter leben und damit den durch das Leben unerfllten Sinn der eigenen Existenz paradoxerweise durch seinen Tod erfllen: Und weil ich nicht kommen werde, wirst du mich in dir selbst suchen. Und dann wirst du erfahren, was du schon immer gewusst hast: dass ein jeglicher an Millionen Leichen vorbergeht, ohne auch nur seinen Schritt zu ndern, aber dass es fr jeden eine Leiche gibt, ber die stolpert er. [...] Ich bin deine Leiche, Dojno [...]. Genauso wie Danton und seine Kampfgenossen das historische Gesetz der negativen Dialektik erfahren haben, unmittelbar bevor sie von den Jakobinern hingerichtet wurden, revidiert der ehemalige Jakobiner Vasso in der neu entstandenen Situation, in der er von der KP als Konterrevolutionr angeklagt wird, drastisch die Worte St. Justs, bzw. ursprnglich Dantons selbst: Die Revolution wird ber ihre Leichen nicht stolpern. Vassos Tod bewirkt bei Dojno einen Desilussionierungsprozess: Aufgrund der erkannten Selbstverblendung, dieser selbstverschuldeten Unmndigkeit, wie Kant den Unwillen des Menschen genannt hat, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, entdeckt das revolutionre Bewusstsein etwas, was schlimmer ist als eine Illusion: die Leere eines Wissens, das mit dem Anspruch auf die Aufhebung aller Illusionen angetreten war. Damit entstehen fr das Individuum aporetische Konflikte zwischen seinem moralischen Bewusstsein und den genuin negativ dialektischen Gesetzmigkeiten des Geschichtsprozesses wie auch der politischen Praxis. Die erkannte Kluft zwischen dem Schein und dem Sein kann gnoseologisch und moralisch nicht mehr ignoriert, geschweige denn weiter rechtfertigt werden, auch wenn damit der bis dahin an die Revolution delegierte Sinn des individuellen Lebens grndlich in Frage gestellt wird. Das Bewusstsein leidet immer mehr unter dem zur Gewissheit gewordenen Zweifel, dass die politische Macht und der Mensch selbst von der Politik als Mittel missbraucht wurden. Sobald die revolutionre Idee zu einer Institution wird, entartet sie. Fr Dojno, den Schler des Gesellschaftskritikers und Humanisten Stetten, bedeutet diese Erkenntnis den Beginn eines schmerzhaften Individuationsprozesses, in dem er langsam seine Urteilskraft zurckgewinnt, sich von der Kommunistischen Partei distanziert und schlielich lossagt, ohne dabei seine Ideale aufzugeben. Parallel dazu unterliegt er einer dauerhaften Krise, die mit dem totalen Identittsverlust des Revolutionrs droht. Das in Dojno verkrperte revolutionre Bewusstsein entspringt nmlich von Anfang an einem utopischen Tatenidealismus, und nicht einer vulgren Pragmatik der kommunistischen Opportunisten. Nach zahlreichen illusorischen Versuchen, die Idee einer Politik der Gerechtigkeit in der politischen Praxis durchzusetzen, kommt er zu dem Schluss, dass eine jdisch-Kantianisch geprgte Ethik der Verantwortung und abstrakte, politisch-philosophische Mastbe des Handelns, die auf der Idee des Machtverzichts basieren, die Plattform fr eine neue Identittskonststruktion bilden. Damit nhert sich Dojno, insbesondere nach Stettens Tod, immer mehr der gesellschaftskritischen Denkposition seines geistigen Mentors: Sein Diskurs wird vom zweiten Teil des zweiten Buches an praktisch ununterscheidbar von jenem Stettens, was von anderen Romangestalten auch verbalisiert wird. Die Folge dieser kritischen berprfung der bis dahin auf marxistischen Prmissen gebildeten personalen Identitt ist die eingesehene Unvereinbarkeit des moralischen Idealismus und des politischen Tuns in einer konkreten geschichtlichen Situation, da die mrderische Dialektik des Krieges das moralische Handeln als Absurditt blostellt. Jegliche Macht, erobert durch die Gewaltanwendung, fhrt einerseits zum Machtmissbrauch, und die negative Dialektik der Macht wendet sich andererseits immer gegen die Machttheoretiker und die Machthaber selbst. Die faktische Geschichte wird eigentlich als Theater erlebt, in dem ein Spiel des Terrors, den man den anderen antut und am Ende selbst erleidet, in immer neuen historischen Kostmen aufgefhrt wird. Auch dies ist also eine Weisheit in Dantons Geiste: Wie stehen immer auf dem Theater. Der historischen Faktizitt setzt das grndlich modifizierte revolutionre Bewusstsein einen anderen Geschichtsbegriff entgegen, dem nach die Geschichte eine Domne der Verantwortung ist. Diese hngt natrlich mit einer rigiden Ethik der Verantwortung zusammen. Als intellektuelle Gegenoption zum historischen Absurdum bietet Dojno unter Berufung auf Stetten eine eschatologische epische Geschichtsphilosophie, die das oberste Ziel der Geschichte in der werdenden, reifenden, sich verallgemeinernden Freiheit aller Menschen durch die Entwicklung zivilisatorisch-kultureller Mglichkeiten sieht. Die Freiheit selbst entfaltet sich demnach unter dem Einfluss des technischen Fortschritts weiter. Dieser Historiososophie liegt nmlich