Livia als Emma. Luchino Viscontis Film 'Senso' (CROSBI ID 682143)
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Erstić, Marijana
njemački
Livia als Emma. Luchino Viscontis Film 'Senso'
Im Zentrum dieses Aufsatzes steht Luchino Viscontis Film "Senso" (1954, dt. "Sehnsucht"). André Bazin zufolge ist dieser Film „der romanhaften Ästhetik ähnlich, die in der Tradition Flauberts steht und besonders durch den Naturalismus bekräftigt ist“. Zwar hat Viscontis "Senso" eine andere literarische Vorlage als den so genannten realistischen Roman "Madame Bovary" Gustave Flauberts. Und dennoch ist die viscontianische Contessa Livia in ihrem Selbstbetrug und vielleicht auch in ihrem nüchtern geschilderten schwärmerischen Charakter Flauberts Figuren nahe. Diese sind bekanntlich für eine sentimentale Erziehung empfänglich, so vor allem, auf je unterschiedliche Art, Frederic Moreau und Emma Bovary. Luchino Viscontis Film zeigt in flaubertscher Manier, was passiert, wenn der Wunsch nach einem anderen und vermutlich besseren Lieben und Leben jemanden ergreift, der zur Oberschicht gehört – und das alles inmitten einer Revolution. Der italienische Neorealist gestaltet in "Senso" aus der gleichnamigen Novelle Camillo Boitos einen filmischen und typisch italienischen Ehebruchsroman, der mit Verweisen auf die großen Romane des 19. Jahrhunderts arbeitet. So wird Livias und Emmas vergleichbare Vorliebe für Liebes-Sujets in Luchino Viscontis Film "Senso" auch als entlarvendes Kristallbild eingesetzt. Das Kristallbild verstehe ich hier in Anlehnung an Gilles Deleuzes als ein Zusammenspiel des Filmbildes mit den in diesen hineinkomponierten Artefakten, die für ein synästhetisches Filmerlebnis sorgen. Das sind Bilder, Spiegel, Licht, Körperinszenierungen bzw. Schauspieler, Räume, aber auch Musik oder die durch die Bilder konnotierten Gerüche. Keineswegs rein äußerlich entlarvt Visconti das Spiel mit dem Kristall als das Spiel mit der Zeit. Aktuelles und Virtuelles, Vergangenes und Gegenwärtiges verschränken sich in ihm. Diese Komponente ist in "Senso" jedoch typisch italienisch. Die gealterte italienische Gräfin Livia Serpieri, ihr junger österreichischer Liebhaber Franz Mahler, beide sind sie gefangen in einem Zeit-Raum-Konnex, der Risorgimento heißt, und aus dem sie auszubrechen versuchen – Livia mit ihren hoch egoistischen Sentimentalitäten, Franz mit seinem nicht weniger narzisstischen Überlebenskampf. Die Figuren sind dabei liebestoll wie Livia oder klar räsonierend und zynisch wie Franz, und doch verleiht ihnen der unhintergehbare gesellschaftliche Rahmen eine historische Tiefe und eine bisweilen tragische Würde. Das Öffentliche und das Private durchkreuzen sich wie in einem Theater, ja wie in einer privaten Opernloge des 19. Jahrhunderts. Doch nicht nur auf der Ebene der Figurenkonfiguration, auch und vorrangig in der Reflexion auf die Zeit ist Viscontis Film mit den auf Henri Bergson verweisenden und diesen antizipierenden modernen Zeitromanen vergleichbar, zu denen, wie Walburga Hülk gezeigt hat, bereits die Romane Gustav Flauberts gehören. Der Beitrag geht den einzelnen Stationen dieser, in den filmischen Zeit- und Kristallbildern kondensierten Sehnsüchten der Hauptfigur nach.
Luchino Visconti, Senso, Gustave Flaubert, Madame Bovary
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engleski
Livia as Emma. 'Senso' by Luchino Visconti
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Luchino Visconti, Senso, Gustave Flaubert, Madame Bovary
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Podaci o prilogu
109-130.
2021.
objavljeno
10.14361/9783839452844-009
Podaci o matičnoj publikaciji
"Madame Bovary, c'est nous!" – Lektüren eines Jahrhundertromans
Erstić, Marijana ; Schuhen, Gregor ; Tschilschke, Christian von
Bielefeld: Transcript
978-3-8376-5284-0
Podaci o skupu
Nepoznat skup
predavanje
29.02.1904-29.02.2096