der von Stetten formulierte Revolutionsbegriff zugrunde, dessen zentrales Merkmal nicht mehr eine gewaltttige, politische, soziale oder wirtschaftliche Umwlzung ist, sondern vielmehr die allmhliche Vernderung der menschlichen Lebensweise durch technische Erfindungen und die daraus resultierende Wohlstandsmehrung. Es ist eine permanente, epische Revolution, die sich auf der philogenetischen Ebene der menschlichen Geschichtsentwicklung diskret abspielt und die die folgende essenzielle Wahrheit der Geschichte erkennen lsst: Die Menschen schaffen mehr, als sie zerstren; die Zustnde sind strker als die Ereignisse; die Zeugung ist schneller als der Tod. In welchem Mae der Impetus des strengen Moralkodex Dojnos nicht nur der idealistischen, aufgeklrten Moderne, sondern auch dem Judaismus entsprint, beweist dessen Auslegung der rabbinischen Legende von den Lamed-Waw-Zaddikim, den 36 Gerechten, die zu jeder Zeit unerkannt und sich dessen unbewusst in der Welt leben. Es sind sie, die die Existenz unserer Welt trotz menschlicher Boshaftigkeit und Verachtung Gottes sichern. Der Revolutionr, den Dojno im Sinne hat, hat die schwere Last der Gerechten mitzutragen, indem er sich als Verkrperung des kritischen Bewusstseins gegen das symboltrchtige Unrecht erhebt. Er selbst kmpft wie die anderen Revolutionre um die Freiheit aller. Der von Dojno gedachte, auf die Gegenwart bezogene Tatenidealismus beruht auf der Einsicht, dass alles, was wir tun, seinen Sinn nicht aus dem Ziel [bezieht], auf das wir zustreben, denn wir sind sicher, es nicht zu erreichen, sondern aus dem Wert der Tat selbst, und der Wert der Tat bleibe in der Wirkung, die sie auf uns selber hat. Die eigenen Handlungsprinzipien sollen also ausschlielich aus dem Gewissen, aus dem moralischen Bewusstsein des Menschen abgeleitet werden, da nur eine zweckfreie, moralisch legitime Tat das andere Individuum nicht zu einem Objekt degradiert und fr die menschliche Intersubjektivitt wirklich konstitutiv ist. Mit anderen Worten, Dojnos selbstkritisch berprftes revolutionres Bewusstsein stimmt im Endergebnis mit der von Stetten explizierten Aufgabe berein, nach der der geistige Mensch das Handeln den anderen zu berlassen und nur dort einzugreifen habe, wenn bestimmte Taten oder die moralische und geistige Not verhindert werden sollten. Damit wird aus einem uniformen, geistig unselbstndigen KP-Mitglied jener kritische Intellektuelle, der Stettens Bild vom geistigen Menschen entspricht. Er hat die moralische Pflicht, Zeugnis abzulegen und als Mahner und Erinnerer die Idee einer dem Menschen dienenden Politik sowie des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Bewusstsein anderer Menschen durchzusetzen, wobei es nicht seine Aufgabe ist, diese in der Praxis auch zu realisieren. Der Roman schliet mit Dojnos Erkenntnis, dass auch dieses Kriegsende keinen Zusammenbruch des Totalitarismus bringen wird, weil das Problem des Totalitarismus weit ber die Ebene der Politik hinausgeht. Durch ungeduldige, gewaltttige Handlungsoptionen knnen zwar Regierungen gestrzt werden, aber die totalitarisierende Denkweise, die dem Menschen inhrent ist, lsst sich auf diese Weise nicht revolutionieren bzw. abschaffen, so dass der geistige und materielle Fortschritt, wenn berhaupt, dann erst als Folge der langsamen menschlichen Evolution zu erwarten ist. Neben Edi Rubin fungiert Dojno als Figur des berlebenden, die der moralischen Pflicht der Zeugenschaft und der Trauerarbeit nachkommt. Er stellt, wie es Monika Schneider deutet, eine Synthese von alter und neuer Welt dar. Diese Synthese ist als stndiger, dynamischer Werdegang des menschlichen Subjekts in seiner gnoseologischen und moralischen Bestimmung aufzufassen. Alle vorher dargestellten Bewusstseintypen und alle dazu gehrigen Fragestellungen sind in Dojnos revolutionrem Bewusstsein dialektisch, nicht konfliktlos, mitenthalten: die Werte der jdischen Religion und Ethik, der Kritizismus der aufgeklrten, idealistischen Moderne und die marxistische Weltsicht der kommunistischen Bewegung. Nicht zufllig lsst Sperber seine Trilogie mit dem Ohne Ende berschrifteten Kapitel und mit einer Evokation abendlichen Friedens schlieen. Die Welt nach der Katastrophe ist ein Universum der berlebenden, fr die das Kriegsende den Bankrott jeder teleologisch ausgerichteten Geschichtsphilosophie bedeutet. Die extensive Schilderung der Natur im frisch befreiten Frankreich, durch die die drei Kampfgenossen Dojno, Meunier und Berthier mit einem klapprigen Gefhrt fahren, spizt den krassen Gegensatz zwischen Natur und Zivilisation, d. h. zwischen der zyklischen Daseinsweise der Natur und der linear ausgerichteten menschlichen Geschichte zu. Nicht nur Dojnos letzter Satz: Ich habe viel zu lernen, sondern auch die Natur selbst dementiert dadurch die als lineare Progressivitt gedeutete Geschichte. Es scheint, dass die Zyklizitt des Naturlebens immer wieder und jenseits der geschichtlichen Gesetzmigkeiten zur Geltung kommt, so dass die geschilderte Natur dem Leser als jenes Ewige erscheint, das dem Menschen erlaubt, ohne Bewusstsein in sie einzutauchen. Sie annulliert, bzw. entdramatisiert und relativiert die Folgen selbstzerstrerischer Bestrebungen der Zivilisation und ihrer politischen Geschichte, indem sie diese in ihren rhythmisch stabilen Kreislauf ruhig integriert. Obwohl Sperber selbst die Irrtmlichkeit seiner eigenen wie der fr seine Generation typischen Zielbesessenheit hinsichtlich der Politik als bewusster und kreativer Geschichtsmacherei spter zugestand und sich trotzdem lebenslang zum Ideal des Landauerschen Geistsozialismus bekannte, kann man sich im Kontext des Romanabschlusses fragen, ob nicht Theodor Adorno mit seinem Spruch das Ganze ist das Unwahre aus Minima Moralia doch Recht hatte. Die Trilogie lsst in ihrer Gesamtheit trotz Sperbers lebenslanger Verehrung des technischen, epischen Fortschritts der Geschichte der Menschheit die Erkenntnis vom Doppelcharakter des Fortschritts unverkennbar zum Ausdruck kommen: des Fortschritts, der stets zugleich das Potential der Freiheit und die Wirklichkeit der Unterdrckung entwickelte. Die bestehende Kluft zwischen den technischen und den rein menschlichen Mglichkeiten, die der zivilisierten Menschheit mit einer wachsenden Mglichkeit ihrer eigenen Vernichtung droht, hebt die Relativitt menschlichen Wissens und Tuns, ja der Gre menschlicher Geschichte hervor. Suggeriert wird das in der Trilogie durch den Anblick eines rostigbraunen, ausgebrannten Tanks, der in einem Pfirsichgarten liegen gelassen wurde und von dem man schon glauben mochte, dass er aus der Erde gewachsen war. Die allerletzte Szene bringt ebenfalls deutlich die der Natur entsprechende zyklische Daseinsweise und die Relativitt jeder teleologisch, eschatologisch, linear ausgerichteten und als Produkt aufgefassten Geschichte zur Sprache. Ein Bauer, der gerade seine Landarbeit beendet hat, sieht dem alten Gefhrt der drei Kriegskameraden nach und staunt darber, dass sich so was noch vorwrts bewegt: Und dazu noch diese platten Reifen. Ach was, wenn man nur will, dachte er, am Ende kommt es nur darauf an und auf die Geduld. Ein ungebildeter, aber durch ein Leben im Einklang mit der Natur belehrter Stetten? Der amor fati des Bauern, der dabei an seine Shne denkt, die bald aus der Gefangenschaft zurckkehren sollen, besttigt sich in seiner Erkenntnis, dass es fr mancherlei zu spt sei, aber nicht fr das Heu, nicht fr die anderen Arbeiten, die bevorstanden in den Tagen, Wochen, Jahren, die kamen. Der Bauer steht bewegungslos da, bis das Gefhrt verschwindet und die Stille vollkommen wird, die Stille des tiefen Friedens. Der Abend breitet sich ber das Land aus und ein leiser Wind berhrt dabei alles, aber er tut niemandem weh, kommentiert der auktoriale Erzhler. Die Natur wird damit zu einer lyrisch gestimmten Urtmlichkeit eine lautlose Bewegung von grenzenloser Zrtlichkeit, in deren kosmischen Unendlichkeit der einzelne Mensch, selbst ein Geheimnis des Weltalls, wie eine Trne im Ozean aufgeht. 5. SCHLUSSFOLGERUNG Zieht man bei der literarsthetischen Bewertung der Trilogie nochmals Sperbers Vortrag Die Wirklichkeit in der Literatur des 20. Jahrhunderts heran, die ein Selbstkommentar ist, dann wird nicht nur die Frage von Sperbers Innovativitt und Traditionsgebundenheit, sondern auch das Problem der Literaturgeschichte schlechthin mit einbezogen. In dem Vortrag ber poetologische und thematische Vernderungen in der neueren Literaturgeschichte ist Sperbers Betrachtungsweise distinktiv: Er erklrt, in welchen Punkten und warum sich die Romantradition des 19. Jahrhunderts von dem zeitgenssischen literarischen Pluralismus unterscheidet. In der Typologie, die er hauptschlich nach thematischen Kriterien zusammenstellt, nimmt auch sein narratives Hauptwerk eine besondere Stelle ein. Einen entscheidenden Grund fr die Verwandlung von Themen und literarischen Darstellungsweisen in der Literatur des 20. Jahrunderts sieht er in der durch die Weltkriege kollektiv und individuell gemachte Erfahrung des Bruchs von jeglichen Bindungen. Im thematischen Sinne betrifft dies seine eigene Generation: Zwischen 1914 und 1934 [...] haben diese Bindungen ihren fast mythischen Schicksalscharakter eingebt. Damit hat das persnliche Geschick eine Wandlung erfahren: Es kann zwar unsagbar traurig, aber nicht mehr tragisch sein, eine endlose Verzweiflung ohne vershnenden fnften Akt. Ein anderer Themenaspekt resultiere, so Sperber, aus der seit 1914 andauernden Weltkrise, die durch Kriege, Revolutionen und Konterrevolutionen die ganze Welt bis in die Grundfesten erschttert habe. Sptestens seit den 30er Jahren sei das Thema der Niederlage des Revolutionrs, mit dem Motiv der Verkehrung von Wort und Sinn, von Wesen und Tat, aufgetaucht. Der dritte Themenaspekt, der Verrat der Revolution, wurde nach Sperber zu einem zentralen Objekt revolutionrer bzw. geschichtsphilosophischer Romane (zu welchen seine und etwa die von Malraux zhlen). Deswegen stellt er ja auch die Frage, inwieweit die moderne Literatur einer Wirklichkeit gerecht werden knne, die im Grunde unliterarisch sei. Den Kern dieses Vortrags stellt Sperbers Behauptung, dass die Romane des Zweiten Weltkriegs kaum ber die des Ersten hinausgehen und zum Teil gleichsam nur deren Erweiterung, sozusagen nur der Tragdie zweiter Teil sind. Das literarsthetische Problem, das dabei entsteht, besteht darin, dass in diesen Werken der Krieg sich verkrmmele, auf einige Episoden reduziere und nur fragmetarisch erfasst werde, da selbst die treusten Berichte ber die Schrecken der KZs sich in die Schilderung eines Zustands verwandelten, der zwar grausam, aber dennoch Alltag und eine Art Normalitt sei. Abgesehen von allen stilpluralistischen Unterschieden in der modernen Literatur und trotz allen zivilisatorisch-technischen Leistungen der neueren Zeit (wie Weltraumfahrt und Atomspaltung), gehre der Mensch der Gegenwart jedoch, so Sperber, bewusstseinsmig noch immer nicht ganz zu unserer Zeit [...], sondern weit mehr [...] zur Vergangenheit, etwa zum 19. Jahrhundert. Diese Auffassung ist mit der ueren und inneren Struktur der Sperberschen Trilogie verbunden. Der Themenkomplex Politik-Moral-Geschichte ist nicht nur fr Sperbers Trilogie, sondern auch fr seine ganze schriftstellerische Ttigkeit (vor allem fr seine Essays), kennzeichnend. In der Trilogie fiktionalisiert er die erlebte Zeitgeschichte sowie die Geschichte seines eigenen Lebens, um einerseits der Trauerarbeit nachzukommen und andererseits als Zeuge, als Mahner und Erinnerer, auf das moralische und historische Bewusstsein seiner Leser zu wirken. Die Intention ist also sowohl psychologisch als auch moralistisch-didaktisch begrndet. Damit lsst sich sein literarisches Hauptwerk als narrative Form der Vergangenheitsbewltigung auffassen. Die literarische Konfrontation mit den frheren Stadien des eigenen Reifungsprozesses und der personalen Identittsbildung umfasst dabei inhaltlich nicht nur die transponierte Geschichte einer Leidenschaft eines Politik- und Geschichtsbesessenen, der diese Eigenschaft mit seinen revolutionr und prosowjetisch gesinnten Jahrgngern teilte, sondern auch die Bereitschaft des Romanautors, einen dynamischen, identitts- und sinnstiftenden Dialog mit dem ganzen europischen Bildungsdiskurs zu fhren. Als besonders anregend erweisen sich unterschiedliche geschichts-philosophische Konzeptionen, welche den europischen Geist, zu dem sich Sperber bekennt, ideengeschichtlich, aber auch praktisch-politisch mitbestimmt haben. Eines der grundlegenden Merkmale der Generation um die Jahrhundertwende geborenen europischen Intellektuellen, zu denen Sperber zhlt, ihr ein stark entwickeltes, radikalisiertes historisches und revolutionres Bewusstsein. Die Erfahrungen der beiden Weltkriege, einer dauerhaften geistigen, moralischen, wirtschaftlichen und politischen Krise in der europischen Zwischen- und Kriegszeit, bilden den historischen Hintergrund, vor dem sich ihre politischen Ttigkeiten und die Kmpfe um die Verwirklichung ihrer Ideale abspielen. Eine Alternative zu dem verfallenden europischen Geist, der sich sozialgeschichtlich gesehen seit der Franzischen Revolution als dauerhafter Krisenzustand, ja als die allgemeine Sinnkrise selbst manifestiert, erblickten viele gesellschaftskritische Schriftsteller jener Zeit in dem politischen Programm des Sozialismus, Marxismus, Kommunismus und/oder Anarchismus. Sein empirisches Korrelat glaubten sie in dem jungen sowjetischen Staat gefunden zu haben. Fr die meisten dieser damals jungen Intellektuellen verlief die ideelle, linke politische Orientierung parallel zu ihrem Beitritt zur KP und zu einem aktiven und lebenslangen antifaschistischen Engagement. Doch sie machten frher oder spter einen bitteren Desillusionierungsprozess durch, nachdem sie selbst von der negativen Dialektik der politischen Revolution ergriffen worden waren. Sperbers Trilogie ist ein Versuch, diesen langwierigen und schmerzhaften Prozess nochmals in Form narrativer Aufarbeitung der Vergangenheit zu erleben sowie seine eigene Identittskonstruktion kritisch zu reflektieren. Sperbers Erfahrungsbegriff, der mit der individualpsychologischen Lehre seines geistigen Mentors Alfred Adler zusammenhngt, zugleich aber in eine produktive Beziehung zu Ricoers allgemeinen Theorie der Narrativitt als dreistufiger Mimesis einerseits, zu bestimmten phnomenologisch-hermeneutischen Sinnmodellen andererseits gebracht werden kann, erweist sich als Basis fr das Verstndnis seines Anspruches, das erzhlte Romangeschehen als Gleichnis zu begreifen. Politik fungiert dabei nur als Rohstoff, whrend sich die wahre Geschichte auf dem Gebiet der Ideen abspielt. Ihre Trger sind individuell dargestellte Romanfiguren. Sie alle treten bewusst oder unbewusst als moderne Don Quijotes auf, die ihren Kampf um Ideale mit einer uerst prosaischen, entidealisierten Wirklichkeit beginnen und in ihm entweder vllig zugrunde gehen oder als berlebende, aber nicht Gerettete, resignieren und nur teilweise zu sich selbst und zur Welt zurckkommen. Sperbers Erzhltechnik lsst sich als ein Nebeneinander von Episoden, als ein Nebeneinander von Gegenwart und Vergangenheit verstehen, das er durch die hufige Anwendung von Rckverweisungen, Vorausdeutungen und Analogien realisiert. Neben einem transzendentalen Erzhler sind es die zentralen Romanfiguren, aus deren personalen Perspektive erzhlt wird. Die meisten wichtigen Gestalten sind als Typen im Sinne von Lukcs zu verstehen, insofern sie das Konkrete und das allgemein Gesetzmige in sich vereinen. Sperbers Erzhlweise ist eher traditionell und realistisch als radikal modern, obwohl viele Eigenschaften des Werks (wie ein offenes Romanende, der negativ dialektische Entwicklungsweg des Romanhelden sowie die Tatsache, dass die durchaus negativen, zynischen Romanfiguren ebenfalls Kommunisten sind) keineswegs die These sttzen, es handle sich hier um einen Roman im Geiste des sozialistischen Realismus. Als Erzhler ist Sperber dann am schwchsten, wenn er die Wirklichkeit der Romanwelt eben durch die Perspektive des auktorialen Erzhlers darstellt. Dies bezieht sich besonders auf jene Partien, in denen Milieus, Natur, kommunistische Aktionen und Liebesbeziehungen geschildert werden, denn sie wirken oftmals kitschig, melodramatisch-pathetisch und manchmal langweilig. Als stilistisch gelungen lsst sich jedoch die dramatische Ebene des Romans bewerten, deren Hauptanteil die philosophischen, dialektischen Streitgesprche ausmachen und deren quantitative Prsenz im Roman auffllt. Die Trilogie ist insofern ein modernes narratives Werk, als sich Sperber meta- und intertextualler Verfahren bedient, mancherorts krasse Gegenstze in ihrem Simultanismus zeigt und damit die innere Struktur und den Stil der Trilogie reflektiert, welche hauptschlich auf Gegenstzen beruhen. Auf diese Weise praktiziert er (obwohl nicht konsequent) die der Trilogie immanente Poetik des Essenzialismus. Einen wesentlichen Bestandteil der inneren Romanstruktur bilden unterschiedlich diskursivierte geschichtsphilosophische Konzeptionen, die die Romanfiguren als besondere Bewusstseinstypen reprsentieren. Als solche gehren sie zur Traditionslinie der europischen Kultur, die seit der Moderne, bzw. seit der Epoche der Aufklrung, in zunehmenden Mae ihre eigene Krise sthetisch und philosophisch reflektiert. Die zentralen Romangestalten, besonders die Gestalt des jungen sterreichischen Kommunisten und Intellektuellen jdischer Herkunft Denis Dojno Faber, sind moderne Individuen, die sich selbst als Fragmente einer zerbrochenen Welt erleben. Mit ihren idividuellen Schicksalen, Zweifeln und Hoffnungen, mit ihren negativen Lebenserfahrungen und ihrem Bewusstsein, in dem sich die Krise der Auenwelt widerspiegelt, kommt das Paradigmatische, das Gleichnishafte, das Essenzielle und das Metaphysische der menschlichen Erfahrung zum Ausdruck. In diesem Sinne lsst sich Sperbers Trilogie als eine Phnomenologie des historischen, vor allem des revolutionren Bewusstseins begreifen. Die vier Bewusstseinstypen (das kritische, das religise, das unglckliche und das revolutionre Bewusstsein im engeren Sinne) erweisen sich als konstitutive Komponenten bei der Bildung der narrativen und der personalen Identitt des Romanhelden und des Romanautors selbst. Beiden revidieren drastisch ihre anfngliche ideologische Position. Das logische und historisch gltige Prinzip, dank welchem der Romanheld wie es Monika Schneider hervorhebt eine Synthese der alten und der neuen Welt darstellt, ist eine genuin negative Dialektik. Der Reifungsprozess geht mit der Desillusionisierung des Helden einher, weshalb auch die teleologisch, linear-progressiven, optimistisch aufklrerischen historiosophischen Konzeptionen, die die Romangestalten vertreten, nach dem Erzhlten einer kritischen berprfung des Romanlesers unterzogen werden. Das, worin uns Sperber belehren kann, ist die Erkenntnis von der Relativitt unseres historischen Daseins, damit auch unseres eigenen Wissens: Die Weiterentwicklung des Menschen auf der philogenetischen Ebene erfordert jedoch notwendigerweise eine geduldige und nie aufzugebende ontogenetische Entwicklung jedes Menschen, dessen individuelle Bemhungen um die Verwirklichung der Utopie der aufgeklrten Vernunft und einer weltbrgerlichen Gesellschaft im Zustand des ewigen Friedens in dieser Welt wenigstens in der Erinnerung der anderen Menschen eine winzige, aber bedeutende Spur hinterlassen. 6. LITERATURVERZEICHNIS a) Primrliteratur: - Texte von Mans Sperber: (TRI): Wie eine Trne im Ozean. Romantrilogie. 7. Auflage. dtv, Mnchen, 1987 (AB 1): All das Vergangene... (Bd. 1): Die Wassertrger Gottes. Europaverlag, Wien, 1974 (AB 2): All das Vergangene... (Bd. 2): Die Vergebliche Warnung. Europaverlag, Wien, 1975 (AB 3): All das Vergangene... (Bd. 3): Bis man mir Scherben auf die Augen legt. 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Kindlers Neues Literatur Lexikon (1988), S. 823.  Die Abkrzung steht im folgenden fr Sperbers Romantrilogie.  Vgl. C. Sternberg (1991), S. 19-34.  Ebd., S. 20.  Ebd., S. 34.  Ebd., S. 36.  Zur ausfhrlichen bersicht der bisherigen Sperber-Forschung nach dem thematisch geordneten Stoff vgl. ebd., S. 36-55.  Vgl. W. Mller (1980).  Vgl. M. Schneider (1991).  Vgl. C. Sternberg (1991).  Vgl. T. Schmidt (1994).  Vgl. M. Stan i (2003).  Die Autobiographie wurde 1983 unter dem Titel All das Vergangene... verffentlicht. Zuvor erschien sie in drei Einzelbnden: Die Wassertrger Gottes (1974), Die vergebliche Warnung (1975), Bis man mir Scherben auf die Augen legt (1977).  Zu Ttigkeiten des INFA, dessen zentrale Antriebskraft der aus Belgrad stammende und bis dahin in Berlin lebende Kommunist und Kunsthistoriker Otto Bihalji-Merin war, vgl. M. Stan i (2003), S. 262-271.  Die Arbeit am ersten Romanband dauerte mit Unterbrechungen von 1940 bis 1948.  M. Sperber (AB 1), S. 154.  M. Sperber (AB 3), S. 204.  E. Toller (1930), S. 81.  Ebd., S. 82.  Ebd., S. 81.  Ebd., S. 82.  Landauers Definitionen des Sozialismus sind ziemlich unbestimmt und bildhaft, z. B.: Sozialismus ist Umkehr; Sozialismus ist Neubeginn; Sozialismus ist Wiederanschlu an die Natur, Wiedererfllung mit Geist, Wiedergewinnung der Beziehung. In: G. Landauer (1969), S. 178.  G. Landauer (1969), S. 92f.  Ebd., S. 181.  E. Toller (1930), S. 282.  Vgl. Tollers Brief an Gustav Landauer vom 20. Dezember 1917, in dem er das sozialistische Programm formuliert: [...] wir mssen vor allen Dingen den Krieg, die Armut und den Staat bekmpfen, der letzthin nur die Gewalt und nicht das Recht (als Besitz) kennt, und an seine Stelle die Gemeinschaft setzen, wirtschaftlich gebunden durch den friedlichen Tausch von Arbeitsprodukten gegen gleichwertige andere, die Gemeinschaft freier Menschen, die durch den Geist besteht. In: E. Toller (1930), S. 191.  K. Westermann (1995), S. 273.  Ebd., S. 291.  J. Roth (1995 b), S. 162.  Ebd., S. 178.  Ebd., S. 178.  Ebd., S. 179.  Ebd., S. 237.  Ebd., S. 237.  Vgl. W. Sieg (1974).  J. Roth (1995 a), S. 139.  A. Koestler (1954), S. 11.  Ebd., S. 57.  Ebd., S. 46.  Ebd., S. 162.  Ebd., S. 161.  Ebd., S. 161.  Ebd., S. 161.  Zu Sperbers Besuch bei Bucharin vgl. M. Stan i (2003), S. 195: Sperber und Bucharin unterhielten sich  ber Oswald Spenglers Bcher, ber das historische Bewusstsein, ber Tolstoi, ber gewisse russische Intellektuelle in der Emigration .  M. Stan i (2003), S. 201.  Vgl. M. Stan i (2003), S, / F pq   ' !## #>#K'\'@(A(Q1R1s1t1#6$699=C===\>r>>>o??u@v@AAnDoDFFHHIILLNNQQZT\T[1[[\h`mHsHh`5\mHsHjh`0JCJUaJh`CJaJjh`0JU h`6h`h`mHsH h`5\F,- '(!!# #>#?#0+.w1T9====C=D= $dh`a$dh$dha$ $dh@&a$6D=AEILMQQeن '7Q֏̒єјZjFS\]h`h`mHsHjh`0JUmHsHh`6]mHsHTuswx}~oz>c]^_<=¢ $dh@&a$$dha$ $dh`a$]=¢ڪ_ 9:;߻z{  6NO Dpq}mn:M2)456ojh`0JUmHsHh`6]mHsHjh`0JCJUmHsHh`CJmHsHh`mHsHh`5\mHsHI¢âتڪհu ;< CD}~ $dh`a$$dha$~ ()6B3 ?@9 $dh`a$$dha$QR %3=>E}~.>rs~"2:T@{|"&05FG)34?  i r nQR,.0ljh`0JUh`jh`0JCJUmHsHh`CJmHsHh`6]mHsHjh`0JUmHsHh`mHsHH9 $$&&&& &!&"&#&$&%&&&'&(&)&*&+&,&-&.&$dha$ $dh`a$ E_$&&&x&&&&&&&&`''k*m*****B,,---.-112{3|3366s6O8P8Q8EEcNNNNOO/Qؽjh`0JCJU h`CJjh`0JU h`5\h`56\]mHsHh`5\mHsHjh`0JCJUmHsHh`CJmHsHh`6]mHsHh`mHsHh` h`6]7.&/&0&1&2&]&&&&&A,B,.-/-12233r6s6Q8R8= BXE dh@&`dh@&dh $dh@&a$$dha$XEJbNcNdNNNQQTUV4Wi?i-jPjkll m mmmsstt9u;w'  ˍ̍89[\Δהוߕ1ݗޗߗ̜ٞ͜ڞdl.JRqr !5=HI\]zQRDzϲ%-7h`5\mHsHjh`0JCJUmHsHh`CJmHsHjh`0JUmHsHh`6]mHsHh`h`mHsHHМ./"\Ͱ}5e NO [$dha$ $dh`a$7Mջֻ56LMN5N 6ltIQRZJRPXDL  $3RϿըh`5\mHsHjh`0JCJUmHsH h`6]h`jh`0JCJU h`CJh`CJmHsHjh`0JUmHsHh`mHsHh`6]mHsH;34[\ -v#$K` dh $dh`a$$dha$RZ[  E]BUT\19 jkKSNVM U $t!u!v!%"&"''..j/k/G1H1z2{2<濯⿯濯jh`0JUjh`0JCJUmHsHh`CJmHsHjh`0JUmHsHh`6]mHsHh`h`mHsHh`5\mHsH h`5\A !v!w!$(+y9<<<<;?CFFZG[G'JgLOQQURSOSSZTdh`dh$dha$<<<<7?8?DDEEFWGXGZGIIQ5\6\n\>^?^@^efffeghhh-hkkkkGn#q$qUr`rcsdssstRzZz{{|~~~IJt܊yՐٮh`mHsHh`5\mHsHh`6CJ]h`mHsH h`6] h`5\jh`0JUh`jh`0JCJU h`CJ?ZTYV{YZ[9\;\m\n\@^A^Kdeeffdgeghh-h.hikkkkFnGndhdh`Gno%q&qsttwyz{{||~~;y͓Γ $dh`a$$dha$dhdh`Ր֐emʓ˓Γ]^ʖ12uʗZĥťަߦ}~ '(,4cl姡ۡjh`0JCJU h`CJh`mHsH h`6]jh`0JUh`6]mHsHjh`0JCJUmHsHh`CJmHsHh`h`mHsHjh`0JUmHsH:}ĥť  DcW#4o[?sdh` $dh`a$$dha$iq?@|[uvx;<"h "']cd+:; 5>PYr. ۾۾h`B*phjh`0JUh`5\mHsHh`jh`0JUmHsHh`6]mHsHh`mHsHIsCou i'' '''(',0:F=G=t>@@E1HAKN$dha$` $dh`a$$$%%'''('1,w,x,88::G=r>s>t>@@@CC EEJJLLLLlPmPQQUaWbWdW[[] ^Z_[_YagaddyfVjWjYkZknnolrmrnrMsNsoupu*y{÷÷÷÷÷ h`6]jh`0JCJU h`CJjh`0JUh`mHsHh`56\]h`h`B*phjh`0JB*UphCNRUUdWeW[axfyfgXjZjloonror)y*y|e}}} ȉɉ$dha$ $dh`a${{|||c}d}e}}}}~~~efɉIJK~8ij uv _`:;=|ϯׯ#jh`0JB*Uphh`B*ph h`5\ h`6]jh`0JUh`jh`0JCJU h`CJh`6CJ]Fɉ2 OP78~b<=|}dh $dh`a$$dha$#$:;xy1346WiBJK    V W 457ھڷڱ雊ھھھڷ jh`0JB*CJUphh`B*CJphjh`0JCJU h`CJ h`6]jh`0JU h`5\h`5B*\phh`h`6B*]phh`B*phjh`0JB*Uph6S7{Q46WX0dh$dha$ $dh`a$ )n]&((((,0476:<?CuJRT0W-]cdg`$dha$ $dh`a$  (())--<<>>EEeEfEGGeJfJNNkp[q\q^qrr;s./}`dh$dha$$/+{>?Fn`dh^dhdh` >WBBjB\`#%U Ev0X S)+/e6 f>Oh`56\]h`mHsHh`6]mHsHh`6]mH sH h`mH sH  h`5\ h`6]h`K`>5DEvwHZ9`dh^dhdh`Orv;vx|. l   N T [ u     m    0 1 F    A f l  FXZbc&,`(bfn f1Xh =sh`5\mHsH h`6]h`h`mHsHh`6]mHsHUB#p a   \  V  / v   % p FK0ddh`dhdh^<f^gh"nTv `  dh^dh`dhBz   . ` w     !2!3![!w!!!%"<"O""""<#####$$$$,&v&&N'v'x''((Z(e(((((((w))*h**(+n++,@,n,,-T--.L.q..."0000Z11$22243^3h`mH sH  h`6]h`h`6]mHsHh`mHsHV   D![!!!2""""5###)$z$$$%W%&$'x' (3((((dh^dhdh`(8))&**++@,,b--:.\...T0012283^33465D5dh`dh^ <dh^`<dh^33*444r5526666662747R7T7r7t777777777B8C8f8g8u888888899-9.9<9=9K9L9999999*:,:^:`::::;;;;;<T<r<t<==>>W>X>t>u>>>> h`6]h`mH sH h`jh`0JUh`5\mHsHh`6]mHsHh`mHsHND5566666666666666627R7r77777B8f8 $dh`a$$dha$dh^dhf88889-9<9K9999*:^::r<>W>t>>>>>>? @@6@/BOB$a$>>>>>>>>?? @ @@@6@7@/B0BNBOBPB_B`B{B|BBBBBBBBBBBBBBBCC*C+C9C:CICJCYCZCiCjCyCzCDDEEEEEEEFRTdj¸ĸ68np¹Uh`mHsHh`mH sH h`jh`0JUXOB_B{BBBBBBBBC*C9CICYCiCyCEER¸6n$a$. 202f.  M. Sperber (AB 3), S. 153/154.  M. Stan i (2003), S. 326.  T. Adorno (1971), S. 10.  M. Sperber (TRI), S. 979.  M. Sperber (1983 b), S. 99.  M. Sperber (TRI), S. 985.  Ebd., S. 307.  S. Lenz (1980), S. 48.  M. Sperber (1983 b), S. 109.  M. Sperber (TRI), S. 5.  Ebd., S. 5f.  S. Lenz (1980), S. 22.  Ebd., S. 59.  Zum Adlers sozialen Lernmodell erleben erfahren erkennen sich verndern und dessen Anwendung auf das Erzhlen vgl. C. Sternberg (1994), S. 56f.  S. Lenz (1980), S. 24.  M. Sperber (AB 3), S. 368.  N. Meutner (1995), S. 57f.  Ebd., S. 246.  V. Biti (2000), S. 331.  K. Nemec (1993), S. 117.  Ebd., S. 115.  Zitiert nach: D. Borchmeyer V. }mega  (1994), S. 215.  Zitiert nach: D. Borchmeyer  V. }mega  (1994), S. 215.  M. Sperber (AB 3), S. 264f.  M. Sperber (TRI), S. 123f.  F. Nietzsche (1954), S. 282.  Ebd., S. 282.  Ebd., S. 210.  Ebd., S. 216.  Ebd., S. 284.  S. Lenz (1980), S. 41.  M. Sperber (1985), S. 40.  S. Lenz (1980), S. 59.  Ebd., S. 59.  M. Sperber (TRI), S. 6.  Vgl. dazu C. Sternberg (1991), S. 121ff.  Die TRI gilt als ein politischer Roman (Koestler) mit didaktischer Intention (Sternberg, Klinger, Kraus), dann noch nher spezifiziert als eine Sage der Namenlosigkeit des Flchlings und daher als typisch fr die humanistische Literatur einer Generation (Magris), als ein philosophischer Roman mit kraftvoll gebildeten religisen/jdischen Dimension (Malraux), als Beichte, Selbstanalyse und Dissidentenroman (Michaelis), als zeit- und ideengeschichtlicher Roman (Paffenholz, Schneider), als zeitgeschichtlicher Rechenschaftsbericht, moralisches Pldoyer und psychologische Analyse (Reich-Ranicki), als groer Dialog mit der Zeit/Gesellschaft/Welt (Reinisch), als Epos der Trauerarbeit (Sternburg), als revolutionrer Roman ber die verratene Revolution und Entwicklungsroman (Zipes), als europischer Rechenschaftsbericht (}mega , Schmid). Die Hinweise auf die Bezeichnungen und die Autoren, von denen sie formuliert wurden, wurden der systematischen und ausfhrlichen bersicht der Sperber-Forschung bei C. Sternberg entnommen. Vgl. C. Sternberg (1991), S. 35-56.  T. Beki (1986), S. 86.  Vgl. M. Reich-Ranicki (1966), S. 257-262.  Vgl. M. Stan i (2003), besonders die Kapitel Arbeit am Bekenntnis. Der linke Diskurs und die Dialektik der marxistischen Aufklrung: Was ist Kultur?, Das moderne Kind u.a. (1930-1933), S. 203-213, Gesprche ber das Bewusstsein und die Arbeiterbewegung mit Alfred Dblin, S. 273-276, und Frchte der politischen Auftragsarbeit: Der Dichter als Ideologe, S. 285-307.  C. Sternberg (1991), S. 62.  Vgl. dazu C. Sternberg (1991), S. 40f.  C. Sternberg (1991), S. 59.  Es sei hier daran erinnert, dass an dem Kongress auch Sperbers spterer Gesprchspartner und Freund Malraux teilnahm. Gide war nicht dabei, aber vorgelesen wurde seine Botschaft, in der er fr einen kommunistischen Individualismus in der Literatur und Kunst pldierte. Vgl. A. Gide (1980), S. 31-36.  S. Lasi (1970), S. 73.  So Aleksandar Flaker in Die russische Literatur. Zitiert nach: C. Sternberg (1991), S. 62.  M. Stan i (2003), S. 206.  Ebd., S. 206.  Ebd., S. 208, Anmerkung 333.  M. Sperber (AB 3), S. 34/35.  M. Stan i (2003), S. 294.  E. Toller (1930), S. 280f.  A. Malraux (1969), S. 15.  Ebd., S. 15.  M. Sperber (AB 3), S. 357.  Vgl. die Abschnitte  Die Romanhandlung und  Titel und berschriften . In: C. Sternberg (1991), S. 64-66, 69-71.  M. Sperber (TRI), S. 1033.  M. Sperber (TRI), S. 19.  Ebd., S. 86.  Ebd., S. 444.  Vgl. dazu: Was krumm ist, soll gerade werden,/ was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden (Lk 3,5) und Was krumm ist, soll gerade werden,/ und was hgelig ist, werde eben (Jes 40,4). In: Die Bibel.  Vgl. M. Sperber (TRI), S. 813-817.  M. Sperber (TRI), S. 9.  Zu den Spielarten von Intertextualitt vgl. V. }mega  (1993), S. 25-46.  Die Beziehung zwischen der  Legende und dem Prtext wird nochmals im Kapitel ber das revolutionre Bewusstsein errtert.  M. Sperber (TRI), S. 9.  Ebd., S. 10.  C. Sternberg (1991), S. 85.  M. Sperber (TRI), S. 820.  Ebd., S. 820.  Ebd., S. 820.  Die Bibel, Markus 16, 9-10.  M. Sperber (TRI), S. 819-826.  Ebd., S. 826.  Ebd., S. 475.  Ebd., S. 748.  Ebd., S. 702.  Ebd., S. 22.  G. Bchner (1993), S. 13.  M. Sperber (TRI), S. 490f.  Ebd., S. 986.  Ebd., S. 9.  V. }mega  (1990), 355.  Ebd., 324.  Ebd., 324f.  Ebd., 325.  Zur Tendenz einer Re-episierung des Romans im 20. Jahrhundert und zu der ihr entgegengesetzten Tendenz seiner Diskursivierung vgl. das Kapitel  Roman . In: D. Borchmeyer-V. }mega  (1994), S. 373-393.  Die hier herangezogenen diagnostischen und prognostischen Gedanken Hegels ber die Entwicklungstendenzen der Romangattung in der modernen Zeit vor ihrem geschichtsphilosophischen und historischen Hintergrund wurden genauso wie die romantheoretischen Ideen des jungen Lukcs der kritischen und ausfhrlichen Analyse der Hegelschen sthetik von V. }mega  entnommen. Vgl. V. }mega  (1990), S. 111-144.  Zitiert nach: V. }mega  (1990), S. 143.  M. Sperber (1983 c), S. 13.  V. }mega  (1990), S. 125.  Ebd., S. 127.  M. Sperber (TRI), S. 79f.  D. Borchmeyer-V. }mega  (1994), S. 382.  M. Stan i (2002), S. 386.  Zitiert nach: C. Sternberg (1991), S. 108.  C. Sternberg (1991), S.139.  M. Sperber (TRI), S. 1025.  M. Sperber (TRI), S. 1000.  Ebd., S. 1000.  J. Blot (1996), S. 310.  H.-G. Gadamer (1980), S. 451.  K. Lwith (1983), S. 114.  Vgl. H.-G. Gadamer (1980), S. 451-456.  Vgl. dazu das Kapitel ber Miroslav (AP"?Oi.Xxؽ!:Ic$a$()ABPQ"#?@OPij .0tXZxzؽڽ!":;IJcd(prLh`mH sH h`6]mHsHh`mHsHjh`0JUh`UpzPT;VeuAf<$a$"z|PRZTV;<VWefuvABfg8<>68jl<=\]lm|}$ h`6]h`jh`0JUh`mHsHZ<6j<\l|.Hd~ jl4$a$$.02>HJLXdfht~  ln46@RTV  ;<YZvw#$ @BvxPRrtUh`mH sH h`mHsHjh`0JUh`X4T ;Yv# @vPr.f$a$Krle~as Geschichtsverstndnis im europischen philosophischen Kontext. In: V. }mega  (2001), S. 273-295.  V. }mega  (2001), S. 274.  H. Heine (1993), S. 23.  M. Sperber (1987), S. 6.  I. Kant (1994), S. 8.  M. Sperber (TRI), S. 141.  G. Bchner (1993), S. 40.  M. Sperber (TRI), S. 242f.  Ebd., S. 447f.  Ebd., S. 619.  Ebd., S. 619.  Ebd., S. 1025.  V. }mega  (1995), S. 292.  Ebd., S. 294.  M. Sperber (TRI), S. 122.  Ebd., S. 121.  Ebd., S. 140.  Ebd., S. 127.  Ebd., S. 122.  K. Lwith (1983), S. 116.  M. Sperber (TRI), S. 534.  K. Lwith (1983), S. 33.  M. Sperber (TRI), S. 531.  Ebd., S. 135.  Ebd., S. 243.  Ebd., S. 243.  Ebd., S. 134f.  Ebd., S. 222.  Ebd., S. 611.  K. Lwith (1983), 30.  Ebd., 30.  Ebd., S. 31.  M. Sperber (TRI), S. 142.  Ebd., S. 130.  G. Bchner (1993), S. 22.  M. Sperber (TRI), S. 1026.  Ebd., S. 476.  Ebd., S. 575.  I. Kant (1922), S. 62.  M. Sperber (TRI), S. 610.  Ebd., S. 130.  Ebd., S. 477.  Ebd., S. 484.  Ebd., S. 578.  Ebd., S. 478.  M. Sperber (TRI), S. 881.  Ebd., S. 881.  Zitiert nach: H. O. Horch (2002), S. 198.  P. Bouretz (1996), S. 208.  M. Sperber (TRI), S. 883.  M. Sperber (1983c), S. 38f.  M. Schneider (1991), S. 91.  M. Sperber (TRI), S. 892.  Ebd., S. 892.  M. Sperber (TRI), S. 712.  Ebd., S. 931.  Ebd, S. 946.  Zitiert nach: J. Schmidt (2002), S. 66.  M. Sperber (TRI), S. 946.  H. O. Horch (2002), S. 201.  M. Sperber (TRI), S. 915.  Ebd., S. 930.  G. W. F. Hegel (1970), S. 164. Bei Sperber fehlt das Wort  nur der zitierten Hegel-Stelle. Vgl. M. Sperber (TRI), S. 945.  P. Bouretz (1996), S. 219.  Vgl. K. Werner (2002), S. 377.  M. Sperber (1983 c), S. 13.  M. Sperber (TRI), S. 702.  Ebd., S. 9.  Ebd., S. 9.  Ebd., S. 9.  Ebd., S. 10.  Zur uerst inspirativen kabbalistischen Deutung des  Exodus -Kapitels und der Pershnlichkeit Moses, die hier herangezogen wurde, vgl. E. E. Lasch (1989).  M. Sperber (TRI), S. 22.  G. Bchner (1993), S. 13.  M. Sperber (TRI), S. 44.  Vgl. M. Sperber (TRI), S. 304f.  Ebd., S. 403f.  G. Bchner (1993), S. 57.  P. Bouretz (1990), S. 223.  M. Stan i (2003), S. 285.  G. Bchner (1993), S. 31.  M. Sperber (TRI), S. 702.  Ebd., S. 859.  Ebd., S. 860.  Vgl. M. Schneider (1991), S. 84-122.  P. Bouretz (1996), S. 220.  H. O. Horch (2002), S. 195.  M. Sperber (TRI), S. 1033.  H. O. Horch (2002), S. 195.  T. W. Adorno (1951), S. 80.  Ebd., S. 276.  M. Sperber (TRI), S. 1034.  Ebd., S. 1034.  Ebd., S. 1034.  Ebd., S. 1034.  Ebd., S. 1034.  Ebd., S. 1034.  M. Sperber (1983 c), S. 13.  M. Sperber (1983 c), S. 17.  M. Sperber (1983 c), S. 48. 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